Lise Davidsen
mit Haugtussa
von Edvard Grieg
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Die norwegische Sopranistin Lise Davidsen | Foto (C) Ray Burmiston; Bildquelle: lisedavidsen.com
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Bewertung:
Dass die norwegische Sopranistin Lise Davidsen - außer dramatischer Oper (Wagners Elisabeth oder Sieglinde, beispielsweise) - auch das allerfeinste Kunstliedgut zu singen vermag, wusste der Schreiber dieser Zeilen spätestens, seit er sie hiermit in einem der Corona-MONTAGSSTÜCKE, die es während der "totalen" Lockdowns der vergangenen zwei Jahre aus dem Nationaltheater München zu erleben gab, am Laptop/ unter Kopfhörern im Livestream sah und hörte; Beethovens Sechs Lieder von Gellert nahm er da zum ersten Mal in seinem Leben wahr!
Ebenso allererstmals hatte er jetzt das Vergnügen Edvard Griegs 1895 komponiertes Haugtussa op. 67 - Haugtussa (norwegisch für "Holznymphe") heißt übrigens auch der 1.134 Meter hohe antarktische Berg östlich des Kampbreen im nordzentralen Teil der Sør Rondane - kennengelernt zu haben. Der achtteilige Liederzyklus mit den traumhaft schönen Gedichten des sage und schreibe sechsmal zum Literaturnobelpreis vergeblich nominiert gewesenen norwegischen Schriftstellers Arne Garborg (1851-1924) dauert reichlich eine halbe Stunde, und er gilt zudem als Griegs bedeutendstes Werk, also weitaus bedeutender als etwa seine Schauspielmusik zu Peer Gynt oder etwa die Lyrischen Stücke für Klavier.
"Erzählt wird die Geschichte eines Hirtenmädchens, das sich erst glücklich in einen Jungen verliebt, dann aber verlassen wird. Für die Geschichte Norwegens ist dieser Zyklus ein Meilenstein.
[...]
Anders als in den Liedern Mitteleuropas tritt hier eine Frau auf, die nicht – wie bei Schumann und Chamisso in Frauenliebe und -leben - ihren Lebensinhalt im häuslichen Glück und in der liebenden Folgsamkeit ihrem Gatten gegenüber sucht. Garborgs und Griegs 'Mädchen' ist voll berufstätig, weiß das Vieh zu weiden, Bären und Füchse zu verjagen. Sie darf ihre erotischen Wünsche benennen und tritt damit als sexuelles Wesen in Erscheinung, das gleichwohl nicht dämonisiert wird. „Du sollst die wilde Liebe nicht fürchten, die sündigt und weint und vergisst“, heißt es schon im ersten Lied, und als sie sich in den Jungen verliebt, neckt sie ihn frech und springt mit ihm ausgelassen wie die Zicklein über die Hänge."
(Jan Brachmann, 2012; Quelle: deutschlandfunkkultur.de)
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Und Lise Davidsen, die dieses zauberhafte Opus mit dem Pianisten Leif Ove Andsnes längst auf CD verewigte, wollte es nunmehr ausgerechnet dann mit ihm hier in Berlin aufführen - doch das Virus torpedierte dieses Vorhaben, sodass schnellstmöglich ein "Ersatz" gefunden werden musste: James Baillieu, auch einer ihrer langjährigen Liedbegleiter am Klavier, sprang ein und spielte so, als wäre Davidsens Programm (das außerdem noch weitere sechs Stücke Griegs sowie vier Richard Strauss' und die fünf Wesendoncks von Richard Wagner auf dem Zettel hatte) nur für ihn & sie von Anfang an gedacht gewesen!
Ihre Stimme greift sich jeden Winkel des (für Liederabende hochproblematisch) in die Höhe getriebenen Saals der Berliner Staatsoper Unter den Linden, und so klingt es überwiegend so, als würde sie sich ungehindert, um nicht gar zu sagen ungehemmt wie in der sagenhaften Halle des Bergkönigs entfalten wollen - für Sängerinnen und Sänger sicherlich ein Hochgenuss so bulldozernd heraussingen zu können, für die (feinsinnige) Hörerschaft mitunter einschüchternd.
Alles in allem:
Noch authentischer wie gestern Abend wäre Griegs Haugtussa nicht zu haben gewesen.
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Andre Sokolowski - 7. Januar 2022 ID 13391
LIEDERRECITAL LISE DAVIDSEN (Staatsoper Unter den Linden, 06.01.2022)
Edvard Grieg: Sechs Lieder op. 48
- Haugtussa op. 67
Richard Strauss: Ruhe, meine Seele op. 27/1
- Caecille op. 27/2
- Morgen op. 27/4
- Befreit op. 39/4
Richard Wagner: Wesendonck-Lieder
Lise Davidsen, Sopran
James Baillieu, Klavier
Weitere Infos siehe auch: https://www.lisedavidsen.com/
https://www.andre-sokolowski.de
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