Stück mit
Putzfrau
|
|
Bewertung:
Corinne Dadat ist Putzfrau. Corinne Dadat ist tatsächlich Putzfrau. Mohamed El Khatib bringt sie als Moi, Corinne Dadat mit ihr und einer zweiten Laiendarstellerin im kleinen Saal des Théâtre National de la Colline auf die Bühne.
Zu Beginn des Stücks fragt man sich, wie die Drei bis zum Ende durchhalten werden, denn Mohamed El Khatib ist Teil der Inszenierung und gibt ganz offensichtlich Hilfestellung bei diesem sehr gewagten Projekt. Er leitet es ein, indem er erklärt, wie es zu dieser Produktion gekommen ist. Während der Proben zu einer anderen Produktion fragte er die Putzfrau der Probenräume, warum sie nie „Guten Tag“ sage. Die Antwort darauf ist vielleicht als Leitsatz des Stückes zu interpretieren: Versuche dir vorzustellen, wieoft ich in meinem Leben "Guten Tag" gesagt habe und keine Antwort zurück bekam.
Vor rund 170 Zuschauern stellt sich Frau Dadat zunächst vor: Sie erzählt von ihrer Profession, ihren vier Kindern und ihrem in die Jahre gekommenen Körper. Corinne Dadat ist 54 und putzt, schrubbt und wischt seit über dreißig Jahren.
Von einem Bühnenbild kann nicht die Rede sein, Putzmittel aller Art und jeglichen Farben stehen fein aufgereiht hinter ihr. Ihr Arbeitskollege, ein ferngesteuerter Putzpanzer, tanzt bei Gelegenheit mit ihr über die Bühne. Es werden Schwarz-Weiß-Aufnahmen von Schwanensee gezeigt, Schubert wird gespielt. Ästhetik und Eleganz auf eigene Weise und mit ganz viel Humor.
Ihr gegenüber steht die 25jährige Berufstänzerin Elodie, die auch auf ihre Weise ein Repertoire an repetitiven Bewegungen abspult. Nicht nachahmbare Gelenkigkeit gepaart mit akrobatischem Tanz entlocken dem Zuschauer das eine oder andere „oh“ und „ah“. Die Brisanz wird dem Zuschauer klar, als Elodie von ihrer Karriere spricht, in der sie sich wie Tarzan von schlecht bezahlten zu unwürdigen Auftritten entlang hangelt und ein ansonsten völlig unspektakuläres Leben führt.
Das Stück ist mit 50 Minuten sehr kurz. Aber die Respektfrage ist allgegenwärtig. Vielleicht hat das Stück in den Zuschauern ein gewisses Mitgefühl und Anerkennung für eine schon immer übersehene Berufsgruppe erregt, in die mit Sicherheit noch andere Berufe gehören. Klar wird im letzten Bild aber, als Frau Dadat das verschüttete Wasser aufmobbt und Elodie das Wasser daneben mit ihren Haaren filmreif aufschleudert, dass die letztere IMMER die ungeteilte Aufmerksamkeit haben wird.
*
Dass Mohamed El Khatib in der nächsten Spielzeit mit einer neuen Produktion wieder an der Colline zu sehen ist, macht Lust auf mehr – gerade weil er den Mut hat, Theater als Sprachrohr für ein gesellschaftliches Thema zu nutzen.
|
Das ist die Titelheldin Corinne Dadat im gleichnamigen Stück am La Colline, Paris | Foto (C) Mohamed El Khatib
|
Tobias Marian Wollenhaupt - 29. März 2017 ID 9943
MOI, CORINNE DADAT (Petit Théâtre, 24.03.2017)
Von Mohamed El Khatib
Regie: Zakari Dutertre
Dramaturgie: Benjamin Cadon
Ton: Raphaëlle Latini und Arnaud Léger
Licht: Fred Hocké
Fotograf: Marion Poussier
Mit: Corinne Dadat, Élodie Guezou und Mohamed El Khatib
Uraufführung war am 13. November 2014.
Premiere im La Colline, Paris: 22. März 2017
Weitere Termine bis zum 01.04.2017
Weitere Infos siehe auch: http://www.colline.fr
Post an Tobias Marian Wollenhaupt
14h15dumat.com
Neue Stücke
Hat Ihnen der Beitrag gefallen?
Unterstützen auch Sie KULTURA-EXTRA!
Vielen Dank.
|
|
|
Anzeigen:
Kulturtermine
TERMINE EINTRAGEN
Rothschilds Kolumnen
BALLETT | PERFORMANCE | TANZTHEATER
CASTORFOPERN
DEBATTEN & PERSONEN
FREIE SZENE
INTERVIEWS
PREMIEREN- KRITIKEN
ROSINENPICKEN
Glossen von Andre Sokolowski
RUHRTRIENNALE
TANZ IM AUGUST
URAUFFÜHRUNGEN
= nicht zu toppen
= schon gut
= geht so
= na ja
= katastrophal
|