Woran
glauben?
ADAMS ÄPFEL nach dem gleichnamigen Film von Anders Thomas Jensen
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Adams Äpfel am Schauspiel Köln - Foto (C) Tommy Hetzel
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Bewertung:
Vor zwölf Jahren lief (auch in den deutschen Kinos) Adams Äpfel - eine Filmgroteske des dänischen Autors, Regisseurs und Schauspielers Anders Thomas Jensen, und sie spielte in den Sphären unterer Milieus: Dorfpfarrer Ivan kümmert sich um Strafentlassene im Status "auf Bewährung", die zum Zwecke einer Resozialisierung sozusagen eingemeindet werden. Er verkörpert gleichsam die moralische und also nacherziehende Instanz.
"Der Misanthrop [und Neonazi] Adam fühlt sich durch den grenzenlosen Optimismus und die extreme Vergebungsbereitschaft Ivans herausgefordert und setzt alles daran, den Glauben des Priesters zu brechen. Durch Nachforschungen findet er heraus, dass Ivans Leben selbst hochproblematisch ist. Er wurde als Kind vergewaltigt, hat einen behinderten Sohn, seine Frau brachte sich um und er selbst leidet an einem Gehirntumor. Ivan leugnet diese Schicksalsschläge, die er jeweils als Versuchungen des Teufels ansieht, denen er mit Gottes Hilfe standhalten muss." (Quelle: Wikipedia)
Das [s.o.] ist dann auch der eigentliche Humus, den das gleichnamige Stück - in einer Bühnenfassung K. D. Schmidts - beackert und das gestern Abend in der Inszenierung von Therese Willstedt im Depot vom Schauspiel Köln Premiere hatte.
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Angesichts der auch in Deutschland und Europa (nicht viel anders als wie derzeit in den USA) latent sich "resozialisierend" breit machenden Rechts-Gelastetheit in der Gesellschaft kommt bzw. käme einem derart faszinierenden Konstrukt wie dem jener erstaunlichen Begegnung zwischen einem straffällig geword'nen Neonazi und einem privatproblembehafteten Dorfgeistlichen gesteigerte Bedeutung zu. Dass letzten Endes resp. schon von Anfang an nicht aufgeklärt wurde, mit was für einer ganz konkreten Neonazi-Vorgeschichte der zu Resozialisierende dann auf den Plan getreten war, gereicht dem Stück zum informellen Nachteil und lässt es behaupterisch verkümmern; das will sagen, irgend etwas fehlt zwischen den beiden Polen Adam/Ivan, und man könnte dieses Manko wohl auch so verkürzen: Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß...
Nichts desto Trotz gewinnt die schauspielernde Darstellung durch Robert Dölle (Adam) und Jörg Ratjen (Ivan) an gewissem Zwischenmenschlichkeitentum. Und als neutrale oder Negativgestalten hinterlassen Martin Reinke (Sudel-Arzt) und Simon Kirsch (Krawatten-Nazi) starke Eindrücke. Auch die vier anderen Sozial-"Schäfchen"-Darsteller fallen diesbezüglich auf: Horst Sommerfeld (als ehemaliger KZ-Kapo Poul), Mohamed Achour (als Räuber Khalid), Annika Schilling (als schwangere Alkoholikerin Sarah) und Nikolaus Benda (als Vergewaltiger Gunnar) - insonders die zwei Letztgenannten trugen dann mit ihrer akrobatisch zugespitzten Körper-Performance zum (mehr physisch-mimischen) Erfolg von Adams Äpfel bei.
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Adams Äpfel am Schauspiel Köln - Foto (C) Tommy Hetzel
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Im Übrigen: Stücke nach Filmen oder Büchern dienen den Theatern schon seit Jahren und Jahrzehnten als poröses Feigenblatt, um ihren Unwillen oder ihre Unfähigkeit sich mit so vielen (ungespielten) Original-Stücktexten heutiger und/oder früherer Autoren zu beschäftigen dahinter zu verstecken. Ein besorgniserregendes Phänomen, was sich de facto GEGEN die Autoren von so vielen (ungespielten) Original-Stücktexten richtet. Nur mal so am Rand bemerkt.
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Andre Sokolowski - 19. November 2016 ID 9693
ADAMS ÄPFEL (Depot 1, 18.11.2016)
nach dem gleichnamigen Film von Anders Thomas Jensen
Regie: Therese Willstedt
Bühne: Nehle Balkhausen
Kostüme: Arianna Fantin
Musik: Emil A. Høyer
Licht: Mårten K. Axelsson
Dramaturgie: Julian Pörksen
Besetzung:
Ivan, Pfarrer ... Jörg Ratjen
Adam, Neonazi ... Robert Dölle
Gunnar, Alkoholiker ... Nikolaus Benda
Khalid, Räuber ... Mohamed Achour
Sarah, schwangere Alkoholikerin ... Annika Schilling
Kolberg, Arzt ... Martin Reinke
Esben, Neonazi ... Simon Kirsch
Poul, Ex-Kapo, sehr alt ... Horst Sommerfeld
Premiere am Schauspiel Köln: 18. November 2016
Weitere Termine: 20., 23., 30. 11. / 3., 20., 25., 30. 12. 2016
Weitere Infos siehe auch: http://www.schauspiel.koeln
http://www.andre-sokolowski.de
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