MAKING LIFE IN THE RUINS | 15.-31.05.2025 (in den Sophiensaelen Berlin)
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Enad Marouf mit And Now It Is Night
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Bewertung:
Installiert sind ein die Altstadt von Damaskus andeutendes Mauerfragment mit ein paar rechtsseitig angebauten Treppenstufen sowie ein auf der linken Bühnenhälfte (im Festsaal der Sophiensaele) aufgestellter großer breiter Spiegel, der die meist angestrahlte Vorderfront besagter Mauer seitenverkehrt widergibt, während die schwarze also dunkel gehaltene Rückfront zum Publikum weist. Der syrisch-deutsche Performancekünstler Enad Marouf hat sich das ausgedacht, und seine Licht-Designerin Jacqueline Sobiszewski findet unterschiedlich schwach oder stark von hie und da ausstrahlende Helligkeiten und Farben, die die emotionalen Stimmungen, in denen sich die vier jungen und schönen Protagonisten - Arad Inbar, Jao Moon, Adam Russell-Jones, Samuel Pereira - jeweils befinden, sprichwörtlich beleuchten.
Die Musik- und Toneinsprengsel von Bell Towers verweisen adäquat auf die entsprechenden Befindlichkeiten der vier Hauptakteure, deren jeweils zwei zum einen rotgetönte Hemden und zum andern schwarze Overals tragen; die Materialien, die der Kostümbildner Grzegorz Matlag hierfür verschneidern ließ, sind transparent und fließend.
Es sieht also ziemlich schön und sehr geheimnisvoll aus, was da im Marouf-Tanzstück And Now It is Night (= "Und jetzt ist es Nacht") so alles geschieht - zunächst fängt es im Dunkeln an, und es scheint also nachts (wie es der Stücktitel bereits verrät) zu sein, und unsre vier als schwule Männer Dargestellten sind in einem eindeutigen Crusing-Modus, d.h. sie lauern sich gegenseitig auf in der wahrscheinlich nicht nur sexuellen Hoffnung sprich Erwartungshaltung, dass da wer ihre individuellen Avancen wahrnimmt und sich ihrer, und das nicht nur sexuell, erbarmt; ja und sofort fällt mir der schöne Song der Israelin Daliah Lavi ein, die da einstmals singend fragte: "Willst du mit mir geh'n"...
Und mehr und viel, viel anderes erfolgt in der performten Stunde nicht - und nicht etwa, dass ich da irgendwas vermisst haben wollen würde, nein, im Gegenteil: Ich konnte all das, was in diesem Zu- und Mit- und Auseinanderspiel der vier Akteure innerlich wie äußerlich sich abspielte bzw. abgespielt haben musste, nachvollziehen; Crusing's in der Dunkelheit haben was ganz besonders Aufwühlendes, Aufreizendes. Dieses Vorher-nicht-wissen-Können, was mit einem und dem jeweils anderen, von dem man(n) hoffentlich dann angecrust sein würde, körperlich (oder halt doch "nur geistig") passierte, hat schon was Elektrisierendes und Süchtigmachendes; ein adrenalisiertes Schwulen-Phänomen der absoluten Extraklasse.
Dass sich das dann auch in außerwestlichen Gefilden so oder so ähnlich abspielen könnte "wie bei uns hier" - darauf wollte der Marouf aktuell besonderen Wert gelegt haben, was sich auch rein lyrisch mittels der eingespielten Stimme von Majdolen Shalghin, welche bedeutungsschwere Menschheitsweisheiten und Metaphern von sich sonderte, manifestieren tat. Gottlob gab's zwischendurch auch eine im grellen Rotlicht absolvierte Showtanz-Einlage der Vier; das assoziierte eine gewisse Berghain-Atmosphäre und löste die Gemüter und die Glieder aufs Erleichternste.
All das geschieht und geschah also im großen Dunkeln nicht allein nur deshalb, weil die Nacht für sowas wie geschaffen zu sein scheint, sondern erstrangig aus der Vorsicht, aus der Angst heraus im Hellen entdeckt und später gar verraten oder denunziert zu werden; in der arabischen Kultur gab und gibt es nach wie vor die größtmögliche Ablehnung gegen Homosexuelle, ihre Verfolgung und Bestrafung (z.B. im Iran, in Saudi-Arabien) kann und soll sie töten. Wie das aktuell in Syrien aussieht oder in der nächsten Zeit aussehen würde: niemand weiß - der gesellschaftliche Umbruch dort hat erst begonnen; Ausgang: ungewiss.
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Enad Marouf mit And Now It Is Night | Foto (C) Spyros Rennt
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Andre Sokolowski - 21. Mai 2025 ID 15274
And Now It Is Night | Sophiensaele Berlin, 20.05.2025
von Enad Marouf
Konzept, Choreografie, Text und Installation: Enad Marouf
Performance: Arad Inbar, Jao Moon, Adam Russell-Jones und Samuel Pereira
Bauaufsicht, Herstellung: Jascha Kretschmann
Licht: Jacqueline Sobiszewski
Musik: Bell Towers
Kostüme: Grzegorz Matlag
Stimme: Majdolen Shalghin
Produktionsleitung: Florian Greß
Gastspiel beim Festival MAKING LIFE IN THE RUINS
Weitere Infos siehe auch: https://sophiensaele.com
https://www.andre-sokolowski.de
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