Filme, Kino & TV
Kunst, Fotografie & Neue Medien
Literatur
Musik
Theater
 
Redaktion, Impressum, Kontakt
Spenden, Spendenaufruf
Mediadaten, Werbung
 
Kulturtermine
 

Bitte spenden Sie!

Unsere Anthologie:
nachDRUCK # 6

KULTURA-EXTRA durchsuchen...

Premierenkritik

Körperlicher

Paarkampf

mit Kinderchor



(C) Thalia Theater Hamburg

Bewertung:    



„Es wäre durchaus mal wieder an der Zeit für eine neue Medea-Bearbeitung.“ schrieben wir anlässlich der Aufführung von Franz Grillparzers Dramen-Trilogie Das goldene Vlies in der Inszenierung von Alexander Nerlich am Hans Otto Theater Potsdam vor gut einem Jahr. Tilmann Köhler versuchte es in der letzten Spielzeit mit der Adaption der Medea-Bearbeitung von Christa Wolf am Deutschen Theater Berlin. Nun hat Jette Steckel am Thalia Theater Hamburg wieder zu Grillparzer gegriffen und eine Art Zwei-Personen-Kammerspiel aus der Trilogie ums Goldene Vlies destilliert. Allen drei Inszenierungen gemein ist eine recht körperliche Herangehensweise an den Stoff um die Königstochter aus dem fremden Kolchis, die dem Argonauten Jason zum Goldenen Vlies verhilft, mit ihm nach Griechenland flieht, dort erst in Iolkos und später in Korinth in Ungnade fällt und verbannt wird. Da sich Jason nun ebenfalls von ihr abwendet und die Korinther Königstochter Kreusa heiratet, rächt sich Medea mit einem vergifteten Kleid für Kreusa und tötet auch ihre beiden Kinder. Ein Punkt, an dem moderne Medea-Bearbeitungen meist zu scheitern drohen.

*

Jette Steckel hat sich für ihre Medea und Jason genannte Inszenierung von Florian Lösche eine bühnenhohe Mauer aus Kleiderpaketen bauen lassen. Dort liegt Maja Schöne als Darstellerin der Medea zu Beginn in einer Nische und starrt minutenlang wortlos ins Publikum. Ein starker Beginn, dem ein erstes Abtasten mit dem Geliebten Jason (André Szymanski) folgt, der ihr die Nachricht ihrer Verbannung aus Korinth überbringt. Beide geraten daraufhin in einen Clinch zwischen Tanz und Kampf. Arena ist die sonst leere Drehbühne. Begleitet wird der körperbetonte Schlagabtausch durch die Live-Musiker Friederike Bernhardt an den Keyboards und Johannes Cotta am Schlagzeug.

Schöne und Szymanski erzählen sich hier in wechselnden Rollen die Vorgeschichte des Goldenen Vlieses, als gehörte dies zu einer Art Paartherapie. Die Teile Der Gastfreund und Die Argonauten werden so relativ kurz abgehandelt. Schauspielerisch müssen die beiden diesen Abend aber nicht ganz allein bestreiten. Jette Steckel hat ihnen einen Chor aus Hamburger Kindern [Namen s.u.] beigestellt, der hier nicht nur die beiden Kinder darstellen sollen, sondern auch als kindliche Verdoppelung des streitenden Paars fungieren. Dies wird klar durch gleiche Kostümierung, aber auch durch den zum Teil parallelen Auftritt. Wirkt Grillparzer schon sehr psychologisierend, so tut das auch Jette Steckels Zugriff mit diesem Kinderchor. Leider verliert sich das auch wieder. Im Zentrum steht schon der direkte Dialog des Paars. Die Chorpassagen mit Musik wirken da oft wie Pausenfüller.

Stark trotzdem die Szenen, in denen Medea Jason seine Feigheit vorwirft und den Willen zur Macht. Seine opportunistischen Rechtfertigungen stehen im Gegensatz zum stotterten Werben um Medea auf Kolchis, eine der gefühlvollsten Szenen des Abends. Wie Medea erst zweifelnd stumm dann doch dem Mann verfällt, ihn später aber wieder verbal und körperlich angreift. Da hat der Abend seine Stärken, kann aber trotzdem nicht über eine normale, wenn auch ungewöhnlich harsche Trennungsstory hinauskommen. Peinlich wird es, wenn Medea um ihre Kinder und schließlich unter Tränen um Verzeihung bittet. Hier schlägt unerbittlich der antike Plot zu, den es zu bewältigen gilt, samt vergiftetem Kleid für die verhasste Nebenbuhlerin Kreusa, was hier recht eindrucksvoll mit dem Belecken Medeas von Kleidungstücken aus einem der Pakete dargestellt wird. Letztendlich entscheidet sich Jette Steckel doch für einen alternativen Schluss, bei dem u.a. Heiner Müllers düsteres Medeamaterial zum Einsatz kommt, was im vorliegenden Fall aber auch nicht ganz überzeugen kann.




Medea und Jason am Thalia Theater Hamburg | (C) Armin Smailovic

Stefan Bock - 21. Oktober 2018
ID 10975
MEDEA UND JASON (Thalia Theater Hamburg, 20.10.2018)
Regie: Jette Steckel
Musik: Friederike Bernhardt und Johannes Cotta
Bühne: Florian Lösche
Choreografie: Yohan Stegli
Kostüme: Aino Laberenz
Live-Musik: Friederike Bernhardt und Johannes Cotta
Dramaturgie: Julia Lochte
Besetzung:
Medea ... Maja Schöne
Jason ... André Szymanski
Chor der Kinder: Lisa Ambokadze, Sofie Ambokadze, Johanna Alde, Tuana Arslantas, Goya Brunnert, Malo Burfeind, Alice Dik, Helene Jensen, Klarissa Klotz, Stella Koch, Marta Laubinger, Lilly Lengenfelder, Connor-Cash Leonhard, Jon Löhrs, Philine Mai, Rasmus Meyer-Loos, Klara Mittelstraß, Alina-Sophie Müller, Carla Robinson, Katerina Shabarkova, Neeltje Voller und Jascha Volz
Premiere war am 20. Oktober 2018.
Weitere Termine: 21.10. / 17., 24., 25.11. / 03., 18.12.2018


Weitere Infos siehe auch: http://www.thalia-theater.de


Post an Stefan Bock

blog.theater-nachtgedanken.de

Freie Szene

Premierenkritiken



Hat Ihnen der Beitrag gefallen?

Unterstützen auch Sie KULTURA-EXTRA!



Vielen Dank.



  Anzeigen:



THEATER Inhalt:

Kulturtermine
TERMINE EINTRAGEN

Rothschilds Kolumnen

BALLETT |
PERFORMANCE |
TANZTHEATER

CASTORFOPERN

DEBATTEN
& PERSONEN

FREIE SZENE

INTERVIEWS

PREMIEREN-
KRITIKEN

ROSINENPICKEN
Glossen von Andre Sokolowski

THEATERTREFFEN

URAUFFÜHRUNGEN


Bewertungsmaßstäbe:


= nicht zu toppen


= schon gut


= geht so


= na ja


= katastrophal


Home     Datenschutz     Impressum     FILM     KUNST     LITERATUR     MUSIK     THEATER     Archiv     Termine

Rechtshinweis
Für alle von dieser Homepage auf andere Internetseiten gesetzten Links gilt, dass wir keinerlei Einfluss auf deren Gestaltung und Inhalte haben!!

© 1999-2024 KULTURA-EXTRA (Alle Beiträge unterliegen dem Copyright der jeweiligen Autoren, Künstler und Institutionen. Widerrechtliche Weiterverbreitung ist strafbar!)