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Elina Garanca in einer konzertanten La Favorite an der Deutschen Oper Berlin | Foto (C) Bettina Stöß
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Bewertung:
Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Obwohl… Es hat stolze vier Jahre gedauert, bis sich Opernhaus und (damals schwangere) Operndiva auf einen Ersatztermin verständigen konnten. Vier Jahre. In so einem Zeitraum wechseln Intendanten (was auch passiert ist), verändern sich Stimmen, legen Sänger Rollen ab. Erst vor wenigen Wochen hat Elīna Garanča angekündigt, den Octavian aus ihrem Repertoire herauszustreichen [wir erlebten "ihn" gottlob dann noch mit ihr - siehe unsere 2014er Kritik zum Rosenkavalier].
Freuen wir uns also zunächst mal unseres Glückes, dass dieses Projekt nun doch noch zustande kam. So ganz ohne Wermutstropfen geht La Favorite auch jetzt nicht an den Start: Joseph Calleja ist erkrankt; der Dirigent wurde ebenfalls ausgetauscht.
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Für Donizetti war die Uraufführung ein immenser Erfolg. Bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts wurden allein in Paris 650 Aufführungen gezählt. Heute zählt das freilich nix mehr: In den Spielplänen fristet die Favoritin ein Dasein als Mauerblümchen. Völlig zu unrecht. Denn die Geschichte von einem Mann, der sich von der Kirche abwendet, um seine Liebe leben zu können, jedoch nach der Hochzeit feststellen muss, dass es sich bei der Braut um die Geliebte des Chefs (also dessen Favoritin) handelt, und wieder zurück ins Kloster geht, bietet hinreichend Dramatik. Ebenso die Musik, die beweist, dass Donizetti mehr auf dem Kasten hatte als Buffo-Opern und Belcanto-Schmus.
Doch genau in diesem Punkt knirscht es am Premierenabend, was überwiegend dem inspirationslos wegdirigierenden Maestro Pietro Rizzo anzulasten ist. Dieser lässt das Orchester der Deutschen Oper laut und langsam spielen - eine Kombination, die sich wie Blei an die Töne hängt. Nichts wird furios zugespitzt oder virtuos ausgeleuchtet, stattdessen kracht es, rumst es.
Und auch die Sänger, die, einzeln betrachtet, ihren Job souverän bis glanzvoll erledigen, bilden kein Ensemble aus einem Guss. Vielmehr scheinen sich alle gerade auf der Durchreise zu treffen: Florian Sempey lässt den Mantel gleich an und bietet als Alphonse solides Mittelmaß; Ante Jerkunica ist ein markanter, vielleicht etwas zu grob geschnitzter Balthazar; Elena Tsallagova wertet die Inès mit viel Charme und ihrem seidig schimmernden Sopran auf; Einspringer Marc Laho zieht mit versierter Technik und tadelloser Diktion seinen Kopf aus der Schlinge, und der Chor hat seit der neuen Aida-Produktion die Lust am Lautsein entdeckt.
Elīna Garanča rauscht mit der Grandezza einer Grace Kelly aufs Podium. Selten dürfte sie so großartig gewesen sein, so eins mit sich und ihrem sinnlich-herbschönen, höhensicheren Mezzo wie Mittwochabend als Léonor. Und doch schwingt in dieser Perfektion etwas Eisiges mit, das einen kalt lässt. Wohllaut statt Ausdruck? Wohl kaum. Oper ist eben doch mehr als das Servieren gesanglicher Genüsse. Ein klarer Beweis, dass die konzertante Form sehr wohl ihre Grenzen hat und niemals inszeniertes Musiktheater ersetzen kann.
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Donizettis La Favorite am 2. Dezember 2015 in der Deutschen Oper Berlin | Foto (C) Bettina Stöß
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Heiko Schon - 5. Dezember 2015 ID 9024
LA FAVOIRITE (Deutsche Oper Berlin, 02.12.2015)
Konzertante Aufführung
Besetzung:
Léonor de Guzman ... Elina Garanca
Fernand ... Marc Laho
Alphonse XI ... Florian Sempey
Balthazar ... Ante Jerkunica
Inès ... Elena Tsallagova
Don Gaspar ... Matthew Newlin
Chöre: William Spaulding
Chor und Orchester der Deutschen Oper Berlin
Dirigent: Pietro Rizzo
Premiere war am 2. Dezember 2015
Weitere Termine: 5. + 8. 12. 2015
Weitere Infos siehe auch: http://www.deutscheoperberlin.de
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