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Kurzportrait

Kiitos, Matti


Salminens Abschied
von der DOB


Der finnische Opernsänger Matti Salminen in einer Aufnahme aus dem Jahre 2009 | Bildquelle: Wikipedia


Mit dem Ende fing es an. Genauer gesagt: Mit dem Hagen in Wagners Götterdämmerung. Das war mein erstes Matti Salminen-Erlebnis. Keiner konnte den Wikingerhelm in der Götz Friedrich-Inszenierung so respekteinflößend tragen wie Salminen. Und alle waren (und sind) sie hingerissen von seinem unverwechselbaren dunkel leuchtenden Balsam-Bass. Doch ist es nicht allein die schöne Stimme, die den Finnen auszeichnet. Wohl jeder von uns kennt diesen Typus Märchenonkel, der es versteht, eine stinknormale Geschichte mit so viel farblicher Fantasie, Gefühl und erzählerischer Kraft vorzutragen, dass man interessiert die Ohren spitzt. Genau dieses Kunststück vollbringt Matti Salminen, wenn er singt. Jeder Ton hat einen Inhalt, jede Rolle eine Tiefe.

Ich verbinde mit Matti Salminen ebenso die Lust am Singen und Humor auf der Bühne. Einmal gab er in einer konzertanten Walküre den Hunding und ging nach seiner letzten Phrase „… hüte dich wohl“ mit einem derart breiten Grinsen in Richtung Tenor ab, dass dieser kaum mehr an sich halten konnte. Im gleichfalls konzertant dargebotenen Siegfried unter Marek Janowski legte er vor drei Jahren als Riesenwurm mit Riesentrichter eine Riesennummer hin: „… laß mich schlaaaaaaaaa - fen!“. Darauf schwört Salminen übrigens auch privat. Er sieht im Schlaf das Geheimnis seiner langen internationalen Sängerkarriere. Zitat: „Wie meine Frau immer sagt: Wenn er bloß ein Kopfkissen sieht, ist er schon weg!“ Und das wiederum zeigt seine immens ausgeschlafene, sympathische Persönlichkeit.

Ich kann mir die Oper ohne Matti Salminen gar nicht vorstellen. Mit 25 gab er sein Debüt als König Philipp II in Verdis Don Carlo. Mit 25! Er hat ihn bis jetzt im Repertoire behalten und zuletzt in Salzburg gesungen - mit 68! Dazwischen liegen unzählige anrührende, nachdenkliche, nachhaltige Abende, die er uns geschenkt hat, als Boris Godunow, als Gurnemanz (in Parsifal) , als Pogner (in den Meistersingern). Mit all diesen Partien hat er an der Deutschen Oper Berlin reüssiert, natürlich auch mit dem Sarastro. Den sang er unter anderem an seinem 62. Geburtstag in der Waldbühne. Als die Zauberflöte aus war, spielte das DOB-Orchester ein Ständchen auf, Kollegen rollten eine Banderole ("Happy Birthday, Matti!") auseinander: So etwas sagt viel über ein Verhältnis aus, welches geprägt ist von gegenseitiger Wertschätzung und Verbundenheit.

*

Nun hat er sich von der Deutschen Oper verabschiedet, mit einer Aufführung von Tristan und Isolde, die in die Annalen des Hauses eingehen dürfte. Gut, die wichtigtuerische, aber leider ziemlich unausgegorene Inszenierung von Graham Vick dürfte daran keinen Anteil haben, sehr wohl aber die lieben Sängerkollegen. Nina Stemme hat sich mittlerweile die Isolde restlos einverleibt und triumphiert auf ganzer Linie; Stephen Gould als Tristan brilliert mit seinem nimmermüden, strahlenden, bestens artikulierenden, Schmelz und Glanz verströmenden Tenor - kurzum: Besser kann man dieses Liebespaar derzeit nicht besetzen. Maestro Donald Runnicles schwingt erwartungsgemäß den dicken Pinsel, aber heute passt es: Ein breiter, klangpraller, energisch im Graben hochkochender Wagner, regelrecht rattenfängerisch, dem wir uns nur zu gern hingeben. Es ist Runnicles beste Leistung seit Langem. Matti Salminen ergreift das Geschenk der Sternstunde und singt seinen letzten König Marke ausdrucksstark und zutiefst bewegend. Dietmar Schwarz kommt mit einem Blumenstrauß vorbei, man nimmt sich in die Arme, was folgt sind etliche Vorhänge, nicht enden wollender Beifall.

Im Schiller-Theater wird Salminen noch einmal im Juni als Fasolt (im Rheingold) und im Oktober als Rocco (in Fidelio) zu erleben sein. Dazwischen sagt er im Juli als Daland den Münchnern Adé. Als offiziell letzter Termin steht am 12. November ein Abschiedskonzert in Zürich im Kalender. Bleibt zu hoffen, dass eines Morgens ein ausgeruhter, auftrittshungriger Matti Salminen gerade am Frühstückstisch sitzt, als das Telefon klingelt: "Hallo, hier ist die Deutsche Oper Berlin. Unser Marke ist krank und wir wollten Sie fragen…"


Übrigens: "Kiitos" [s. Überschrft] ist das finnische "Danke".
Heiko Schon - 22. Juni 2016
ID 9396


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