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vom Tod...



Sophie Wendt als Hollywood-Schauspielerin bei Wie stirbt man schnell und schön im TamS München | Foto (C) Jean Marc Tumes

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Was will der Mensch? Solange er lebt, mag er nicht sterben. Nicht ums Verrecken. Aber wissen will er schon, wie der Tod so vor sich geht. Woran man im letzten Moment denkt: an die Hinterlassenschaft vielleicht? Oder eher die unaufgeräumten Schubladen. Was kommt danach? Und vor allem: Was passiert vor dem Sterben? Während dieser „Unterbrechung zwischen Tod und Tod, die man Leben nennt“, so Franz Werfel.

Doch erstmal:

Wie stirbt man schnell und schön?

Dieser durchaus praktischen Frage stellen sich drei Menschen: Sophie Wendt, Helmut Dauner und Lorenz Seib. Erst mal scheitern sie, jeder für sich und alle gemeinsam. Nichts funktioniert – weder das Vergiften, das Erschießen, das Ersticken, noch das Erhängen am Mikrophonkabel mit Trauerkranz… Da bietet es sich an, bei erfolgreichen Beispielen nachzusehen. Aber die sind auch nicht unbedingt ermutigend. Wie die makabre Geschichte von der lebensmüden Hollywood-Schauspielerin. Sie nahm wohlfrisiert in einem weißen Blumenmeer Tabletten, um ganz sicher eine schöne Leiche abzugeben. Leider wurde ihr schlecht, und sie ertrank jämmerlich in der schmutzigen Toilette. Da braucht es einen ordentlichen Schluck aus der Flasche, bevor das ebenso seltsame wie fabelhafte Trio sich wenigstens auf eine Gewissheit einigen kann: Man stirbt schon am Tag der Geburt. Abwärts geht es von Anfang an. Weshalb auch alle Darsteller von oben eine steile Treppe herunterklettern müssen, um die Szene zu betreten. Rauf auf diese Himmelsleiter schafft es niemand.

Dabei ist das Paradies, ein grünes Stück Urwald im Glaskasten, gleich nebenan. Aber wer darin spricht, dringt nach draußen kaum noch durch. Das schafft nur die großartige Stimme von Sophie Wendt, als sie - sekundiert von ihren beiden Partnern - „Forever young“ intoniert. Ansonsten kann man darin bloß noch einen Kanarienvogel beerdigen. Das eigene bisschen Natur - dafür stehen wohl mühsam gehegte Blumentöpfe – hat die Sängerin eben aus Ungeschicklichkeit zerdeppert. Antworten auf die Fragen ihres Lebens suchen alle drei lieber im Glückskeks. Deren papierene Sinnsprüche aber reichen nicht aus. Multiple choice führt zeitgemäß weiter. „Wobei fühlen Sie sich am lebendigsten? c) Beim Mülltrennen. Was stört sie an Begräbnissen? d) Der Anlass.“

Der poetischen Navigation dient vor allem die Literatur als Kompass. Die drei ziehen ihn immer wieder zu Rate: „Wo wird einst des Wandermüden/ Letzte Ruhestätte sein?“ zitieren sie Heinrich Heines Grabplatte. „Jedes legt noch schnell ein Ei, / Und dann kommt der Tod herbei“, dichtete Wilhelm Busch über das Federvieh der Witwe Bolte - und siehe da, hier passt es auch. Wundersame Zitate poppen auf: Storm, Goethe und Ibsens anrührende Szene, als es mit Peer Gynts Mutter zu Ende geht.

Und dann die vielen Lieder, welche die drei so trefflich und unangestrengt singen. Sie verleihen dem Abend einen besonderen Charme und Rhythmus. Der Boden spannt sich von „Es wird in 100 Jahren wieder so ein Frühling sein“ bis zu den „Passacaglia della Vita“ des Stefano Landi aus dem 16. Jahrhundert: „Homo fugit velut umbra“ – der Mensch flieht wie ein Schatten.

*

Eine kleine und feine Inszenierung (Lorenz Seib), leicht und klug, zwischen Heiterkeit und absurder Komik, Melancholie und Trauer. Sie klingt bei verlöschendem Licht langsam und zart aus - mit Haydns Kanon „Tod ist ein langer Schlaf“.

Unbedingt hingehen! Man verlässt das TamS, dieses kleine und idyllische Theater in der Schwabinger Haimhauserstraße, dessen Inszenierungen zu Recht immer wieder hoch gelobt werden, mit einem Lächeln.



Am Eingang empfängt einen noch heute das Bild von Philip Arp, der das TamS vor fast 50 Jahren zusammen mit Annette Spola gründete. Berühmt war es sofort für seine Valentinaden. | Foto: Petra Herrmann

Petra Herrmann - 5. Juli 2019
ID 11549
WIE STIRBT MAN SCHNELL UND SCHÖN (Theater am Sozialamt, 04.07.2019)
Regie: Lorenz Seib
Co-Regie: Axel Röhrle
Musikalische Leitung: Maria Collien
Bühne & Kostüm: Claudia Karpfinger und Katharina Schmidt
Licht: Barbara Westernach
Dramaturgie: Adrian Herrmann
Mit: Sophie Wendt, Helmut Dauner und Lorenz Seib
Uraufführung war am 28. Juni 2019.
Weitere Termine: bis 27.07.2019


Weitere Infos siehe auch: http://www.tamstheater.de


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