Jenseits
von Afrika
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(C) Ballhaus Ost
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Bewertung:
Die Stimme der Schauspielerin Tinka Kleffner ist uns Fernsehzuschauern allgegenwärtig. Sie tut - beispielsweise - die von ihren jeweiligen Anbietern mit mehr oder weniger geistreichen Worthülsen ausgestatten Produkte von McDonald's oder 4711 oder auch bloß die Apothekenrundschau in den TV-Werbeunterbrechungen zu uns (den potenziellen Konsumenten) typisch kleffnerisch herüber transportieren. Eine wertneutrale Dienstleistung, deren sich gern die Werbeindustrie bedient. Bei der am Donnerstag im Ballhaus Ost gefeierten Premiere der Performance Situation mit Doppelgänger wurde man sofort an sie (die unverwechselbare Werbestimme aus dem Hintergrund) erinnert. Kleffner gab da, wie als wäre es bei einem ca. 1stündigen Lehr- oder Lektionstext zu 'nem hochschulhaften Feierabendseminar gewesen, die uns mit enormem Sachwissen auf populäre Art versorgende als wie sektionsleitende Fachdozentin. Ihren Ausführungen zuzuhören - während gleichsam Julian Warner und Oliver Zahn, entsprechend praxisnah und sozusagen beispielgebend, danach tanzten - machte Heidenspaß...
"2013 performte das weiße Pop-Starlet Miley Cyrus gemeinsam mit ihren afroamerikanischen Tänzerinnen und Tänzern bei den Video Music Awards eine sogenannte Twerking-Choreographie. Das rhythmische Schütteln und pornographische Ausstellen des Hinterns zu basslastigen Beats löste einen Sturm der Entrüstung aus. Gleichzeitig machte die Performance Twerking einem Massenpublikum zugänglich.
Die Aneignung und Vermarktung schwarzer und anderer minoritärer Tanzformen besitzt eine lange Tradition in der Pop-Kultur und reicht bis in die Zeit der Minstrel-Shows des 19. Jahrhunderts zurück. Die Fragen, welche diese kulturellen Aneignungen aufwerfen, sind seitdem dieselben: Welche Bedeutungen haben Tänze? Gehören sie irgendwem und wer darf sie dann überhaupt tanzen?"
(Quelle: ballhausost.de)
Das [s.o.] untersucht und - halt durch Kleffners Stimme - endlich einmal richtig angesprochen zu haben, sollte sich als Hoher Auftrag Warners/Zahns entpuppen.
Nach und nach wurden wir Kursteilnehmer mit vier Unterdisziplinen konfrontiert: 1.) Koloniale Verhältnisse, 2.) Begehrende Körper, 3.) Zweierlei Lachen und 4.) Minstrelsy.
Anhand von jeweiligen Einzelbeispielen aus heutiger und früherer Historie - Warner & Zahn tanzten u.a. Schuhplattler (Krün 2015), Gumboot Dance (Mbabane 2013), Schuhplattler (Leipzig 1907), Twerking (New Orleans 2011), Twerking (Dortmund 2013), Twerking (New York City 2013), Cakewalk (Plantage in Tennessee 1859), Cakewalk (Postkarte aus Zoppot 1907), Jung Jim Crow (New York City 1833) - wurden nachgerade Thesen/Antithesen festgemacht, deren Klischierung offensichtlich war - bis zur Totalverarsche:
"Hier wird Deutschsein getanzt."
"Hier wird Nationalstolz getanzt."
"Schwarze Version eines Weißen Tanzes."
"Negerstepptanz."
"Hier wird von Schwarzer Kultur proifitiert."
"Gelebte Utopie der Entgrenzung" (= Michael Jackson).
"Tanz und Freizeit zur Steigerung der Arbeitskraft."
"Sextanz."
"Afrikanische Orgie."
"Hier wird Weißsein getanzt."
"Angst vor Rassenvermischung."
Es ging so um Schwarz & Weiß.
Die fast schon inbrünstige Aktualität hinsichtlich einer allgemeinen Angst und Sorge vor der anhaltenden Flüchtlingsinvasion (in das "gelobte Abendland") war schreiend-greifbar.
Eine herrlich abgefuckte Form politischer Satire, auch.
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Situation mit Doppelgänger im Ballhaus Ost | Foto (C) Oliver Zahn
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Andre Sokolowski - 30. Oktober 2015 ID 8950
SITUATION MIT DOPPELGÄNGER (Ballhaus Ost, 29.10.2015)
Von und mit: Julian Warner und Oliver Zahn
Tanzcoaching: Quindell Orton
Stimme: Tinka Kleffner
Regieassistenz: Sara Tamburini
Ton: Udo Terlisten
Licht: Fabian Eichner
Premiere war am 29. Oktober 2015
Weitere Termine: 30. + 31. 10. 2015
Eine Produktion der Bayerischen Theaterakademie August Everding und der Hochschule für Musik und Theater München mit dem Studiengang Regie (Leitung: Prof. Sebastian Baumgarten) in Kooperation mit dem Ballhaus Ost
Weitere Infos siehe auch: http://www.ballhausost.de
http://www.andre-sokolowski.de
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