Die Sache
mit der
Erdbeere
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Daniel Barenboim - Foto (C) Peter Adamik | Bildquelle: berliner-philharmoniker.de
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Bewertung:
"Er sei bei der Komposition 'immer wieder in Tränen ausgebrochen' – so Peter Tschaikowsky über seine Sechste Symphonie. Der emotionale Hochdruck hinderte ihn allerdings nicht daran, ein Werk voller Komplexität und Einfallsreichtum zu schaffen." (Quelle: berliner-philharmoniker.de)
Tränen hin und Hochdruck her - wir gehen alle in die Grube.
Der Tschaikowsky-Tod wurde nie eindeutig belegt, ja und deswegen (lag's am Glas unabgekochten Wassers oder am Arsen? war's Leichtsinn oder Suizid??) schossen Vermutungen ins Kraut. Der Komponist war "zudem" schwul, was seiner so schon komplizierten Psyche zusätzlich noch einen Garaus gab; früher wie heute konnten/können Russen halt nicht mit dem Thema Homosexualität gelassen umgehen - auch dieses unterscheidet sie vom zivilisatorisch-aufgeklärten Rest der Welt. So bleibt für uns [und mich, den sozusagen klinisch Eingeweihten] doch der bitterböse Schluss, dass "man" ihn letzten Endes höchstwahrscheinlich in den Selbstmord trieb...
Visconti hatte alles Das sehr schön in seinem oppulent-düsteren Film Der Tod in Venedig (frei nach Thomas Manns gleichnamiger Novelle) hochästhetisch ausgebreitet - dort gab's zwar "nur" Mahler im Backround zu hören, und Bogarde sah auch so wie Mahler aus, aber - die Szene mit der Erdbeere am Schluss: Das war dann wohl eindeutig(st)er Verweis auf unsern Leidgefährten Peter Iljitsch - - denn gleichsam nach Einnahme und noch vor endlicher Verdauung dieser Todesfrucht (Venedig stand sowohl im Buch wie auch im Film unter der Quarantäne, weil die Cholera dort ausgebrochen war; ja und "nur" einheimische Venezianer oder allenthalben Russen lagerten und sprangen dort noch rum; und Aschenbach verzehrte halt ganz leichtgläubig das ihm kredenzte Seuchenobst) war Finis operis will sagen: Exitus.
Ja und das Alles [s.o.] höre ich dann jedesmal genüsslich mit, wenn ich Tschaikowskys Pathétique verinnerliche.
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Es ist anzunehmen, dass die Sinfonie hunderte Male schon mit den Berliner Philharmonikern, seit es sie gibt, zu hören war - ja und selbst Daniel Barenboim (für Überraschungen stets gut) konnte da jetzt nicht mit 'nem neuen Stein der Waisen aufwarten. Die Sicht der Dinge, die von ihm ausging, war so bereits im legendär geword'nen Staatskapellen-Auftritt Januar 2011 erlebbar, und der ganz besondere und "unheilvolle" Spirit, der von daher in schier unvergesslicher Erinnerung geblieben ist, stellte sich diesmal (mit den Philharmonikern) doch irgendwie nicht ein; die Leute klatschten zwar erneut bereits nach dem aufpeitschenden Verklingen von Satz 3, doch diesmal torpedierten einige der Fans noch zusätzlich und insbesondere die rätselhafte Stückauflösung, wo sie (ebenso) vorwitzig laut hineinklatschten, noch ehe Barenboim dann überhaupt die Hände unten hatte und das Werk verhallte - Trampel oder Vollidioten?!
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Komponist Jörg Widmann's Teufel Amor, diesen ambitionierten und nicht mehr als effekthascherischen und wohl mehr ins Nichts führenden "symphonischen Hymnus nach Schiller", hatte Barenboim bereits 2013 (wieder mit der Staatskapelle!) aufgeführt, das Werk zählt also längst zu seinem Dirigenten-Repertoire - was lag da näher, wird der Pultstar sich gedacht haben, es (mit den Philharmonikern) noch einmal zu versuchen. Kann ja sein, dass er dann das Orchester sogar mahnte, zwischendurch doch auch mal wieder etwas Neues darzubieten. Und als ob's vom Widmann nicht inzwischen andere oder vielleicht sogar bessere Stücke geben würde als diese Reprise hier und gestern.
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Andre Sokolowski - 6. Juni 2015 ID 8688
BERLINER PHILHARMONIKER (Philharmonie Berlin, 05.06.2015)
Jörg Widmann: Teufel Amor, symphonischer Hymnos nach Schiller
Peter Tschaikowsky: Symphonie Nr. 6 h-Moll op. 74, Pathétique
Berliner Philharmoniker
Dirigent: Daniel Barenboim
Weitere Infos siehe auch: http://www.berliner-philharmoniker.de
Post an Andre Sokolowski
http://www.andre-sokolowski.de
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