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Konzertkritik

Liebesmusiken

von Berlioz

und Wagner

und - von

Charlotte Bray



Bewertung:    



Das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin hat sich für die laufende Konzertsaison verbindlich ausbedungen, kein einziges Konzert ohne ein Werk einer Komponistin stattfinden zu lassen. Dieser feministische Ansatz ist mehr als erfreulich, zugleich gibt er natürlich zum verschämten Grübeln Anlass, denn tatsächlich sind auf den Programmzetteln der meisten Orchester dieser Welt mehr als wenig Kompositionen von Frauen zu registrieren; das mag wohl (sicherlich) auch daran liegen, dass es in der Tat zu wenig Nennenswertes diesbezüglich gibt, auch wenn die Oevres solcher Power-Komponistinnen wie beispielsweise Sofia Gubaidulina, Olga Neuwirth oder Kaija Saariaho († 2023) regelmäßig ausgeschlachtet werden.

Vor zwei Jahren - und das war vielleicht die Initialzündung für diese schöne aktuelle Geste - wuchteten Robin Ticciati und das DSO Les Naufrageurs, eine hierzulande gänzlich unbekannte Oper von Ethel Smyth (1858-1944), hervor; es war ein Sensationskonzert!

Gestern nun stand eine zirka siebenminütige Uraufführung von Charlotte Bray (42) auf dem Programm - sie hatte ihr Stück mit A Dark Doorway übertitelt, und eigentlich wollte sie hiermit "nur" auf ihre Oper American Mother, die im nächsten Jahr in Hagen uraufgeführt wird, aufmerksam machen:


"Sie erzählt die Geschichte von Diane Foley, der Mutter des amerikanischen Journalisten James Foley, der 2014 in Nordsyrien vom IS entführt und öffentlich enthauptet wurde. Im Gerichtsgebäude in Virginia trifft Diane auf den Mörder ihres Sohnes, dem dort der Prozess gemacht wird." (Quelle: dso-berlin.de)


Ich erinnere mich sehr gut an diese von den Terroristen via Internet zur Schau gestellte Hinrichtung; auch die Nachrichtenkanäle hierzulande hatten das (gottlob nicht in seiner Vollendung) gezeigt - ein Schock sondergleichen.

Das Kurzstück (wahrscheinlich eine Art Auskopplung bzw. kommentierende Ergänzung zu Brays Oper) fängt leise flirrend an; ich assoziierte eine im Sommer auf aufgeheiztem Asphalt sich bildende "Fata Morgana" im ungreifbaren Hintergrund, auch kam mir plötzlich Schönbergs Erwartung in den Sinn - und unvermittelt bricht es plötzlich, nach paar Einzeltönen aus dem Kontrafagott und der Oboe, einfach ab.

*

Es folgte Berlioz' Scène d´amour aus Roméo et Juliette - will ich gar nichts hierzu sagen, meine Sympathie für die Musiken des Franzosen hält sich arg in Grenzen.

Und, als Höhepunkt des Abends, der komplette zweite Aufzug aus Wagners Tristan und Isolde! Dass der Ticciati Oper kann, bewies er jüngst bei seinem Lindenoper-Einstand mit Rusalka - und auch Wagner steht ihm ziemlich gut; das Orchester ließ er nicht zu sehr aufbrausen, ja und für das eine oder andere schattierende Detail hatte er auch ein Faible, alles in allem also: gar nicht mal so schlecht.

Für das Solistenaufgebot konnte/ kann er wahrscheinlich nichts oder nicht allzu viel: Dorothea Röschmann und Michael Weinius waren als Titelpaar aufgestellt - die Röschmann (dermaleinst eine der besten Mozart-Sängerinnen weltweit) mühte sich sehr, dem zwanghaften Gekreische gegen das Orchester - erst ab jenem traumhaft-seligen "O sink hernieder" beruhigt sich alles nach und nach - mit bisschen Lyrik und Noblesse beizukommen; an die Souverenität von Margaret Price, die Carlos Kleiber einst für seine Plattenproduktion verpflichten ließ, kam sie nicht ran. Ja und der Weinius hielt ganz tapfer durch, und seine Textverständlichkeit war um ein Deut'chen besser noch als die der Röschmann. Grundsolide Königsroutine setzte Franz-Josef Selig (als Marke) ein, Karen Cargills Brangäne klang schön rund und orgelhaft, und die zwei Randfiguren Kurwenal und Melot inklusive ihrer Kurzauftritte steuerte Jan Remmers unauffällig bei.

Sichtbare Fluktuationen während der Aufführung waren beobachtbar, überwiegend freilich "nur" Jungspundinnen und -spunde, also große oder größere Konzert-Kinder, die mit dem Wagner restlos überfordert schienen.

Paar unverdiente Buhs auch; aber irgendwer muss sich halt immer irgendwie in Szene setzen.

Im nächsten Jahr wird es bestimmt dann noch den ersten Tristan-Aufzug geben - denn der dritte wurde letztes Jahr bereits gestemmt; Ticciati zäumt das Pferd quasi von hinten auf. Auch gut.
Andre Sokolowski - 18. Februar 2024
ID 14608
DEUTSCHES SYMPHONIE-ORCHESTER BERLIN (Philharmonie Berlin, 17.02.2024)
Charlotte Bray: A Dark Doorway (UA)
Hector Berlioz: Scène d´amour aus Roméo et Juliette
Richard Wagner: Zweiter Aufzug Tristan und Isolde
Michael Weinius, Tenor (Tristan)
Dorothea Röschmann, Sopran (Isolde)
Franz-Josef Selig, Bass (Marke)
Karen Cargill, Mezzosopran (Brangäne)
Jan Remmers, Tenor (Kurvenal, Melot)
Deutsches Symphonie-Orchester Berlin
Dirigent: Robin Ticciati


Weitere Infos siehe auch: https://www.dso-berlin.de


https://www.andre-sokolowski.de

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