Das Wunderkind Chad Hoopes (21) spielte in Berlin
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Der Geiger Chad Hoopes | Foto (C) Marco Borggreve
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Bewertung:
Nun also das letzte Inhouse-Konzert vom Konzerthausorchester Berlin in 2015/16:
Nach einer tollen Saison verabschiedete sich der Klangkörper gestern mit einem Programm aus Minimal Music und Romantik. Mit The Chairman Dances (Der Vorsitzende tanzt) von John Adams begann der Abend. Während Adams an seiner Oper Nixon in China arbeitete, ging ihm ein Bild nicht aus dem Kopf: Mao Zedong und seine Geliebte Jiang Quing beim Foxtrott. Er schrieb darüber dann dieses Orchesterstück. Witzig, fröhlich und sehr ausgelassen - wie passend zum heutigem Abschied in die Sommerpause. Adams´ Stück ist ein Kaleidoskop an verschiedensten Farben, Rhythmen und Motiven. Das Stück nimmt immer wieder überraschende Wendungen, und die schmunzelnden Musiker unter Dennis Russell Davies ließen sich gern darauf ein.
Philip Glass´ erstes Orchesterwerk, das Konzert für Violine und Orchester Nr. 1, stand an zweiter Stelle des Abends. Der erste Einsatz von Chad Hoopes versetzte das Publikum in Hochspannung. Die üblichen Huster und Räusperer verstummten plötzlich. Der junge Geiger zelebrierte die tragenden, repetitiven Flächen des ersten Satzes souverän: trocken und nüchtern, aber doch irgendwie farbig und empathisch. Der transparente Orchesterklang und die einzelnen Aktionen der Orchestermusiker konnten sich dazu wunderbar kontrastierend entwickeln. Der zweite Satz beginnt mit zarten Gespinsten, Solist und Orchester jetzt im Dialog. Die etwas rohen und kratzigen Blechbläser bringen Kontraste. Ganz subtil schiebt sich jetzt über die frische, leichte Musik etwas Melancholie, unbemerkt und so typisch für Glass´ Idee von Minimal Music. Der 3. Satz bringt ein neues Element, die kleine Trommel beginnt die Aktionen zu beschleunigen. Im Kontrast mit dunklem Blech entsteht ein verwirrendes Flirren. Farben, Intensität und Tempo werden stetig gesteigert. Wie Nordlicht flimmern die Flöten dazwischen. Hoopes gelang es, ganz große Spannungen aufzubauen, er verschmolz mit der Musik. In reinen Orchesterpassagen stand er, alle Poren geöffnet neben Dennis Russel Davies, und saugte die Musik sichtbar in sich ein. Am Ende hatte er uns in eine Art Trance versetzt, und man hoffte, dass das nicht zu Ende ginge.
Der 21jährige Geiger Chad Hoopes stammt aus den USA und begann seine Geigenausbildung in Minneapolis. Er studierte am Cleveland Institute of Music, am Heifetz Institute und nahm an Ottawas NAC Young Artists Programm teil. 2008 gewann er in der Kategorie "Junior" den Yehudi Menuhin International Violin Competition. Seit 2013 studiert Hoopes an der Kronberg Akademie bei Ana Chumacheno. Nach Konzerten und Konzertaufnahmen mit dem MDR Sinfonieorchester unter Kristjan Järvi debütierte Hoopes im April 2014 in München. Zum ersten Mal in der Geschichte der Münchner Symphoniker vergab der Klangkörper danach ein Artist in Residence an den jungen Geiger. Wirklich ein Glück für Berlin, dieses (ja, nach dem gestrigen Konzert kann man das nachgerade sagen) Wunderkind live erleben zu können. Schon wie ein sehr erfahrener Musiker zeigte Hoopes, dass er eine Idee hat von der Musik Philip Glass´. Nicht die Technik überwog, wie oft bei solch jungen Talenten, sondern man spürte, wie er sich aufrichtig und loyal mit Komponist und Werk beschäftigt hatte.
Anton Bruckners 1. Sinfonie ließ dann das konservativ orientierte Publikum auf seine Kosten kommen. Alles strebt zum Finale, man spürt deutlich, dass Bruckner die Sinfonie von hinten gedacht hat. Dennis Russel Davies und die Musiker des Konzerthausorchesters arbeiteten das überzeugend heraus und sagten damit auf überzeugende Weise „Tschüss Saison 2015/2016“.
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Steffen Kühn - 17. Juli 2016 ID 9439
KONZERTHAUSORCHESTER BERLIN (Konzerthaus, 16.07.2016)
John Adams: The Chairman Dances - Foxtrott für Orchester
Philip Glass: Konzert für Violine und Orchester Nr. 1
Anton Bruckner: Sinfonie Nr. 1 c-Moll
Chad Hoopes, Violine
Konzerthausorchester Berlin
Dirigent: Dennis Russell Davies
Weitere Infos siehe auch: http://www.konzerthaus.de
Post an Steffen Kühn
http://www.hofklang.de
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