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nachDRUCK # 6

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Uraufführung

Monolog für

einen Sohn

in der Krise


VATER von Dietrich Brüggemann


Foto (C) Arno Declair

Bewertung:    



Der deutsche Filmemacher Dietrich Brüggemann - bekannt durch Kinofilme wie das auf der Berlinale preisgekrönte Stationendrama Kreuzweg, die Nazisatire Heil oder die Beziehungskomödie 3 Zimmer/Küche/Bad - hat sein erstes Theaterstück geschrieben. Es heißt kurz Vater und ist der Monolog eines Sohns am Bett des sterbenden Vaters. Das klingt recht existenzialistisch schwer, ist es aber nicht wirklich, hat Brüggemann doch ein recht gutes Gespür für Humor und Ironie. An Monologen für die Bühne mangelt es derzeit nicht. Lebensbeichten sind da besonders beliebt, und im Grunde ist Vater nichts anderes als eine in den Zeiten vor- und rückspringender Bilanz des Sohns über sein bisheriges Leben und das Hadern mit verpassten Gelegenheiten und falschen Entscheidungen, die er maßgeblich auf die Figur seines Vaters zurückführt, der nicht nur ständig in seinem Kopf spukt, sondern bleischwer in ihm steckt und ihn im wahrsten Sinne des Wortes blockiert und hemmt.

Den Sohn Michael, einen Mann Mitte Dreißig, gibt der DT-Schauspieler Alexander Khuon, der bereits in Brüggemanns Film 3 Zimmer/Küche/Bad die Rolle eines zwischen zwei Frauen schwankenden jungen Mannes gleichen Namens spielte. Wenn man so will eine Vertiefung des Stoffs auf der Theaterbühne. Gerade hat Nina, eine neue Flamme Michaels, per SMS mit ihm Schluss gemacht. Und während er mit einer Antwort noch hadert, sprudelt plötzlich seine ganze bisherige Misere aus ihm heraus. Ein traumatisches Kindheitserlebnis wird sicher jeder Sohn (aber auch so manche Tochter) mit dem Vater in Verbindung bringen. Die Weltliteratur ist voll von klagenden Briefen an den Vater. Viel Neues kann man darüber kaum noch erfahren. Bei Michael ist es die Missachtung der Leidenschaft des 5jährigen Sohns für den Schlagersänger Heino durch den schreienden Vater, der ihm nun immer wieder groß und höhnisch lachend am Horizont erscheinen wird. Sei es nun beim Treffen mit Katja im Restaurant oder mit Desiree allein am Ostseestrand. Aber Brüggemann lässt seinen Michael nicht in Verzweiflung und Selbstmitleid versinken.

*

Mit viel Selbstironie und fast schon kabarettistischem Spaß spielt Alexander Khuon den jungen Orientierungslosen in der Krise seiner Männlichkeit und verkörpert selbst die Frauen, die er vergebens anhimmelte oder mit denen er kurze, erfolglose Beziehungen führte, sowie alle weiteren Personen, die sein Leben streiften. Und das macht Khuon auf sehr anschauliche Weise. In Mimik und Gestik springt er in immer neue Charaktere wie die unerreichbare Desiree, seine Dauerfreundin Katja, die vom Vater kleingemachte und verlassene Mutter oder die Tanten, die von den weiteren Frauengeschichten ihres Bruders berichten, wie etwa eine frustrierte, vom Vater wieder abgelegte Stiefmutter. Zur Illustration seiner Erzählung knippst Khuon immer wieder Lichtkästen mit Röntgenbildern von Schädeln und Körpern der Personen an. Eine Tiefendurchleuchtung auf der Suche nach sich selbst.

Viel wird über Frauen- und Männerbilder geredet und warum es bei einigen eben nie klappt. Als Referenzperson dient Michael da aber nicht nur sein ansonsten komatös im Bett liegender Über-Vater (hier in stummer Rolle Michael Gerber), von dessen wachsendem Tumor er träumt, sondern Über-Kumpel Sven, der für alle Probleme immer eine gute Erklärung parat hat. Mit „Sven sagt...“ beginnen diese gönnerhaften Lehrstunden in Sachen Frauen. Eine davon ist die von den Schafen und den Hunden. Wobei die Frauen natürlich nur auf die Hunde stehen. Eine andere handelt von der zweiten Wahl, die wohl auch die Grundlage der gescheiterten Ehe von Michaels Eltern war. Eine ernüchternde Absage an die große Liebe. Aber das Autor-Ego Michael philosophiert auch noch über das Problem der ersten und zweiten Geige als Ausdruck männlicher Dominanz, und die scheint hier vererbbar.

Die Selbstbefreiung vollzieht sich aber gerade in der Bewusstmachung dessen, dass man wohl zeitlebens nicht von seinem Vater loskommen wird. Und wie um das zu beweisen, irrlichtert dann plötzlich der bis dahin regungslos im Bett Liegende durch das Krankenzimmer auf der Suche nach seinem Erzeuger. Auch für Michaels Vater war das Wort des Vaters immer Gesetz. Ein wohl niemals endendes Trauma erfährt nun doch auch Michael per SMS von künftigen Vaterfreuden.



Vater am DT Berlin | Foto (C) Arno Declair

Stefan Bock - 27. November 2017
ID 10396
VATER (Box, 25.11.2017)
Regie: Dietrich Brüggemann
Bühne / Kostüme: Janja Valjarevic
Dramaturgie: Joshua Wicke
Mit: Michael Gerber und Alexander Khuon
Uraufführung am Deutschen Theater Berlin: 11. November 2017
Weitere Termine: 06., 16., 28.12.2017


Weitere Infos siehe auch: http://www.deutschestheater.de


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