JOSQUIN (1)
Kanonmessen
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Jossequin Lebloitte dit Desprez - Holzschnitt von Petrus Opmeer, 1611 | Bildquelle: Wikipedia
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Bewertung:
Im vergangenen Jahr - zum 500. Todestag des frankoflämischen Komponisten und Sängers der Renaissance Josquin (auch: Josquin Desprez, Josquin des Préz, Jossequin Lebloitte oder [latinisiert] Josquinus Pratensis geschrieben und genannt) - wurde das vom Berliner Pierre Boulez Saal und dem britischen Vokalensemble The Tallis Scholars geplante Jubiläumsprojekt der Aufführung sämtlicher Messen des Meisters (immerhin 18 an der Zahl!) wegen Corona abgesagt und musste daher sang- und klanglos ausfallen.
Dass sich jetzt die Beteiligten noch einmal - passend zum Saisonschluss des Boulezsaals - aufrafften, um das von ihnen unverschuldet nicht/ noch nicht gestemmte Großereignis nachzuholen, ehrt sie auf das Allerschönste!
Vier Tage mit je zwei Konzertterminen, 15 sowie 20 Uhr, hat der Veranstalter für diese Exklusivität (nochmals: sämtliche Josquin-Messen, 18 an der Zahl!) veranschlagt. Zwischen zwei und maximal drei Messen wird es jeweils mit The Tallis Scholars zu hören geben; die Reihenfolge scheint chronologisch zu sein, und unter folgenden "Themen" sind die acht Konzerte angezeigt:
13. Juli 2022, 15 Uhr | Die frühesten Messen (2)
13. Juli 2022, 20 Uhr | Kanonmessen (2)
14. Juli 2022, 15 Uhr | L'Homme Armé-Messen (2)
14. Juli 2022, 20 Uhr | Frühe und mittlere Messen (3)
15. Juli 2022, 15 Uhr | Messen nach mehrstimmigen Vorlagen (2)
15. Juli 2022, 20 Uhr | Ostinatomessen (3)
16. Juli 2022, 15 Uhr | Späte Messen (2)
16. Juli 2022, 20 Uhr | Die letzten Messen (2)
Ergänzend - und auch vor- und/ oder nachbereitend hierzu - kann auf der Boulezsaal-Website eine Exkursion zum Leben und zum Werk Josquins auf virtuelle Weise angegangen werden. "Lernen Sie seine faszinierende Musik kennen, entdecken Sie die bildende Kunst seiner Zeit und unternehmen Sie mit uns eine Spurensuche nach dem ersten Superstar der europäischen Musikgeschichte", heißt es da in der als KOSMOS JOSQUIN apostrophierten "multimedialen Reisen in die Renaissance"; auch kann man hier die 18 Messen mit den Tallis Scholars anhören und viele Text- und Bildinfos zu allen Werken ansehen. Chorleiter Peter Phillips schrieb die jeweiligen Werkeinführungen zu Joquins Messen.
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Screenshot der KOSMOS JOSQUIN-Website des Pierre Boulez Saals Bildquelle: boulezsaal.de/de/konzerte/Josquin
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Gestern (13. Juli) startete das Großprojekt.
Ich war im 20 Uhr-Konzert mit den zwei Kanonmessen Missa Ad fugam und Missa Sine nomine - kurz zu der ersten, dem angeblich "mathematisch strengsten Werk" aus Josquins Feder:
"Der Kanon spielt sich in Ad fugam immer zwischen der Oberstimme und der jeweils dritten Stimme und immer im Quintabstand ab. Da sich dieses Muster durchweg exakt wiederholt, ist es relativ einfach zu hören. Verfolgen Sie zum Beispiel zu Beginn des ersten Kyrie den Sopran und Tenor, um das kompositorische Schema nachzuvollziehen. Mithilfe dieser Melodie können Sie dann den Eröffnungstakten aller Sätze folgen. Derartiger strenger Kanon stellt eine kompositorische Herausforderung dar, die weit über die Schwierigkeiten eines bloßen cantus-firmus-Satzes hinausgeht. Es half sicher, dass Josquin die Melodien, die er dann kanonisch verarbeitete, selbst geschrieben hatte. Doch seine Entscheidung, sich so streng an das Muster zu halten, führte zu einer Messvertonung von außergewöhnlich dichter und einheitlicher Textur."
(© Peter Phillips / Gimell Records, deutsche Übersetzung von Renate Wendel)
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Es ist ein Privileg, dem schier überirdischen Chor der elf Gesangssolistinnen und -solisten des britischen Vokalensembles The Tallis Scholars (mit Amy Haworth, Charlotte Ashley, Elisabeth Paul, Caroline Trevor, Alex Chance, Steven Harrold, Simon Wall, Ben Hyams und Oscar Golden-Lee sowie Tim Scott & Simon Whitleley) zu lauschen! Es gibt keine Worte, die diesen Gesang noch mehr erhöhen würden, als er ohnehin schon ist... Grandios.
[Die Messen von Josquin klingen - für die mehr oder weniger ungeübten Laien-Ohren (wie die meinen beispielsweise) - allesamt irgendwie ähnlich oder sogar gleich; und hoffentlich hat das hier keiner jetzt gelesen, der dann richtig Ahnung hiervon hat. Also: Weil dem gefühltermaßen halt so ist, entschließe und entschloss ich mich jeweils nur bis zur Pause der von mir geplanten vier Konzerte zu bleiben und dennoch, trotz des "zu wenig Gehörten", ein paar lesenswerte Konzertberichte anzubieten.]
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The Tallis Scholars am 13. Juli 2022 bei KOSMOS JOSQUIN im Berliner Pierre Boulez Saal | Foto (C) Peter Adamik
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"In beinahe fünf Jahrzehnten weltweiter Konzerttätigkeit und mit einer Vielzahl ausgezeichneter Aufnahmen haben Peter Phillips und die Tallis Scholars wie kaum ein anderes Ensemble einen Beitrag dazu geleistet, geistliche Vokalwerke der Renaissance fest im Konzertrepertoire zu etablieren. Einem größeren Publikum bringen sie Kompositionen der Renaissance durch Aufführungen in Kirchen, Kathedralen und Konzertsälen nahe. Dazu zählen u.a. die Royal Albert Hall, die Sixtinische Kapelle, das Lincoln Center und die Carnegie Hall in New York, die Berliner Philharmonie, der Markusdom in Venedig, das Seoul Arts Centre, Shakespeare’s Globe und die Wigmore Hall in London, das Concertgebouw Amsterdam, die Beijing Concert Hall, das Megaron in Athen und das Sydney Opera House. Bis heute entwickeln die Tallis Scholars ihren unverwechselbaren, für seine Klarheit und Geschmeidigkeit gerühmten Klang weiter und widmen sich neuen Interpretationen nicht nur von Werken historischer Komponisten, sondern auch von Zeitgenossen wie Arvo Pärt, John Tavener, Paul Whitacre und Nico Muhly."
(Quelle: boulezsaal.de)
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Andre Sokolowski - 14. Juli 2022 ID 13712
JOSQUIN DES PREZ - ALLE MESSEN (Pierre Boulez Saal, 13.07.2022)
Kanonmessen
Josquin: Missa Ad fugam
- Missa Sine nomine
The Tallis Scholars
Leitung: Peter Phillips
https://www.boulezsaal.de/de/konzerte/Josquin
https://www.thetallisscholars.co.uk/
https://www.andre-sokolowski.de
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