John Malkovich im Admiralspalast
IN DER EINSAMKEIT DER BAUMWOLLFELDER von Bernard-Marie Koltès
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Bewertung:
"Die europäischen Metropolen Berlin, Düsseldorf und Prag werden im Juni 2025 Schauplätze eines herausragenden Theaterereignisses: Bernard-Marie Koltès’ Stück In der Einsamkeit der Baumwollfelder wird mit den international renommierten Schauspielern John Malkovich und Ingeborga Dapkūnaitė in den Hauptrollen aufgeführt. Unter der Regie des gefeierten Regisseurs Timofey Kulyabin verspricht diese Inszenierung ein intensives und visuell beeindruckendes Theatererlebnis." (Presse-TK Mediaberatung)
Mit "herausragend", "international renommiert", "gefeiert", "intensiv und visuell beeindruckend" [s.o.] wurde diese kleine Kammertheatertour mit dem nebulösen Koltés-Stück vom hierfür zuständigen Management vollmundig angekündigt. Und das liest sich im nicht minder weltberühmten Mutterland des weltberüchtigten Regietheaters (sagen wir es so:) etwas verüberlorbeert. Ja und wenn dieses Theaterchengastspiel nicht wenigstens mit dem wohl in der Tat "international renommierten Schauspieler" Malkovich angezeigt gewesen wäre - den hatte ich zuletzt vor zwei Jahren in dem deutschen Biopic zu Seneca gesehen - , wäre ich wahrscheinlich gar nicht erst dorthin gegangen; Dapkūnaitė, Kulyabin waren bis da (zu meiner Scham will ich das eingestehen) nicht oder noch nicht auf meinem Schirm.
Also:
Der vor über drei Jahrzehnten erst 41-jährig an AIDS verstorbene Bernard-Marie Koltès galt zu seiner Zeit und dann erst recht nach seinem allzu frühen Tod als einer der am meisten gespielten französischen Autoren, er war sozusagen Kult, und auch im deutschsprachigen Raum wurden seine Stücke rauf und runter gespielt. Das hat sich mittlerweile etwas beruhigt, und so gesehen war ich (der ich ebenso ab den 1990ern das eine oder andere von seinen Stücken hie und da live sah) schon ziemlich neugierig, ob er mich heutzutage immer noch so emotional erreichen würde wie rund um die Nullerjahre; er behandelte halt meistens solche Themen oder Zwischenmenschlichkeiten, die von jugendlichen Menschen seines damaligen Alters (schwulen Männern insbesondere) durchaus geteilt wurden, so eine merkwürdige Art von Herz-und-Schmerztheater, aber ohne großen Kitschanteil.
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Bernard-Marie Koltès (1948-1989) | Bildquelle: bernardmariekoltes.com
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"Das 1985 uraufgeführte Stück zeigt eine rätselhafte nächtliche Begegnung zwischen einem 'Händler' und einem 'Kunden'. In einem sprachgewaltigen Dialog tasten sie sich gegenseitig ab, ohne das Objekt ihres Handels jemals zu benennen. Es entspinnt sich ein gefährliches Spiel über Wunsch und Erfüllung, Gefühl und Wissen, Macht und Sexualität." (Quelle: dto.)
Regiehandwerklich sah das ganz gut aus.
Die Bühne ist horizontal gezweiteilt: oben eine Leinwand, auf der zu Beginn und zum Schluss der sog. Kunde zu sehen ist (nicht etwa in Gestalt von Malkovich, sondern in der eines deutlich jüngeren Schauspielers, welcher sich anfangs nackt in eine Duschzelle begibt, um hier anderthalb Stunden später tot aufgefunden worden zu sein; er hatte sich mit einem Rasiermesser die Kehle aufgeschlitzt) - die Zeit dazwischen dient sie für live mitgefilmte Groß- und Nahaufnahmen der zwei Protagonisten, welche unterhalb der Leinwand vor fünf oder sechs nach und nach ausgeleuchteten Kammern - ich musste sofort an die "verbotenen" Kammern von Herzog Blaubarts Burg denken - agieren. Das umständliche kaufmannsphilosophische und metaphorisch sich gefallende Hin-und-her-Gequatsche gerät dabei außerhalb des "Blickwinkels", weil die gegenseitigen Handgreiflich- also Körperlichkeiten zwischen Malkovich & Dapkūnaitė zu eskalieren scheinen, und das macht dann, rein vom Visuellen her, die Angelegenheit mehr physisch als textlich zunehmend interessant...
Das Stück an sich war/ ist demnach nicht halb so "schwergewichtig" wie die es performt habenden Hollywood-Guests.
Berechtigt großer Jubel.
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Ingeborga Dapkūnaitė und John Malkovich in In der Einsamkeit der Baumwollfelder von Bernard-Marie Koltès | Foto (C) Gio Kardava
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Andre Sokolowski - 10. Juni 2025 ID 15298
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