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KOSMOS JOSQUIN

JOSQUIN (4)

Die letzten Messen


The Tallis Scholars | Foto (C) Nick Rutter

Bewertung:    



Gestern hatte KOSMOS JOSQUIN sein Finale. The Tallis Scholars sangen die vergangenen vier Tage - je in zwei Konzerten, nachmittags und abends - alle 18 Messen des im vergangenen Jahr seinen 500. Todestag begangen habenden frankoflämischen Komponisten Jossequin Lebloitte dit Desprez (* zwischen 1450 und 1455 - ✝ 27. August 1521); das Projekt sollte eigentlich schon 2021 stattfinden, doch wegen der Coronapandemie musste es ausfallen.

Dreizehn Geangssolistinnen und Gesangssolisten (falls ich das in jenen vier Konzerten, wo ich war, so richtig zählte) alternierten bei den Darbietungen; mindestens neun, maximal elf Beteiligte standen dann jeweils für die eine oder andere der Messen im Parkettrund des Berliner Pierre Boulez Saals.

Seine nachhalllose, fast dann schon zu "trockene" Akustik scheint für A-Cappella-Darbietungen ideal zu sein. Bedenkt man, dass die Messen in der Zeit, in der sie komponiert und aufgeführt wurden, zumeist in Renaissancekirchen und -klöstern zu hören gewesen sein dürften, kann man sich gut vorstellen, wie hallig resp. nachhallig das alles geklungen haben mag, und apropos: Ich selbst mag diesen nachhalligen Kirchenklang doch sehr, obwohl er freilich arg verwässert und verwischt, was eigentlich zu hören sein sollte, nämlich die Unterscheidbarkeit der vielen, vielen Einzelstimmen.

Nach den sieben von mir rezipierten Messen - ich blieb bei den ersten drei Konzerten lediglich nur bis zur Pause, gestern allerdings dann bis zum Schluss - hatte ich eine Vorstellung von dem, wie sich die je beteiligten Tallis Scholar-Mitglieder einzeln anhörten; ich wusste also ziemlich eindeutig, wie sie auch solo klingen, was dann nicht verwunderte, denn in den Messen von Josquin gibt's jede Menge Zwiegesänge und Duette. Ihrem glasklaren und raumfüllenden Chorgesang verlieh das eine identifizierbar exklusive Individualität.

Kurzum: Es war ein Hohefest menschlicher Stimmen, was wohl so in dieser bis da kaum jemals gehörten Klangschönheit und -dichte nicht so schnell zu wiederholen sein dürfte.



KOSMOS JOSQUIN: The Tallis Scholars unter der Leitung von Peter Phillips im Berliner Pierre Boulez Saal, konkret am 13. Juli 2022 (dem zweiten ihrer insgesamt acht Konzerte mit allen 18 Messen des frankoflämischen Komponisten) | Foto (C) Peter Adamik


Peter Phillips, der Gründer und Leiter der Tallis Scholars, steuerte vorzügliche Werkbeschreibungen und -einordnungen bei, welche er jeweils im Programmheft und auf der eigens für KOSMOS JOSQUIN eingerichteten Web-Seite des Boulezsaals [s. URL unten] zum Nachlesen und -hören anbot.

So heißt es hinsichtlich der ersten der zwei letzten Messen von Josquin - Mater Patris [= "Mutter Gottes"] - wie folgt:


Sie "gehört zu seinen geradlinigsten Kompositionen – sie ist kühn und gleichzeitig erfrischend schlicht im Stil. 'Schlicht' wird beim Kategorisieren von Kunstwerken oft mit 'früh' gleichgesetzt. Wo Schlichtheit jedoch das Resultat einer künstlerischen Entwicklung über ein ganzes Leben hinweg ist, kann sie auch 'spät' bedeuten, wie man an vielen Künstlerinnen und Künstlern fortgeschrittenen Alters aus unterschiedlichen Genres erkennen kann – Arvo Pärt ist dafür ein aktuelles Beispiel. Genau diese Reduktion einer hochentwickelten Methode ist es, was Josquin in seiner Missa Mater Patris demonstriert. Kein dichtes polyphones Geflecht mehr wie in vielen seiner früheren Werke, sondern lichte, offene Strukturen, die mit Witz und sogar einer gewissen Verspieltheit realisiert werden."


Es sangen Amy Haworth (Sopran), Elisabeth Paul, Caroline Trevor und Alex Chance (Alt), Steven Harrold, Simon Wall, Guy Cutting und Oscar Golden-Lee (Tenor) sowie Tim Scott & Simon Whiteley als auch Robert Macdonald (Bass).

*

Und zu der höchstwahrscheinlich allerletzten Josquinmesse - Pange lingua [= "Besinge! Zunge"] - lässt Phillips uns das Folgende noch wissen:


"In diesem Werk liegt das Hauptaugenmerk endgültig und uneingeschränkt auf der Kunst der Imitation, die alle Stimmen als gleichberechtigt behandelt. Die Art und Weise, wie Josquin die sechs kurzen Phrasen der zugrundeliegenden Choralmelodie (die ursprünglich von Thomas von Aquin für das Fronleichnamsfest geschrieben wurde) so unkompliziert und ausgewogen auf alle vier Stimmen verteilt, hatte für die Musik der Renaissance in ganz Europa weitreichende Auswirkungen. [...] Danach ließ er die Gattung hinter sich und wandte sich kleineren, mehr als vierstimmigen Formen zu."


Es sangen dieselben Solistinnen und Solisten wie bei Mater Patris - außer Caroline Trevor, Guy Cutting und Simon Whiteley; statt derer Charlotte Ashley (Sopran) und Ben Hymas (Tenor).



The Tallis Scholars | Foto (C) Nick Rutter


"In beinahe fünf Jahrzehnten weltweiter Konzerttätigkeit und mit einer Vielzahl ausgezeichneter Aufnahmen haben Peter Phillips und die Tallis Scholars wie kaum ein anderes Ensemble einen Beitrag dazu geleistet, geistliche Vokalwerke der Renaissance fest im Konzertrepertoire zu etablieren. Einem größeren Publikum bringen sie Kompositionen der Renaissance durch Aufführungen in Kirchen, Kathedralen und Konzertsälen nahe. Dazu zählen u.a. die Royal Albert Hall, die Sixtinische Kapelle, das Lincoln Center und die Carnegie Hall in New York, die Berliner Philharmonie, der Markusdom in Venedig, das Seoul Arts Centre, Shakespeare’s Globe und die Wigmore Hall in London, das Concertgebouw Amsterdam, die Beijing Concert Hall, das Megaron in Athen und das Sydney Opera House. Bis heute entwickeln die Tallis Scholars ihren unverwechselbaren, für seine Klarheit und Geschmeidigkeit gerühmten Klang weiter und widmen sich neuen Interpretationen nicht nur von Werken historischer Komponisten, sondern auch von Zeitgenossen wie Arvo Pärt, John Tavener, Paul Whitacre und Nico Muhly."

(Quelle: boulezsaal.de)


Andre Sokolowski - 17. Juli 2022
ID 13715
JOSQUIN DES PREZ - ALLE MESSEN (Pierre Boulez Saal, 16.07.2022)
Die letzten Messen

Josquin: Missa Mater patris
- Missa Pange lingua
The Tallis Scholars
Leitung: Peter Phillips


https://www.boulezsaal.de/de/konzerte/Josquin

https://www.thetallisscholars.co.uk/


https://www.andre-sokolowski.de

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