"Am Altar -
wie bei Hofe"
|
|
Bewertung:
In ihrem aktuellen Anrechtskonzert im Kleinen Saal des Konzerthauses Berlin machte die Akademie für Alte Musik mit Werken vertraut, die die meisten von uns womöglich noch nie zu Gehör bekommen hatten. Und immer, wenn einem dann sowas widerfährt, ist man (außer für das akustische Geschenk) sehr dankbar dafür, dass ein einführender aber hoffentlich auch liebleicht-lesbarer Programmhefttext Materie und Musik ein bisschen näher bringt; von Bernhard Schrammek stammten dieses Mal die Zeilen, und so lasen wir:
"Die Violine machte m 17. Jahrhundert eine erstaunliche 'Karriere': Wurde sie vormals überwiegend als Begleitinstrument oder im volksmusikalischen Bereich genutzt, entdeckten die Komponisten der frühen Barockzeit die solistischen Qualitäten dieses Streichinstruments ganz neu. Von Italien ausgehend mehrten sich die Veröffentlichungen mit Sonaten und Suiten für eine oder mehrere Violinen. Dabei kam es zu einer kontinuierlichen Erweiterung des Tonumfangs und der technischen Anforderungen. Schon in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts war die Violine unbestritten das populärste Melodieinstrument, auf dem sowohl Leidenschaft als auch Virtuosität adäquat ausgedrückt werden konnten."
Ja und Heinrich Ignaz Franz Biber (1644-1704) sowie Johann Heinrich Schmelzer (1620/23-1680) wären also - außer dass sie Komponisten waren - auch "zwei der bedeutendsten Geiger des ausgehenden 17. Jahrhunderts" gewesen "und übertrugen den modernen italienischen Streicherstil in den süddeutsch-österreichischen Raum".
*
So gab es während der zwei Stunden mit vorzüglichst dargebotener Barockmusik vor allem Stücke, wo die Violine(n) "vordergründig" in Erscheinung trat(en) - Georg Kallweit, Kerstin Erben, Dörte Wetzel übernahmen die für ihre Instrumente zugeteilten Parts.
Die Themenüberschrift des Akamus-Konzertes ["Am Altar - wie bei Hofe"] bezog sich übrigens auf den gleichlautenden Titel einer Biber'schen Sonatensammlung aus dem Jahre 1676 [Sonatae tam aris, quam aulis servientes - zu deutsch: "Sonaten am Altar, wie bei Hofe"] - - in der Hochbarockzeit konnte also "Beides" als mitunter miteinander kompatibel durchgehen.
Doch "nicht nur" Geigen waren hörbar, nein - neben dem Streicherapparat (3 Violinen, 3 Violen, 1 Violoncello, 1 Violone) mit obgligater Cembalo- und Lautenbegleitung traten auch dann Wolfgang Gaisböck, Ute Hartwich (Trompeten) sowie Christian Beuse (Dulzian [einem Vorläufer des späteren Barockfagotts]) solistisch in Erscheinung - letzterer erheiterte dann insbesondere bei Schmelzers fünfter Sonate "per camera al giorno delle [s]corregie" (dt.: "...für den Tag der Fürze"), wo dann dementsprechend seine Einwürfe genauso klangen wie "es" vorgeschrieben war...
Auch lustig: Bibers Battalia. Ein ironisch gemeintes Schlachtgetümmel mit besoffenen Soldaten oder jammernden Verletzten; wenn man in Betracht zieht, dass das Werk womöglich "kurz nach" Ende des Dreißigjährigen Krieges entstand - a la bonheur!
* *
An drei aufeinander folgenden Tagen führten die MusikerInnen der Akamus dieses doch anspruchsvolle und nicht unbedingt dann kurzweilige Raritäten-Programm (3 mal also!!!) dann auf. Und gestern Abend - bei der dritten und letzten Darbietung - spürte man schon, v.a. optisch, dass sie mit den Kräften irgendwie am Ende schienen; kaum dass ihnen irgendwie ein Lächeln über ihre Lippen huschen wollte. Und auch die putzige Zugabe mit "Chaconne" (von wem dann eigentlich? das sagte der Konzertmeister nicht an) konnte den reinweg optisch verbrieften Eindruck von mir nicht groß ausräumen.
|
Akademie für Alte Musik Berlin | (C) Uwe Arens
|
Andre Sokolowski - 19. April 2018 ID 10653
"AM ALTAR - WIE BEI HOFE" (Konzerthaus Berlin, 18.04.2018)
Ensemblesonaten für Streicher & Bläser
Heinrich Ignaz Franz von Biber: Sonata I a 8 C-Dur (aus Sonata tam aris, quam aulis servientes, Salzburg 1676)
Johann Heinrich Schmelzer: Sonata a tree in D
- Sonata à 5 in C "al giorno delle correggie"
- Sonata à 8 per chiesa e camera in C
- Sonata III für Violine und B.c. (aus Sonata unarum fidium, Wien 1664)
Biber: Battalia à 10
Schmelzer: Sonata à tre in h "Lamento sopra la morte Ferdinandi“
- Sonata à 5 in C
Biber: Sonata XII à 8 in C (aus Sonata tam aris, quam aulis servientes)
Akademie für Alte Musik Berlin
Georg Kallweit, Konzertmeister
Weitere Infos siehe auch: http://akamus.de
http://www.andre-sokolowski.de
Konzertkritiken
Rosinenpicken
Hat Ihnen der Beitrag gefallen?
Unterstützen auch Sie KULTURA-EXTRA!
Vielen Dank.
|
|
|
Anzeigen:
Kulturtermine
TERMINE EINTRAGEN
Rothschilds Kolumnen
BALLETT | PERFORMANCE | TANZTHEATER
CASTORFOPERN
CD / DVD
INTERVIEWS
KONZERTKRITIKEN
LEUTE
NEUE MUSIK
PREMIERENKRITIKEN
ROSINENPICKEN
Glossen von Andre Sokolowski
RUHRTRIENNALE
= nicht zu toppen
= schon gut
= geht so
= na ja
= katastrophal
|