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Rued Langgaard (1893-1952), der Komponist des Antikrist | (C) Det Kongelige Bibliotek

Bewertung:    



Die DEUTSCHE OPER BERLIN war, ist und bleibt das maßstabsetzende Fronthaus für Ausgrabungen großer oder größerer Musiktheater-Brocken aus der Anfangszeit des 20. Jahrhunderts, und so tat sie - um nur eine Handvoll Beispiele kurz anzuführen - solche Raritäten wie Franchettis Germania, Respighis Marie Victoire, von Waltershausens Oberst Chabert, von Zemlinskys Der Zwerg oder (jüngst) Zandonais Francesca da Rimini verwirklichen.

Ganz aktuell stand/ steht der Antikrist von Rued Langgaard (1893-1952) auf dem Zettel und erlebte gestern Abend - und nachdem die Produktion seit zwei Jahren schon fertig war (aber wegen Corona halt bislang "gesperrt" wurde) - seine umjubelte Premiere.

Ja und hatten Sie von diesen beiden - Antikrist & Langgaard - je zuvor etwas gehört gehabt? nein?? Nun, dann geht es Ihnen so wie mir.

Also:


"In eine gottlose Welt tritt der Antichrist. Angerufen von Luzifer selbst offenbart er sich in vielerlei Gestalt: Durch Hoffart, Missmut, Begierde, Lüge und Hass wird die Menschheit im 'Streit aller gegen alle' geprüft und versucht. Doch am Schluss setzt die Stimme Gottes dem Antichrist ein Ende: 'Hephata!' / 'Öffne dich!' – die Welt scheint gereinigt.

Rued Langgaards Anfang der 1920er Jahre komponierte und bis 1930 grundlegend überarbeitete 'Kirchenoper' ist ein Monolith im Schaffen des Komponisten, das an aufregenden und ungewöhnlichen Werken nicht arm ist. Ausgehend von der Offenbarung des Johannes entwirft er ein endzeitlich geprägtes Mysterienspiel, das den Zeitgeist des Fin de Siècle nicht verhehlen kann. Dementsprechend geschichtspessimistisch lässt sich sein hochsymbolistischer, voller Assoziationen steckender Text lesen. Doch die schillernde Musik – vom spätromantischen, großen Orchesterklang geprägt, der aber auch immer wieder in sich zusammenfällt und aus dem karg und nüchtern Details herausgearbeitet werden – bringt Hoffnung in die dunkle Welt. Der künstlerische Einzelgänger Langgaard hat hier zu einem Personalstil gefunden, der zwar an Strauss und Wagner erinnert, aber auch seine Zeitgenossen Hindemith und Schönberg nicht verleugnet."


(Quelle: deutscheoperberlin.de)




Rued Langgaards Antikrist an der Deutschen Oper Berlin | Foto (C) Thomas Aurin


*

Und hören scheint im Fall des Antikrist empfehlenswerter noch als ihn zu lesen - und obgleich ich als enthusiasmierter Ersthörer des knapp 90 Minuten währenden Mysterienspiels außer unzählig vielen Nachempfindungen von hinlänglich Bekanntem (Wagners Waldweben, Fafners Erwachen, Brünnhilds Schlussgesang, Vorspiel zu Parsifal oder Straussens Elektra-Rauschen, sogar bisschen Rosenkavalier, zudem Hänsel und Gretels Abendsegen, Gurrelieder, Mathis der Maler usf.) nichts weiterhin "erfahren" habe, was mir, trotz des eindrucksvollen Sinfonie der Tausend-Endzitats am Schluss, den Komponisten unverwechselbar also authentisch hätte nahebringen können.

Ganz zu schweigen von dem unsäglichen Metaphorienbrei, der auf der Übertitelungsanlage mitlief; nicht zum Aushalten!

Zurecht hätte - nach einer Interviewaussage - Ersan Mondtag, der gewiefte Regisseur und Ausstatter des hochbemerkenswerten DOB-Spektakels, Langgaards Schwachsinnstext links liegen lassen und vornehmlich assoziationsgesteuert lustig und drauf los seine Spontanideen ausgespritzt; hierzu ließ er sich - zusätzlich zur hochgenialen Sängerinnen- und Sängerschar (einschließlich des beim Sinfonie der Tausend-Kurzfinale hochsensationell klingenden Chors der Deutschen Oper Berlin!) - ein Dutzend Tänzerinnen und Tänzer [alle Namen s.u.] engagieren, die die schönen Intermezzi unsers Komponisten Rued vertanzen mussten (Choreografie: Rob Fordeyn); ja und anfangs trugen sie Kostüme, wie sie auch ein Oskar Schlemmer seiner Zeit entworfen haben könnte. Sowieso: der hochbegabte Multikünstler Mondtag hat ein irrsinnsgut beim Zuschauenden funktionierendes Talent, Inhalt durch Formen resp. Inhalte durch Form vorzüglich platt machen zu können; muss man erst mal können, DAS nenne ich echtes Handwerk.




Rued Langgaards Antikrist an der Deutschen Oper Berlin | Foto (C) Thomas Aurin


*

Das musikalische Resultat dieser Opernentdeckung: vom Feinsten.

Stefan Zilias hatte einstudiert und dirigiert, und das Orchester der Deutschen Oper Berlin musizierte in gewohnter Hochform. [Ich bedauere zutiefst, dass ich Langaards Tondichtung Sfærernes, die das Orchester beim MUSIKFEST BERLIN 2016 aufführte, verpasste; hätte womöglich als Vergleich zum Antikrist ganz gut gepasst.]

Das sängerische Personal: ebenso vom Feinsten.

Und die Frauen-Mannschaft fiel besonders auf, Valeriia Savinskaia (als Rätselstimmen-Echo), Irene Roberts (als Rätselstimme), Gina Perregrino (als Missmut) sowie Flurina Stucki (als Hure).

Jonas Grundner-Cullemann war Gottes Stimme und musste relativ lang im Adamskostüm agieren, auch nicht übel (für die Augen).

Alles in allem:

Viktor Ullmanns Der Sturz des Antichrist - nur zum Vergleich - hat ein-eindeutig diskussionswertere Qualität, obgleich auch sein Libretto reichhaltig an Schwachsinn ist, aber zumindest gab und gibt es in ihm eine nachvollziehbare Geschichte und fantastische Musik.




Rued Langgaards Antikrist an der Deutschen Oper Berlin | Foto (C) Thomas Aurin


Andre Sokolowski - 31. Januar 2022
ID 13432
ANTIKRIST (Deutsche Oper Berlin, 30.01.2022)
Musikalische Leitung: Stephan Zilias
Inszenierung, Bühne und Kostüme: Ersan Mondtag
Kostüme: Annika Lu Hermann
Licht: Rainer Casper
Choreinstudierung: Jeremy Bines
Choreografie: Rob Fordeyn
Dramaturgie: Carolin Müller-Dohle
Besetzung:
Luzifer / Eine Stimme ... Thomas Lehman
Gottes Stimme ... Jonas Grundner-Culemann
Das Echo der Rätselstimmung ... Valeriia Savinskaia
Die Rätselstimmung ... Irene Roberts
Der Mund, der große Worte spricht ... Thomas Blondelle (Gesang) und Miguel Collado Sanchez (Szene)
Der Missmut ... Gina Perregrino
Die große Hure ... Flurina Stucki
Das Tier in Scharlach ... AJ Glueckert
Die Lüge ... Andrew Dickinson
Der Hass ... Jordan Shanahan
Tänzer*innen: Ashley Wright, Joel Donald Small, Derrick Amanatidis, Giorgia Bovo, Vasna Felicia Aguilar, Yuri Shimaoka, Juan Corres Benito, György Jellinek, Shih-Ping Lin, Ulysse Zangs, Sakura Inoue und Ana Dordevic
Chor und Orchester der Deutschen Oper Berlin
Premiere war am 30. Januar 2022.
Weitere Termine: 05., 09., 11.02.2022


Weitere Infos siehe auch: https://www.deutscheoperberlin.de/


https://www.andre-sokolowski.de

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