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Konzertkritik

Sternstunden der Sangeskunst



Das Orchester Musica Fiata und das Vokalensemble La Capella Ducale bei der Romanischen Nacht in der Kirche St. Maria im Kapitol | Foto © Ansgar Skoda

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Unter dem Motto „Singet!“ widmete sich das Festival Romanischer Sommer Köln im dreißigsten Jahr seines Bestehens den unterschiedlichen Arten des Singens. Mit dem Aufruf „Jauchzet frohlocket“ wurde vom 3. bis 8. Juni in den Romanischen Kirchen Kölns die Vielstimmigkeit und Vielfalt der Arten des Singens in unterschiedlichen Genres, Epochen und Weltgegenden gefeiert. Das Festival fand - wie in all den Vorjahren auch - seinen Höhepunkt mit der ROMANISCHEN NACHT in der Kirche St. Maria im Kapitol. Von 20 Uhr bis weit nach Mitternacht erfüllten prächtig zirkulierende Klänge, nuancenreich pulsierende Melodien und virtuose Stimmpaarungen Kölns größte romanische Basilika.

Eröffnet wurde die lange Romanische Nacht der Stimmen vielversprechend von der internationalen Band Eurasians 5 mit effektvoll mosaikartig zusammengesetzten Elementen aus Folk und europäisch-amerikanischen Jazz. Sängerin Feruza Ochilova aus Usbekistan, Negar Booban aus dem Iran am Saiteninstrument Oud, Veronika Todorova aus Bulgarien am Akkordeon sowie der deutsche Bassist Alex Morsey und die deutsche Saxophonistin Caroline Thon performten eigene Arrangements und Kompositionen mit fremdländisch anmutenden Harmonien und fließenden Rhythmen, die teilweise dem arabischen Musiktradition des 9. Jahrhunderts entlehnt waren. Die expressiven Schattierungen im Gesang Ochilovas traten oft in ein spannungsvolles Wechselspiel mit wirkungsvoll einsetzenden Obertongesang Morseys.

Als zweiter Programmpunkt spielte das Orchester Musica Fiata und das Vokalensemble La Capella Ducale unter dem Motto „Behold the blessed light – Fürstenhochzeit 1568“ eine kleine Auswahl aus Stücken, die anlässlich der Fürstenhochzeit des bayerischen Erzherzogs Wilhelm V. mit Renata von Lothringen im Februar 1568 komponiert wurden. Stilsicher, mit technischer Finesse und in kaleidoskopesk wechselhaften Klangfarben wird ein faszinierendes Repertoire der Alten Musik interpretiert. Als Urheber vieler der aufwendigen und mehrchörig besetzten Messen und Tafelmusiken gelten der damalige Münchner Hofkapellmeister Orlando di Lasso respektive der Hoforganist Annibale Padovano. Das Ensemble bringt jedoch auch selten gespielte Kompositionen des Venezianers Andrea Gabrieli, des franko-flämischen Komponisten Cipriano de Rore und des Italieners Alessandro Striggios zur Aufführung, die anlässlich der achtzehntägigen Fürstenhochzeit entstanden. Einige der damals eingesetzten Instrumente wie das spanische Holzblasinstrument Dolzaina wurden extra für die Romanische Nacht der Stimmen rekonstruiert. Bei einer 24 stimmigen Messe treten neben reine Vokalbesetzungen Chöre mit Sängern und Blasinstrumenten.

Ein weiteres Highlight des Abends ist die Performance von La Voie de la Beauté (dt.: der Weg der Schönheit) durch das Kammerensemble Variances unter der Leitung des französischen Komponisten Thierry Pécou. Auf mittelalterliche Gesänge und Klagelieder folgt Pécous Komposition Femme changeante, cantate des quatre montagnes von 2015, die von Heilungsritualen, mythologischen Erzählungen und Gesängen der nordamerikanischen Ureinwohner, der Navajo-Indianer inspiriert ist. Der 53jährige Komponist verarbeitet in seinem Werk rituelle Dimensionen der Musik, die er durch Begegnungen mit afro-amerikanischen Stammeskulturen und indianischen schamanischen Ritualen kennenlernte. Trommelrhythmen formen einen lauter werdenden Pulsschlag. Englische Liedtexte treten neben französische Zitate. Einige der Ensemblemitglieder bewegen sich während ihrer Performance dynamisch expressiver Klänge durch den Kirchenraum. Mezzosopranistin Katarina Livljanić und Altistin Noa Frenkel erproben erstaunlich modulationsfähig taumelfreudige Schattierungen des gesanglichen Ausdrucks, werden mal sanft und sonor, dann hell, gepresst und schrill und singen schließlich laut, gedehnt und scharf. Variationen der Klangräume, –folgen und –farben werden spannungsvoll erprobt und im Resonanzraum der Kirche hallen sie als rhythmische Mosaike eindrücklich wieder.

Vokale Renaissancepolyphonie des Münchner Quartetts Stimmwerck beschließt den Romanischen Sommer dieses Kalenderjahres in Köln weit nach Mitternacht höchst eindrücklich und meditativ. Countertenor Franz Vitzthum, Bass-Bariton Marcus Schmidl und die Tenöre Klaus Wenk und Gerhard Hölzle widmen sich exzellent aufeinander abgestimmt Musik an Maria in Kapitol um 1600, von Christóbal de Morales über Jean Mouton bis hin zu Andreas Pevernage und Orlando di Lasso. Bei den vorgetragenen Werken handelt es sich um ‚hauseigene‘ Vokalmusik aus dem 1615 erstellten Inventar der Salvatorenkapelle in Maria im Kapitol. Die marianischen Messvertonungen, Grundgebete, Gottesmutteranrufungen, Ordinariumssätze und Motetten beeindrucken als Geflecht der Polyphonie, welche die Sängerkapelle zu später Stunde nach sämtlichen Registern geistlicher Sangeskunst vorträgt.

Die ROMANISCHE NACHT in Kölns größter frühromanischer Kirche bereicherte auch in diesem Jahr wieder mit vielen Glanzlichtern, eindrucksvollem künstlerischen Facettenreichtum und einer enormen rhythmisch-klanglichen Vielfalt.



Das Ensemble Stimmwerck trug Gesänge an Maria in Kapitol um 1600 in der Romanischen Nacht in der Kirche St. Maria im Kapitol vor | Foto © Ansgar Skoda

Ansgar Skoda - 10. Juni 2018
ID 10748
Weitere Infos siehe auch: http://www.romanischer-sommer.de/


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