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nachDRUCK # 6

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Premierenkritik

Launiges

Typenballett



Maria Stuart am DT Berlin | Foto (C) Arno Declair

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Die Corona-Maßnahmen treiben in der Kunst und besonders am Theater mitunter seltsame Blüten. Nirgends werden die zur Eindämmung des Virus ersonnenen Hygieneregeln strikter umgesetzt und erreichen nun kurz vor dem in dieser Woche bundesweit verhängten Lockdown-Light in der letzten Premiere am Deutschen Theater Berlin ihren Höhepunkt. Anne Lenk stellt das Ensemble ihrer Inszenierung der Maria Stuart von Friedrich Schiller in ein von Judith Oswald ersonnenes Setzkasten-Bühnenbild mit symmetrisch um einen größeren Hauptraum angeordneten Einzelboxen. Die Vereinzelung der Personen macht aber durchaus Sinn, verfolgt doch in Schillers Tragödie jeder seine ganz eigenen Ziele, die sich nur scheinbar um Wohl oder Wehe der titelgebenden schottischen Königin, die sich in der Gewalt ihrer englischen Widersacherin Elisabeth I. befindet, drehen.

Bereits mit ihrer letzten, zum diesjährigen Theatertreffen eingeladenen Molière-Inszenierung Der Menschenfeind wertete Anne Lenk die Rolle der Célimène gegenüber den Männern auf. Das macht sie nun mit Schillers Maria Stuart ganz ähnlich, die auch wieder von Franziska Machens verkörpert wird. Sie steht unter dem Hauptraum in einer kleineren Box mit langem weißem Kleid und Haaren fast wie eine Büßerin, angeklagt der Verschwörung gegen die blutsverwandte englische Königin, bewacht vom dienstbeflissenen aber gerechten Sir Paulet (Paul Grill). Der einzige Mann, der hier aber noch halbwegs gut wegkommt. Die anderen treten in ihren Boxen eher als Männer-Typen auf. Unerbittlich hassend Sir Burleigh (Enno Trebs), der Maria lieber heute als morgen unter dem Henkersbeil sehen würde, oder stocksteif der Maria-Befürworter Graf von Shrewsbury (Jörg Pose). Schlau, abwartend und seine Fahne nach dem Wind drehend ergänzt Graf von Leicester (Alexander Khuon) das Beratertrio um Königin Elisabeth. Die Männer buhlen nicht nur um die Gunst der wankelmütigen Königin, sie verfolgen auch ihre persönlichen Karriereziele, was den enttäuschten Elisabeth-Günstling Lancaster sogar kurzzeitig ins Lager der Maria-Befreier wechseln lässt.

Zwei Frauen unter dem Einfluss von Männern, die sich gern reden hören und ihre Ratschläge und Urteile für die einzig richtigen halten. Dagegen opponiert Maria zwar sehr schnippisch und auch mal wütend, letztendlich aber vergebens. Ihr Leumund ist nicht der Beste, womit sie selbst noch bei der letzten Beichte von ihrem alten Freund Melville (Jeremy Mockridge) gepeinigt wird. Königin Elisabeth verzweifelt dagegen eher an der ihr abverlangten Entscheidungsrolle. Sie kann sich aus Gründen der Staatsraison nicht von den Einflüsterungen ihrer Berater emanzipieren und für die Begnadigung Marias entscheiden. Beim Duell der beiden Frauen im mittleren Hauptraum kommt es zwar nicht zum erwarteten Zickenkrieg, aber sie finden auch nicht zu einer gemeinsamen Sprache. In einem Spiel, das von Männern bestimmt wird, haben sie selbst als Königinnen nicht das Zepter in der Hand. Maria ist auf Männer wie Lancaster oder den von Jeremy Mockridge etwas überdreht und pennälerhaft dargestellten katholischen Eiferer Mortimer angewiesen. Das bekommt bei aller Albernheit, bei der Mockridge sogar die Hose herunterlässt, doch auch etwas Übergriffiges.

Anne Lenk gibt sich sichtlich Mühe, dem Schiller’schen Intrigenspiel etwas Heutiges abzugewinnen. Dabei steht ihr aber vor allem der hochtrabend pathetische Text im Weg, was sie durch etwas Ironie zu brechen versucht. Ein launiges, schräges Typenballett von lauter Einzeltänzern. Die beiden Königinnen tragen zweimal auch vergrößerte Pappmache-Köpfe wie überhöhte Idealisierungen, wohinter ihre wahren Empfindungen verschwinden. Im Kampf der beiden Frauen gibt es keine Siegerin, auch wenn die Regisseurin der Maria scheinbar etwas mehr Sympathie entgegenbringt. Am Ende steht die sie um ihre Freiheit in der Wahl in Herzensangelegenheiten beneidende Elisabeth nach dem Entscheidungs-Eiertanz (mit Caner Sunar als etwas überfordertem Staatssekretär Davison) um das Todesurteil der Maria zu guter Letzt ziemlich allein da.



Maria Stuart am DT Berlin | Foto (C) Arno Declair

Stefan Bock - 31. Oktober 2020
ID 12569
MARIA STUART (Deutsches Theater Berlin, 30.10.2020)
Regie: Anne Lenk
Bühne: Judith Oswald
Kostüme: Sibylle Wallum
Musik: Camill Jammal
Licht: Cornelia Gloth
Dramaturgie: David Heiligers
Mit: Julia Windischbauer (als Elisabeth), Franziska Machens (als Maria Stuart), Alexander Khuon (als Graf Leicester), Jörg Pose (als Graf Shrewsbury), Enno Trebs (als Graf Burleigh), Paul Grill (als Amias Paulet), Caner Sunar (als Wilhelm Davison und Graf Aubespine) sowie Jeremy Mockridge (als Mortimer und Melvil)
Premiere war am 30. Oktober 2020.
Letzter Termin: 31.10.2020


Weitere Infos siehe auch: https://www.deutschestheater.de/


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