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nachDRUCK # 6

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Thema

Charme-

Offensive

in München

Matthias Lilienthal
in freundlicher
Umarmungspose


(C) Münchner Kammerspiele


Der aus Neukölln stammende Weltenbürger und Theatermensch Matthias Lilienthal (der in der jüngsten Zeit als eine Art von "Strippenzieher" hinsichtlich des großen Volksbühne-Entscheids Berliner Stadtkämmerer bei paar neunmalklugen deutschsprachigen Feuilletonschreibern unter Verdacht geriet) verantwortet die Münchner Kammerspiele ab dem Herbst 2015.

Dass die Zuständigen in der Bayerischen Landeshauptstadt so viel Mut und so viel Überzeugung aufzubringen in der Lage waren, ausgerechnet ihn - einen der allergrößten Querköpfe aber auch allergrößten Wundertäter des Theaters allgemein und im Besonderen - für diesen eigentlich doch elitären Posten einer eigentlich doch elitären Bühne einer eigentlich doch elitären Metropole vorzuschlagen, zu bestellen und letztlich zu engagieren, muss an sich bereits als Sensation bezeichnet sein!

Jetzt hat er seine erste Spielzeit in den Tüchern und kündigt sie selbstbewusst auf der (ab 1. 8. offiziell in Augenschein zu nehmenden) neuen Theater-Homepage an...

Wir haben also sein zutiefst bewegendes und menschlich anrührendes, aber auch womöglich "umsturzreiches" Münchner- Kammerspiele-Statement auf http://www.muenchner-kammerspiele.de/2015-16/index.html gelesen und erlauben uns, den schönen Text hier weitstreuender Weise Preis zu geben:



"Liebes Publikum,

die Münchner Kammerspiele sind ein Theater, in dem ein ganz besonderer, ein freier künstlerischer Geist herrscht. Um das großartige Ensemble wird das Haus im gesamten deutschsprachigen Raum und darüber hinaus zu Recht beneidet. Die Kammerspiele sind ein Gegenüber, das der Stadt München und den Menschen, die hier leben und arbeiten, auf Augenhöhe begegnet: stets im Austausch, oft genug auch in einem kreativen Reibungsprozess der intellektuellen Auseinandersetzung. Ich hoffe, dass wir der Verantwortung, die wir für diese traditionsreiche Einrichtung haben, gerecht werden können. Dafür brauchen wir Ihre Unterstützung und Ihre wache Aufmerksamkeit.

Noch vor dem 'offiziellen' Beginn der Spielzeit geht das Theater in die Stadt hinaus. Gemeinsam mit jungen Architekten, die einen von raumlaborberlin organisierten Wettbewerb gewonnen haben, errichten wir Wohnungen – 'Shabbyshabby Apartments', die sich auch weniger gut betuchte Menschen leisten können. Mit dieser künstlerischen Intervention möchten wir auf die Verknappung von bezahlbarem Wohnraum in München und die Gefahr der sozialen Spaltung in der Stadt aufmerksam machen. Sie sind eingeladen, in den ungewöhnlichen, schrägen, fantasievoll gestalteten Räumlichkeiten zu übernachten. Am nächsten Morgen gibt’s Frühstück in der Kantine der Kammerspiele – eine gute Gelegenheit, sich mit anderen Besuchern über das Erlebte auszutauschen.

Wir freuen uns sehr, dass Nicolas Stemann in der ersten Spielzeit drei Arbeiten bei uns realisieren und als Hausregisseur auch der Ansprechpartner für das Ensemble sein wird. Ab der Spielzeit 2016/17 kommt ein weiterer bedeutender Protagonist des Gegenwartstheaters, Christopher Rüping, als Hausregisseur dazu. Gemeinsam mit einer Gruppe von rund dreißigjährigen Regisseuren wie Simon Stone, Anna-Sophie Mahler, Felix Rothenhäusler, Alexander Giesche und dann auch Susanne Kennedy, Yael Ronen und Julien Gosselin wird er einen Generationswechsel einleiten. Eine Reihe von Künstlern und Mitarbeitern bringe ich aus meiner Zeit am Hebbel am Ufer in Berlin nach München mit. Ich öffne das Haus für Gruppen aus der freien Szene, für Rimini Protokoll, She She Pop und Gob Squad – alles Künstler, deren Arbeit bereits mit Einladungen zum Berliner Theatertreffen gewürdigt worden ist. An den Kammerspielen werden sie ihre Produktionen – nicht nur, aber auch – gemeinsam mit dem Ensemble entwickeln. Genauso wichtig wird es für uns sein, mit Kollektiven wie FUX zusammenzuarbeiten, drei Studenten des Instituts für Angewandte Theaterwissenschaft in Gießen, die gerade erst anfangen, Theater zu machen oder dass der ungarische Musiker und Regisseur David Marton behauptet, ein Opernhaus gründen zu wollen. Etablierte und junge Künstler, freies Theater und Stadttheater sollen sich so lange vermischen, bis nicht mehr erkennbar, es einfach nicht mehr relevant ist, welcher Abend unter den Bedingungen welcher Produktionsstruktur entstanden ist.

Johan Simons hat maßgeblich zur Internationalisierung der Münchner Kammerspiele beigetragen. Diese Arbeit setze ich fort, ersetze aber Gent durch Paris (mit dem Regisseur Philippe Quesne) und Antwerpen durch Tokio (mit dem Autor und Regisseur Toshiki Okada). Ich möchte eine künstlerische Brücke in beide Metropolen schlagen und einen breit angelegten Austausch aufbauen. Aus Beirut, wo ich nach meiner Zeit am Hebbel am Ufer ein Jahr lang Studenten unterrichtet habe, hole ich Rabih Mroué zu uns nach München. Auf Arabisch wird der Bildende Künstler, Performer und Regisseur eine Produktion über das Verhältnis von Gewalt und Politik entwickeln. Wir bewegen uns alle in einer globalisierten Welt. Das soll sich in den Kammerspielen abbilden. Wir nehmen Sie mit auf die Reise.

Das Ensemble ist das Herz der Kammerspiele. Großartig ist, dass die Schauspieler Peter Brombacher, Katja Bürkle, Anna Drexler, Walter Hess, Brigitte Hobmeier, Christian Löber, Stefan Merki, Jochen Noch, Annette Paulmann, Wiebke Puls und Thomas Schmauser fest im Ensemble bleiben. Aber auch, dass andere hinzukommen: z.B. Gundars Āboliņš, der Protagonist des Theaters von Alvis Hermanis in Riga. Vom HAU bringe ich Damian Rebgetz mit, der als australischer Performer und Musiker neue Akzente einbringt, auch die serbische Sängerin Jelena Kuljić oder den Schauspieler Niels Bormann kenne ich aus dieser Zeit. Mit einer Gruppe von jungen neuen Schauspielern, wie Hassan Akkouch, Thomas Hauser, Franz Rogowski, Samouil Stoyanov und dem Kölner Jungstar Julia Riedler, wird sich das Ensemble deutlich verjüngen.

München agiert wirtschaftlich ungeheuer erfolgreich. Viele Mitarbeiter der großen Unternehmen sprechen eher Englisch. Viele der Flüchtlinge, die aus den Krisengebieten an den Außengrenzen Europas und von noch weiter her in die Stadt kommen, sprechen überhaupt kein Deutsch. Aus diesem Grund werden wir möglichst viele Vorstellungen auf Englisch übertiteln.

Viele der Schauspieler sprechen von den Kammerspielen als Kammer, so wie alle selbstverständlich wissen, was das Resi ist. Als wir uns mit der Frage zu beschäftigen begannen, in welche Richtung sich unser Theater bewegen, worin seine innere Logik bestehen könnte, hatten wir den Eindruck, dass die historisch gewachsene Namensgebung der verschiedenen Spielstätten – Schauspielhaus, Neues Haus und Spielhalle, Blaues Haus und Werkraum – ein wenig verwirrend geworden ist. Wir möchten das vereinfachen und diese Orte nach Größe durchnummerieren. Das Schauspielhaus heißt von nun an Kammer 1, die Spielhalle ist die Kammer 2 und der Werkraum die Kammer 3. Alle Spielstätten zusammen sind und bleiben die Münchner Kammerspiele.

Überhaupt wird die Kampagne, mit der wir uns in München und im überregionalen Kulturleben vorstellen, mit vielen Assoziationen herumspielen, die das Wort 'Kammer' freisetzt: die Wunderkammern, die Kammern des Verdrängten, das Kammerflimmern, die Gerichtskammern. In meinem Heimatbezirk Berlin-Neukölln gibt es eine Kultur, sehr direkt von seinen Problemen zu erzählen. Das kann einem durchaus auf die Nerven gehen. In München ist es genau umgekehrt. Da gibt es eine Vornehmheit, die Probleme eher verbirgt. Was dem Blick der Öffentlichkeit entzogen ist, was wir tun, wenn wir alleine sind, davon erzählen die Kammern. Wir sind sehr glücklich darüber, dass der Bildende Künstler Wolfgang Tillmans für uns sein Archiv geöffnet und bislang unveröffentlichte Fotos, die er mit der 'Kammer' assoziiert, herausgesucht hat. Das Ergebnis sind die Fotostrecken in dem Spielzeitheft, das Sie in der Hand halten.

Die Aufnahmen der Schauspieler, der neuen und alten Mitglieder unseres Ensembles, sind allerdings nicht vor der Linse des prominenten Fotokünstlers entstanden, sondern wurden bei einer kleinen Aktion im Kreise der Belegschaft gemacht. Es sind Xeroxbilder, für die alle Beteiligten ihr Gesicht auf die Glasscheibe unserer Hauskopierer gelegt haben. Das ist ein von Chris Rehberger, dem Designer unserer Imagekampagne, bewusst gewählter Gegensatz zu der ebenso artifiziellen wie authentischen Autorenfotografie von Wolfgang Tillmans. Denn die 'Kammer' steht auch für 'dicht zusammen' und 'nah dran sein'. Die Kammerspiele waren schon immer ein intimer Entfaltungsraum für Schauspieler, und die Direktkopie ist die unmittelbarste, dichtestmögliche Abbildung des Gesichtes. So nah kommt man den Bühnenprotagonisten selten. Bei der Kopiererparty haben sich auch viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Theaters ablichten lassen – einige davon tauchen stellvertretend für die ganze Belegschaft zwischen den Ensemblebildern auf.

Ich möchte, dass die Kammerspiele ein junges Theater sind. Für einen Preis von 80 Euro können Studierende das Haus ab der kommenden Spielzeit so oft besuchen wie sie wollen. Die einzige Ausnahme sind Konzerte. Die könnten wir sonst nicht finanzieren. Ich würde mich freuen, wenn die Kammerspiele für sie so etwas wie ihr Lieblingswohnzimmer, ihr Lieblingsclub werden könnten.

Apropos nah dran – Sie können mich ab sofort zu Hausbesuchen einladen: Wenn Sie es schaffen, mindestens 10 Freunde in Ihrem Wohnzimmer zu versammeln, dann erzähle ich Ihnen anhand von Videobeispielen, was wir in der kommenden Spielzeit vorhaben, auf welches Programm Sie sich freuen können. Ich bleibe aber auch außerhalb dieser Aktion immer für Sie ansprechbar. Wenn etwas nicht so ist, wie Sie es sich wünschen würden, dann kommen Sie einfach auf mich zu, gerne auch beim Theaterbesuch im Foyer.

Es liegen spannende Aufgaben vor uns. Das neue Ensemble, das neue Team, wir alle müssen uns erst einmal finden. Ich bin neugierig, was wir in dieser Stadt mit Ihnen, dem Publikum, erleben werden. Ich hoffe, es gelingt uns einiges, anderes wird misslingen. Immer aber werden wir versuchen, etwas zu riskieren.

Mit freundlichen Grüßen,

Matthias Lilienthal"


(Quelle: muenchner-kammerspiele.de/2015-16/index.html)




Das liest sich gut, oder?

Wir wünschen: Toi, toi, toi!



Münchner Kammerspiele - Foto (C) Christian Wolf | Bildquelle: Wikipedia

Andre Sokolowski - 17. Mai 2015
ID 8644
MÜNCHNER KAMMERSPIELE 2015/16:

SHABBYSHABBY APARTMENTS

Probewohnen vom 12. September bis 13. Oktober 2015

DER KAUFMANN VON VENEDIG
Inszenierung: Nicolas Stemann
Premiere: 9. Oktober 2015 (Kammer 1)

ODE TO JOY
von Rabih Mroué
Premiere: 10. Oktober 2015 (Kammer 2)

PEACHES CHRIST SUPERSTAR
von und mit Peaches
Münchner Premiere: 10. OKTOBER 2015 (Kammer 1)

ADOLF HITLER: MEIN KAMPF, BAND 1 & 2
von Rimini Protokoll
Münchner Premiere: 11. Oktober 2015 (Kammer 1)

YESTERDAY YOU SAID TOMORROW
von Giescheand
Premiere: 12. Oktober 2015 (Kammer 3)

ROCCO UND SEINE BRÜDER
Inszenierung: Simon Stone
Premiere: 14. Oktober 2015 (Kammer 1)

DAS VORSPRECHEN
Inszenierung: Boris Nikitin
Premiere: 3. November 2015 (Kammer 2)

MITTELREICH
Inszenierung: Anna-Sophie Mahler
Uraufführung: November 2015 (Kammer 1)

DIE KONTRAKTE DES KAUFMANNS 2015 FF.
Inszenierung: Nicolas Stemann
Münchner Premiere: November 2015 (Kammer 1)

NICHTS VON EUCH AUF ERDEN
Inszenierung: Felix Rothenhäusler
Uraufführung: Dezember 2015 (Kammer 2)

DER SPIELER
Inszenierung: Christopher Rüping
Premiere: Dezember 2015 (Kammer 1)

CASPAR WESTERN FRIEDRICH
Inszenierung: Philippe Quesne
Premiere: Januar 2016 (Kammer 1)

LA SONNAMBULA
Inszenierung: David Marton
Premiere: Januar 2016 (Kammer 3)

50 GRADES OF SHAME (AT)
von She She Pop
Premiere: März 2016 (Kammer 1)

WAR AND PEACE (AROUND A KITCHEN TABLE) (AT)
von Gob Squad
Premiere: März 2016 (Kammer 1)

WUT
Inszenierung: Nicolas Stemann
Uraufführung: April 2016 (Kammer 1)

AMÉRICA
Inszenierung: Stefan Pucher
Premiere: Mai 2016 (Kammer 1)

HOT PEPPER, AIR CONDITIONER AND THE FAREWELL SPEECH
von Toshika Okada
Münchner Premiere: Juni 2016 (Kammer 2)

DIE HOCHZEIT DES FIGARO
Inszenierung: David Marton
Premiere: Juni 2016 (Kammer 1)


Weitere Infos siehe auch: http://www.muenchner-kammerspiele.de


Post an Andre Sokolowski

http://www.andre-sokolowski.de



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