Janowski Un-Konzept für Mendelssohns Elias
|
Elias auf einem Gemälde von 1667 © bpk / Gemäldegallerie, SMB / Jörg P. Anders | Bildquelle http://www.rundfunkchor-berlin.de
|
Bewertung:
RSB-Dramaturg Steffen Georgi (dessen schriftliche Werkeinführungen ich zu den besten und also lesenswertesten im schier unübersichtlichen Konzertleben der Hauptstadt zähle) hat auf zwei fürs Mendelssohn'sche Oratorien-Werk beachtenswerte Themen abgehoben - zum Einen ließ er uns Leser wissen, dass eine religiöse Überbewertung beider Oratorien des Komponisten, insbesondere freilich des Elias, keinen großen Sinn macht, da in ihnen/ihm nichts wirklich Wesentliches in der Richtung aufzufinden ist außer vielleicht je einer dramaturgisch gut und straff geführten biblischen Geschichte (heute würden wir das schlicht als Plot bezeichnen); im Elias ganz konkret gehts darum, dass der Heilsprophet gegen das Baalslastige der doch irgendwie verirrt scheinenden Volks- und Stammgemeinschaft der vorchristlichen Israeliten so wie gegen eine Wand anredet, was am Ende wenig fruchtet und weswegen er die seiner Meinung nach Vollirrgeleiteten einer schier tödlichen Bestrafung unterziehen muss etc. pp. Georgi gräbt, im übergreifenden Zusammenhang, gewieft ein hierzu passendes Zitat von Mendelssohn aus seinem Zettelkasten, wo es heißt: "Ich hatte mir eigentlich beim Elias einen rechten durch und durch Propheten gedacht, wie wir ihn etwa heut'zu Tage wieder brauchen könnten, stark, eifrig, auch wohl böse und finster, im Gegensatz zum Hofgesindel, und fast zur ganzen Welt im Gegensatz und doch getragen wie von Engelsflügeln." Das liest sich fast wie von Wagner, wäre daher, falls man es so läse, ein makabrer Judenwitz - - ja und zum Anderen, um nicht den Faden zu verlieren, schließt Georgi logisch und geradlinig (daher "makabrer Judenwitz") an das hier an: "Ein selbstgefälliger Gesamtkunstwerkler polemisierte 1850 gegen Felix Mendelssohn Bartholdy. [...] Möge die heutige Aufführung dazu beitragen, einen Teil der Schmach abzubauen, die Mendelssohns Ruf namentlich in Deutschland von der Mitte des 19. bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts angetan wurde."
Ob es sich nun allerdings bei der von uns erlebten Darbietung Marek Janowskis mit dem Rundfunkchor Berlin (Choreinstudierung: Michael Gläser) und dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin um dialektisch-austariertes und/oder spirituell-gemeintes Ableisten der Partitur gehandelt haben sollte, tat sich uns nicht vollständig erschließen. [Dass das Bollwerk Rundfunkchor mir diesmal irgendwie nicht rechtens "handhabbar" erschien, betrachte ich im Nachhinein als hörerisches Novum meinesteils; wohlan, das dürfte, wegen des privaten Einzeleindrucks, sicher unerheblich sein.] Aber allein die Tatsache, dass dann der Maestro - ganz entgegen seiner institutionellen Opernhausphobie - die letzten beiden Castorf-Ring-Staffeln (2016-2017) im Orchestergraben des Bayreuther Festspielhauses dirigieren wird, hätte die Angelegenheit(en) heute Abend, unter nicht nur diesem überraschenden Aspekt, apart genug gestalten lassen können.
Hätte! wie gesagt.
*
Adrian Eröd mag vielleicht ein edeler und sehr zurückhaltender Mensch sein, das hingegen wollte mit "Deklamatorischem" seiner Partie viel weniger korrespondieren als mit den Elias-Arien, die ihm teilweise betörend gut gerieten (beispielsweise mit "Es ist genug") - in Relation zu ihm gingen demnach von Daniel Behle wohl bedeutendere Glücksmomente aus, und zwar nicht nur weil sein Tenor einschmeichelnd-schön zu nennen ist. Die gutturale Altstimme von Clémentine Margaine passte sehr gut zur Königin des Stücks. Die Sopranistin Sophie Klußmann: herbstlich-kühl und textverständlich. Und der Knaben-Auftritt (in der Höhe) kriegte durch Bianca Reim verzierendes als wie berührendes Gewicht.
* *
Bei einem (uns obzwar nicht aufgenötigten) Vergleich würde das sog. Mitsinge-Konzert 2009 (Elias) - gleichfalls mit den zwei RSB-Klangkörpern - "günstiger" bewertet worden sein.
|
Andre Sokolowski - 25. November 2014 ID 8277
RUNDFUNK-SINFONIEORCHESTER BERLIN (Philharmonie Berlin, 24.11.2014)
Felix Mendelssohn Bartholdy: Elias op. 70
Sophie Klußmann, Sopran
Clémentine Margaine, Alt
Daniel Behle, Tenor
Adrian Eröd, Bariton
Andreas Hörl, Bass
Christina Bischoff, Bianca Reim und Isabelle Voßkühler, Sopran
Rundfunkchor Berlin
(Choreinstudierung: Michael Gläser)
Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin
Dirigent: Marek Janowski
Weitere Infos siehe auch: http://www.rsb-online.de
Post an Andre Sokolowski
http://www.andre-sokolowski.de
|
|
|
Anzeigen:
Kulturtermine
TERMINE EINTRAGEN
Rothschilds Kolumnen
BALLETT | PERFORMANCE | TANZTHEATER
CASTORFOPERN
CD / DVD
INTERVIEWS
KONZERTKRITIKEN
LEUTE
NEUE MUSIK
PREMIERENKRITIKEN
ROSINENPICKEN
Glossen von Andre Sokolowski
RUHRTRIENNALE
= nicht zu toppen
= schon gut
= geht so
= na ja
= katastrophal
|