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KOSMOS JOSQUIN

JOSQUIN (3)

Ostinatomessen


The Tallis Scholars | Foto (C) Nick Rutter

Bewertung:    



Fünf Noten - A, G, F, D, E - sind das Motiv oder die Melodie, worauf sich der Titel La sol fra re mi der gleichnamigen Messe von Josquin bezieht.


Meine Ur-Begegnung mit der C-Dur-Tonleiter hatte ich in der Unterstufe des Musikunterrichts allgemeinbildender DDR-Schulen, der Lehrer sang sie vor ("ja, le, mi, ni, ro, su, wa, ja") und machte dazu, bei jedem der acht Töne, eine entsprechende Handbewegung. So prägte ich sie mir akustisch wie auch optisch ein.

Dieses vom deutschen Musikpädagogen Richard Münnich anno 1930 kreierte Unterrichtskonzept wird "Jale" genannt, und es entspricht im Wesentlichen der so genannten "Solmisation", einer im Mittelalter entwickelten Verfahrensweise zum Erkennen der Tonstufen eines Gesanges auf bestimmte Silben ("do, re, mi, fa, sol, la, si, (do)").



So erklärt sich also, ganz simpel ausgedrückt, der Titel dieser Josquin-Messe:

La, sol, fra, re, mi entsprechen den Noten A, G, F, D, E.



Klaviatur mit französischen Tonnamen | Bildquelle: Wikipedia


"Eine ganze Messe zu komponieren, die sich strikt an ein fünftöniges Motiv – als eine Art abgebrochener cantus firmus – hält, ist eine Meisterleistung der Erfindungskraft", schreibt Peter Philipps, der Chorgründer und -leiter von The Tallis Scholars, die derzeit alle 18 Josquin-Messen im Berliner Pierre Boulez Saal singen - das mit acht Aufführungen (an vier Tagen) angelegte Großprojekt sollte bereits im letzten Jahr zum 500. Todestag Josquins über die Bühne gehen; Corona machte aber allem und allen einen Strich durch die Rechnung - , und Phillips schlussfolgert:


"Indem Josquin ein so kurzes Motiv als Grundlage wählte – im Gegensatz zu einer Choralmelodie, deren Länge prinzipiell keine Grenze gesetzt war –, eröffnete er sich ungeahnte Möglichkeiten der Bezüge und Verweise. Diese fünf Noten lassen sich problemlos verlängern, verkürzen, auf den Kopf stellen, von hinten nach vorne zitieren, gleichzeitig in unterschiedlichen Rhythmen und Hexachorden übereinander stapeln. Dank der Kürze des Motivs bringt auch das etwas altmodisch im Stil einer cantus-firmus-Messe gesetzte Credo mit langen Notenwerten im Tenor den musikalischen Fluss nicht zum Stocken, wie es in anderen Credo-Vertonungen dieser Art oft der Fall ist."


Es sangen Amy Hawroth, Charlotte Ashley (Sopran), Elisabeth Paul, Alex Chance (Alt), Steven Harrold, Guy Cutting, Ben Hymas, Oscar Golden-Lee (Tenor) und Tim Scott & Simon Whiteley (Bass).

*

Als zweites wurde Josquins Messe Faysant regretz ["faysant" o. "faisant" für "tun" o.s.ä. / "regretz" = für "bedauern", AS] dargeboten.

Bei ihr ist es ein Viertonmotiv - F, D, E, D - , was auskomponiert wurde.


Es "erklingt über 200 Mal und ist in allen Stimmen fast ununterbrochen zu hören – in unterschiedlichen Tonlagen und in unterschiedlichen rhythmischen Formen. Hier gibt es keine hörbare Struktur, an der man sich festhalten könnte: stattdessen wird man in eine äußerst intellektualisierte Welt von vielgestaltigen, umherwirbelnden Anspielungen und Wiederholungen befördert – ein Gipfelpunkt in Josquins Kunst." (Peter Phillips)


Auch verwies uns Phillips (im Programmheft) auf das "Amen" im Credo, seiner (wie er schreibt) "Lieblingspassage in den 18 Messen Josquins überhaupt":


"Mit fortschreitendem Alter tendierte Josquin mehr und mehr dazu, in seinen Melodien immer wieder zum selben Ton zurückzukehren, und hier ergibt sich durch so einen wiederkehrenden Ton (D) eine unvergessliche Phrase. Obwohl die anderen Stimmen darauf anspielen, sind es die Soprane, die nicht von ihm ablassen können. Eine erstaunliche Konzeption, deren Ausführung ein fesselndes Unterfangen ist."


Es sangen dieselben Sängerinnen und Sänger wie in La sol fa re mi - außer Elisabeth Paul, Alec Chance, Ben Hymas und Tim Scott Whiteley, statt derer Caroline Trevor (Alt), Simon Wall (Tenor) und Robert Macdonald (Bass).

The Tallis Scholars mit Josquin-Messen zuzuhören, macht schon zwanghaft gläubig, und da nützte mir mein eingestand'ner Atheismus wahrlich nichts.



The Tallis Scholars | Foto (C) Nick Rutter


"In beinahe fünf Jahrzehnten weltweiter Konzerttätigkeit und mit einer Vielzahl ausgezeichneter Aufnahmen haben Peter Phillips und die Tallis Scholars wie kaum ein anderes Ensemble einen Beitrag dazu geleistet, geistliche Vokalwerke der Renaissance fest im Konzertrepertoire zu etablieren. Einem größeren Publikum bringen sie Kompositionen der Renaissance durch Aufführungen in Kirchen, Kathedralen und Konzertsälen nahe. Dazu zählen u.a. die Royal Albert Hall, die Sixtinische Kapelle, das Lincoln Center und die Carnegie Hall in New York, die Berliner Philharmonie, der Markusdom in Venedig, das Seoul Arts Centre, Shakespeare’s Globe und die Wigmore Hall in London, das Concertgebouw Amsterdam, die Beijing Concert Hall, das Megaron in Athen und das Sydney Opera House. Bis heute entwickeln die Tallis Scholars ihren unverwechselbaren, für seine Klarheit und Geschmeidigkeit gerühmten Klang weiter und widmen sich neuen Interpretationen nicht nur von Werken historischer Komponisten, sondern auch von Zeitgenossen wie Arvo Pärt, John Tavener, Paul Whitacre und Nico Muhly."

(Quelle: boulezsaal.de)


Andre Sokolowski - 16. Juli 2022
ID 13714
JOSQUIN DES PREZ - ALLE MESSEN (Pierre Boulez Saal, 15.07.2022)
Ostinatomessen

Josquin: Missa La sol fa re mi
- Missa Faysant regretz
- Missa Hercules Dux Ferrariae
The Tallis Scholars
Leitung: Peter Phillips


https://www.boulezsaal.de/de/konzerte/Josquin

https://www.thetallisscholars.co.uk/


https://www.andre-sokolowski.de

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