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nachDRUCK # 6

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Premierenkritik

Schatten der

Vergangenheit



Sophie Basse als Kate (links) und Sina Martens als Cathy in Jenseits von Eden am Theater Bonn | Foto (C) Thilo Beu

Bewertung:    



Einen bildgewaltigen, starken und berührenden Auftakt für die neue Saison am Theater Bonn schafft Regisseurin Alice Buddeberg mit ihrer Premiere von Jenseits von Eden in den Kammerspielen. Ein wahrer Kraftakt - die 700seitige Romanvorlage, eine Familiensage des US-amerikanischen Literaturnobelpreisträgers John Steinbeck von 1952 - wird von ihr und Dramaturgin Nina Steinhilber theatral originell übersetzt, mit herausragenden schauspielerischen Leistungen. Buddeberg und Steinhilber zeigen in ihrer Bühnenbearbeitung, dass sich Grundkonflikte in einer Familiengeschichte über drei Generationen wiederholen, indem sie zeitliche Ebenen nebeneinanderspielen lassen und kunstvoll miteinander verschränken. Der Vater (Wolfgang Rüter) sieht sich als Sohn (Sören Wunderlich), die Mutter (Sophie Basse) beurteilt sich als junge Frau (Sina Martens). Erzählungen über die eigene Vergangenheit werden mit szenischem Spiel glaub- und bildhaft gemacht. Gleichzeitig werden die familiären Konflikte immer auch aufs Allgemeinmenschliche überhöht, wenn sie auf biblische Mythen von Sündenfall und Brudermord verweisen und Figuren sich in einem Netz zwischen Gut und Böse selbst dem einen oder anderen zuordnen und damit nicht zwangsläufig immer richtig liegen.

Größte Angst eines Kindes ist es, nicht geliebt zu werden. Zwei Brüder (Sören Wunderlich und Hajo Tuschy) konkurrieren erst um die Gunst und Liebe des Vaters und dann um die Liebe der Freundin, die beiden Avancen macht. Die Geschichte von Adam und Charles ist gleichzeitig die Geschichte der jüngeren Generation, Aron und Caleb. In der jüngeren Generation wird eine väterliche Zurückweisung Auslöser einer tragischen Verkettung von Ereignissen. Bevor diese folgenreiche Zurückweisung als erste Szene in den Bonner Kammerspielen effektvoll szenisch dargestellt wird, gibt ein Tonband die biblische Erzählung von Kain und Abel wieder, während die Darsteller ins Publikum blicken. Bewusst durchbricht Buddeberg Steinbecks formelhafte, auf dem Bibelmythos gründende Vorgabe, dass alle Figuren gut sind, deren Namen mit einem „A“ beginnen und alle Figuren das Prinzip Böse vertreten, deren Namen mit einem „C“ oder „K“ beginnt. Buddeberg fragt vielmehr, ob sich die Zeit zurückdrehen lässt, wie es dazu kommen konnte und ob die ungünstigen Verstrickungen tatsächlich Vorgaben des Schicksals sind. Vor den Augen des Publikums entrollt sich nun ineinander kunstvoll verschachtelt über Generationen hinweg die Vorgeschichte, die verschiedene Stimmen sprechen lässt.

Die Darsteller interagieren zunächst vor einer provokant machtvollen, über alles gelegten Blümchentapete, auf der auch bunte Vögel und Hirsche abgebildet sind (Bühnenbild: Sandra Rosenstiel). Doch der paradiesische Schein des an Geschenkpapier erinnernden Raumes trügt. Auf der Bühne kommt es zu schwerwiegenden Konflikten. Nach dem Tode des Vaters und dem Kriegsdienst begegnen sich zwei erwachsene Brüder voller vorwurfsreicher Entfremdung. Ihre zaghafte Annäherung wird durch das plötzliche Auftreten von Cathy Ames unterbrochen, die manipulativ, durchtrieben und verdorben-amoralisch die Brüder wieder entzweit, indem sie mit einem der beiden schläft und den anderen heiratet. Sie verlässt letzteren wieder und lässt dabei auch zwei Söhne zurück. Eine Familie zerbricht hier mit der Selbstaufgabe und dem gleichzeitigen Freiheitsdrang der Mutter. Der Vater hofft mit den Söhnen auf einen Neubeginn. Doch die Harmonie ist stets getrübt, denn zwischen den Söhnen herrscht Eifersucht und Neid. Generationen lernen ihre Lektion trotz der stets anwesenden Vergangenheit aufs Neue, und die Hoffnung bleibt bis zuletzt. Die Blumentapete weicht einem Bühnenbild voller Äpfel, die auch auf das Publikum immer wieder zurollen. Es gibt rührende Szenen, wenn sich Mutter und Sohn wieder einander annähern. Mit Suggestivkraft und vieldeutigen Anspielungen eröffnen sich unterschiedliche Sichtweisen, dass das Leben immer so oder auch hätte anders verlaufen können. Doch wäre es dann unbedingt besser gewesen? Sehenswert.



Hajo Tuschy als Aron und Ensemble in Jenseits von Eden am Theater Bonn | Foto (C) Thilo Beu
Ansgar Skoda - 26. September 2015
ID 8900
JENSEITS VON EDEN (Kammerspiele Bad Godesberg, 17.09.2015)
Regie: Alice Buddeberg
Bühne: Sandra Rosenstiel
Kostüme: Martina Küster
Musik: Stefan Paul Goetsch
Dramaturgie: Nina Steinhilber
Licht: Max Karbe
Besetzung:
Adam Trask ... Wolfgang Rüter
Kate … Sophie Basse
Adam Trask (jung)/ Caleb Trask … Sören Wunderlich
Charles Trask/ Aron Trask … Hajo Tuschy
Cathy/ Abra … Sina Martens
Premiere war am 17. September 2015
Weitere Termine: 26. + 27. 9./ 1., 9., 18. + 23. 10. 2015


Weitere Infos siehe auch: http://www.theater-bonn.de/


Post an Ansgar Skoda

http://www.ansgar-skoda.de



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