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               | | SIEGFRIED
Inszenierung: Frank Castorf
 |   Hausinternes Kalaschnikow-Motiv für Frank Castorfs Siegfried bei den Bayreuther Festspielen | Bildquelle (C) bayreuther-festspiele.de
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 | Bewertung:   
 
 
 Morgen (13. 8.) gibt es auf dem Grünen Hügel Siegfried aus dem aktuellen Castorf-Ring! Wir hatten ihn bereits vor knapp zwei Wochen bei der Wiederaufnahme-Premiere live erlebt - am Tage, als die Bundeskanzlerin mit Gatte privatim zu Gast im Festspielhaus gewesen war; als sie mit ihrer Limousine angerollt kam, rannten plötzlich Hunderte der anwesenden Fan-Gemeinde, ihre Smartphones oder Kameras hoch haltend, hinter dem Vehikel her und hofften so, ein bisschen Abwechslungsgeschehen zu dem zeit- und schweißtreibenden Konsumieren der bevorstehenden 5stündigen Wagneroper zu erhaschen; doch die wenigsten gelangten in den optischen Genuss, die Bundeskanzlerin auch nur mit einem blauen Blazerzipfelchen von hinten irgendwie erwischt zu haben - und wer weiß, wie sie dann schleichpfadmäßig in den Saal gelangen konnte - - Gottes Wege sind halt unergründlich.
 
 
 
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 |   Waldvöglein und Siegfried in der gleichnamigen Wagner-Oper, welche teilweise auch auf dem Alex spielt | Foto (C) Bayreuther Festspiele 2014/Enrico Nawrath
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 Patric [Patric Seibert, Castorfs Assistent UND Dramaturg UND Schauspieler] wird erst als Quasibär von Siegfried (Höhen pfeifend und mit imposanter Durchhalte: Lance Ryan) und sogleich als angeseilter Büchernarr von Mime (Burkhard Ulrich in/mit seiner absoluten Glanzrolle) aufs Aggressivste malträtiert; er muss von Hämatomen übersät gewesen sein.
 
 Zig Bücher liegen um den silbergrauen Wohnwagen (einem von Star-Ausstatter Aleksandar Denić leitmotivisch durch den ganzen Ring bemühten Bühnen-Element) herum - als Brennfutter für das bevorstehende Anheizen des Schmiedefeuers - so z.B. auch die "damals" bibliofil wie redaktionell vorzüglich ausgearbeitete sog. MEGA [= Marx-Engels-Gesamtausgabe] des Ex-Dietz Verlages für politische und weltanschauliche Literatur in der ehemaligen DDR... Mime, der Siegfried überlisten und dann später töten will, gibt Patric von dem sebstgebrauten (Todes-)Fraß zu kosten, aber Patric - clever wie er ist - kotzt ihn gleich wieder aus...
 
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 Die anwesende Bundeskanzlerin wird ganz gewiss [wie ich; a.so.] einen  für uns Ex-Zonis hochemotionalen, nachvollziehbaren Bezug zur Weltzeituhr nahe des U-Bahn-Abstiegs "Alexanderplatz" und freilich auch zum aluminiumverglasten Centrum-Warenhaus und der Minol-Tankstelle stark verinnerlicht bekommen haben; wer natürlich nicht aus dieser Zeit und diesem Landstrich stammt, hat es da etwas schwerer, dem hinzugedichteten Geschehen nicht nur intellektuell zu folgen. Und so hätte man in zugespitzter Weise schließen können, dass das fulminante Buhgewitter, das die alte Wagner-Westgemeinde nach dem Siegfried-Ende losließ, auch wohl eine Art von Abrechnung mit den Scheiß-Ossis (und womöglich auch unserer Ossi-Bundeskanzlerin) gewesen hätte sein können.
 
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 Fafner (mit prächtigem Gegrolle: Sorin Coliban) haust in der Postfiliale unterm Bahnhof "Alexanderplatz"; gerade hatte er so leichten Miezen irgend solchen Konsum-Müll aus Plaste ausgeteilt, und danach wedeln sie urplötzlich so mit Westgeld rum (?)... Waldvöglein (als ein zwitschernder Minol-Pirol mit einer brasilianisch-ausladenden Sambaschulenflügelkonstruktion [von der Kostümdesignerin Adriana Braga Peretzki kreiert!]: Mirella Hagen) nimmt sich selbst beim Wort, hat also Lust auf Siegfried; und so wird desöfteren - sogar im 3. Akt vor Brünnhilde (geduldhaft-großartig im Ganzen: Catherine Foster) - so drauf los gevögelt...
 
 
 
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 |   Erda und Wotan halten eine Aussprache im Biergarten, es wird da viel getrunken, und auch die Gemüter der Brünnhilde-Eltern triefen irgendwie dann hoch erregt - in Castorfs putzig-schönem Siegfried | Foto (C) Bayreuther Festspiele 2014/Enrico Nawrath
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 Auch in Erda (hochsensationell: Nadine Weissmann) ist der sexuelle Impetus noch lange nicht versiegt! Sie hat noch immer dieses starke Faibel für den mittlerweile völlig runtergekommenen und alkoholabhängigen Wotan (sich selbst überbietend: Wolfgang Koch); ja und in aufgeheiztester Erwartung auf das anstehende Date am Alex tut sie mehrere Perücken und Klamotten ausprobieren - diese exterritorialen Vorbereitungen filmen Andreas Deinert & Jens Crull in Nahaufnahmen live für uns... Man trinkt und isst (frisst!) - Wotan lässt sich eine Riesenschüssel mit Spaghetti bringen, wo er etwas später seine Zigarette ausdrückt. Patric, der jetzt Kellner spielt, bringt eine Flasche nach der anderen; der Fusel muss entsetzlich schmecken; und der Streit von Brünnhilds Eltern eskaliert: Erda kippt Wotan Rotwein ins Gesicht... Dann stülpt sie sich, wieder exterritorial und live gefilmt, noch eine blonde Flittchen-Perücke über, kommt so noch einmal zum Alex runter und tut ihrem Ex-Befruchter einen blasen - während dieser Notdurft soll die Rechnung rasch beglichen werden, Patric kann sonst ziemlich ungemütlich werden... Hier ist ja was los!!
 
 Brünnhilde muss erwachen unter einer Plastikplane... "Distanziertes" Liebes-Duett am Platz des vorherigen Erda-Wotan-Streitgesprächs... Die wohl noch etwas Schlaftrunkene kommt mit einem weißen Brautkleid... Krokodilspielzeug (aus Plaste) "kriecht" vorbei und will auch in die Post-Filiale... Das gestutzte Waldvöglein opfert sich gut gelaunt als Krokodilsfraß, wird dann später allerdings von Siegfried aus dem Schlund des Ungetüms wieder herausgezogen und aufs Herzhafteste abgeknutscht... Die eigentliche Braut bleibt erst mal abseits...
 
 Nein, das war fürs Gros des Publikums zu viel! Hass brach aus ihm lautstark heraus...
 
 Und Jubel für das musizierende und sängerische Personal (unter der Stabführung Kirill Petrenkos)!!!
 
 
 
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 Andre Sokolowski - 12. August 2014|   Liebesszene zwischen Brünnhilde und Siegfried in Frank Castorfs drittem Ring-Teil | Foto (C) Bayreuther Festspiele/Enrico Nawrath
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 ID 8015
   SIEGFRIED (Bayreuther Festspiele, 30.07.2014)
 Musikalische Leitung: Kirill Petrenko
 Regie: Frank Castorf
 Bühnenbild: Aleksandar Denić
 Kostüme: Adriana Braga Peretzki
 Licht: Rainer Casper
 Video: Andreas Deinert und Jens Crull
 Besetzung:
 Siegfried ... Lance Ryan
 Mime ... Burkhard Ulrich
 Der Wanderer ... Wolfgang Koch
 Alberich	... Oleg Bryjak
 Fafner ... Sorin Coliban
 Erda ... Nadine Weissmann
 Brünnhilde ... Catherine Foster
 Waldvogel ... Mirella Hagen
 Festspielorchester
 Premiere war am 29. Juli 2013
 Wiederaufnahme: 30. 7. 2014
 Weitere Termine: 13. / 25. 8. 2014
 Weitere Infos siehe auch: http://www.bayreuther-festspiele.de
 
 
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 Das Rheingold (27.07.2014)
 
 Die Walküre (28.07.2014)
 
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 Post an Andre Sokolowski
 
 http://www.andre-sokolowski.de
 
 
 
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