Wladimir
und
Estragon
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Moses und Aron an der Komischen Oper Berlin - Foto (C) Monika Rittershaus
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Bewertung:
Das deutsche Feuilleton wirft in letzter Zeit dem Künstlerintendanten Barrie Kosky vor, sein Haus mit "leichter Muse" und "oberflächlichem Amüsement dominieren" zu wollen [hä? was?? habt ihr sie noch alle???] - darauf sprach ihn jetzt Irene Bazinger (im Interview der Berliner Zeitung v. 18. April 2015) lästig-bohrend an, und Kosky tat scharfzüngig reagieren: "Ich bin leider immer wieder mit solchem absolut deutschen intellektuellen Snobismus konfrontiert. Das macht mich manchmal wahnsinnig." Und nannte, gegenargumentativ, zwei Beispiele der Ära Walter Felsensteins, des legendären Gründungs-Intendanten der Komischen Oper Berlin: das Musical Der Fiedler auf dem Dach sowie die Operette Ritter Blaubart - noch erfolgreichere Produktionen eines Opernhauses sind, bis heute, kaum mehr vorstelllbar. Wie auch: "Deshalb gehören solche Werke für mich zur Tradition dieses Hauses - wie die Jazzoperetten, die wir wieder erntdeckt haben." Und sowieso: West Side Story oder Zauberflöte brächten dringend benötigtes Geld für eine teure Produktion wie Moses und Aron. Alle seien "Meisterwerke des Musiktheaters. Ende der Diskussion!"
Jawoll.
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Das ist Karsten Redlich, der sich für ein Werbefoto zur bevorstehenden Moses und Aron-Produktion an der Komischen Oper Berlin im U-Bahnhof Schöneberg ablichten ließ - Foto (C) Gunnar Geller
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"1898 zum evangelischen Glauben konvertiert, beschäftigte sich Arnold Schönberg angesichts des in ganz Europa zunehmenden Antisemitismus Anfang der 1920er Jahre immer intensiver mit der Religion seiner Väter, wovon nicht nur seine Oper Moses und Aron, sondern auch das Oratorium für Soli, Chor und Orchester Die Jakobsleiter oder das 1927 vollendete Schauspiel Der biblische Weg ein beredtes Zeugnis ablegen.
(...)
Bei Schönberg ist Moses auf die Hilfe seines Bruders Aron angewiesen, um die abstrakte Gottesidee in verständliche Worte und Bilder zu fassen. Aron ist der Zauberer, der wortgewandt und trickreich das wankelmütige Volk davon zu überzeugen weiß, Moses und seinem so andersartigen Gott zu folgen. Aber verändern, ja verderben Arons Worte und Zaubertricks nicht bereits die reine Idee, die in Worte zu fassen Moses so unmöglich erscheint? – Schönbergs Oper wird zum packenden Musikdrama über die nie endende Suche des Menschen nach Antworten, über seine unstillbare Sehnsucht nach dem 'Land, in dem Milch und Honig fließen'."
(Quelle: komische-oper-berlin.de)
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Unüberseh-/unüberhörbar:
Der Chor der Komischen Oper Berlin sowie das kollegial mit ihm gastiert habende Vocalconsort Berlin (Choreinstudierung: David Cavelius) bekommen von uns den absolut-ultimativen Untoppbarkeitsstatus dieser sensationellen Aufführung [des allerbesten Moses und Aron, den ich jemals auf der Bühne sah!] unwiderruflich zugesprochen! Hält man so viel lustvoll ausartende und zugleich doch klug dosierte Stimm- und Spielgewalt für möglich? Ich bin überwältigt.
Vladimir Jurowski debütiert mit Schönbergs Werk aus dem Orchestergraben. Die Musikerinnen und Musiker leisten Außerordentliches - wieder muss man feststellen: das Orchester der Komischen Oper Berlin kann Alles!
Robert Hayward "spricht" einen in Koskys Sicht als sprachgestört bzw. sprachgehemmt interpretierten Moses - eine saft- und kraftlose Gestalt, an deren Wirkungswille (Einzelgänger vs. Masse) arg gezweifelt werden darf. Der Typ kann nicht und nie allein, also wird ihm - wohl nicht etwa vom Allvater höchstselbst? - ein zweiter Mann & Macher beigesellt: der leibhaftige Moses-Bruder, und John Daszak gibt und singt ihn; er ist Einspringer für den leider erkrankt gewesenen Andreas Conrad, der als Aron eigentlich geplant gewesen war.
Moses & Aron = Wladimir & Estragon - - das ist die kühn-geniale und gleichsam durch keine "Wahrheitsthese" zu entkräftigende Regisseursidee! Die beiden Beckett-Typen warten in einer von Gott verlass'nen Gegend auf Godot als Synonym für Irgendwas und Irgendwen - Moses & Aron tun nichts anderes.
"Der biblische Moses bewirkt selbst etliche Wunder. Der Moses in der Oper besteht hingegen darauf, dass Gott unvorstellbar ist. Er lehnt daher Wunder, Zeichen, Gleichnisse und Götterbilder als Darstellung des Undarstellbaren ab. Die Wundertaten Arons werden in der Bibel als Dienstleistungen für Moses dargestellt. In der Oper werden sie zum Akt des Ungehorsams gegen das göttliche Gesetz und gegen Moses." (Quelle: Wikipedia)
Die Szenerie könnte so eine Art von Kinosaal sein; irgendwie sieht es im neuen Zoopalast ganz ähnlich aus - gewaltig-runde Deckenkonstruktion, tief liegend, mit 12 rosaroten Lichtlöchern (Bühne und Licht: Klaus Grünberg); drei oder vier Spielebenen aus Leichtmetall, terrassenförmig angeordnet, darauf liegen mindestens ein Dutzend farbenprächtiger Orientteppiche. Vor und während jener Massenszenen rund ums sog. Goldne Kalb wird dann der alte und in Holz gefasste Kamerakasten Fritz Langs links aufgestellt; selbiger wird durch ihn "persönlich" angedreht, auch Sigmund Freud ist bei dem deutschsprachigen Filmteam per Gesichtsmasken (darunter scheinbar Kinder) auszumachen - wer der Dritte war, hatte ich nicht herausgekriegt.
Klaus Bruns schuf die Kostüme - höchstwahrscheinlich war er auch dann hundert pro für all die Einkleidungen der 200 Juden-Puppen zuständiger Weise kreativ; und überhaupt - das hierzulande immer noch (aus Dummheit und/oder historischer Verkennung) gegenwärtige Klischee des sozusagen "äußerlichen Juden" (mit der Judennase) wurde noch mehr aufgebauscht und also überhoben als die Polizei erlauben dürfte: Eine Gruppe riesenhafter Juden-Banker als Klischee aller Klischees betrat die Bühne kurzzeitig und tat sie bald auch wiederum verlassen... Alle andern Judenpuppen wurden plötzlich vom Volk Israel zu einem Riesen-(Leichen)-Haufen aufgetürmt: das war dann auch der Augenblick, der sich zum Schlussbild fügte, und weswegen Barrie Kosky seinen schon seit 25 Jahren aufgeschob'nen Inszenierungstraum verwirklichte und ihn nunmehr "anlässlich des 70. Jahrestags der Befreiung von Auschwitz" in die Tat umsetzte.
Tolles Werk, geniale Produktion, nicht enden wollende Begeisterung nach kurzweiligen hundertfünf Minuten.
Holt die Schüler und die Lehrer von Berliner Schulen in die Oper! Ja, und die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft sollte sich da ruhig in dem Zusammenhang ein bisschen extra drehen; wäre doch nicht gar zu viel verlangt, oder?
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Moses und Aron an der Komischen Oper Berlin - Foto (C) Monika Rittershaus
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Andre Sokolowski - 20. April 2015 ID 8587
MOSES UND ARON (Komische Oper Berlin, 19.04.2015)
Musikalische Leitung: Vladimir Jurowski
Inszenierung: Barrie Kosky
Bühnenbild und Licht: Klaus Grünberg
Kostüme: Klaus Bruns
Dramaturgie: Susanna Goldberg und Ulrich Lenz
Chöre: David Cavelius
Choreographie »Goldenes Kalb«: Hakan T. Aslan
Besetzung:
Chor ... Chorsolisten der Komischen Oper Berlin und Vocalconsort Berlin
Moses ... Robert Hayward
Aron ... John Daszak
Junges Mädchen / 1. nackte Jungfrau ... Julia Giebel
Junger Mann ... Michael Pflumm
Ephraimit / anderer Mann ... Tom Erik Lie
Priester ... Jens Larsen
Nackter Jüngling ... Johannes Dunz
Eine Kranke / 3. nackte Jungfrau ... Karolina Gumos
2. nackte Jungfrau ... Sheida Damghani
Orchester der Komischen Oper Berlin
Premiere war am 19. April 2015
Weitere Termine: 24., 28. 4. / 2., 10. 5. / 7. 7. 2015
Weitere Infos siehe auch: http://www.komische-oper-berlin.de
Post an Andre Sokolowski
http://www.andre-sokolowski.de
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