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Neue Stücke

Karriere-Texte von Gerhild Steinbuch, Ferdinand Schmalz und Dirk Laucke



Karriere | Foto (C) LICHTHOF Theater

Bewertung:    



„Er hat zwei Büros, in Kiel und in Berlin. Und fürs Renommee `ne Villa im Tessin“, sang 1967 Hildegard Kneef in dem Carl Niessen-Song Er setzt mich von der Steuer ab. Das Brettspiel zum Lied hatte bereits 1955 der US-amerikanische Soziologe und Science-Fiction-Autor James Cooke Brown für Parker entwickelt. In der Anleitung zu seinem Brettspiel "Karriere" heißt es: „Was bedeutet Ihnen Erfolg? Ruhm? Vermögen? Glück? Zum selbstgesteckten Ziel führt die geplante Karriere: durch Widerwärtigkeiten, Mißgunst, jähen Aufschwung, schwierige Entscheidungen.“ Und bei erfolgreichem Durchlauf winkt dann auch der vielbesungene Ruhesitz im Tessin.

*

Davon [s.o.] ausgehend haben der deutsche Dramatiker Dirk Laucke, der gerade in Berlin bei den Autorentheatertagen reüssierende Bühnenautor Ferdinand Schmalz und seine österreichische Kollegin Gerhild Steinbuch zu den drei Spielzielen Ruhm, Glück und Vermögen kurze Texte entwickelt, die die junge Hamburger Regisseurin Kathrin Mayr für ihre LICHTHOF Theater-Inszenierung Karriere zu einem recht interessanten Theaterabend zusammengefügt hat.

Im Bühnenbild von Fabian Wendling, bestehend aus drei halbkreisförmigen, zum Iglu zusammengestellten Kletterbrücken, hängen die Schauspieler Irene Benedict, Alexander Jaschik und Mathis Kleinschnittger in drei aufgeblasenen, schwarzen Luftanzügen wie kurz vorm Absprung zum Karrierestart. Die im Text von Dirk Laucke als drei Möwen bezeichneten Protagonisten scheinen aber irgendwie zwischen den Sprossen des Gerüstes steckengeblieben zu sein. Am Anfang des Abends dreht es sich dann auch um das fürs allgemeine Karrierespiel unerlässliche Geld, das der eine sich hart und ehrlich erarbeiten muss und dem anderen einfach so durchs Erben in den Schoß fällt. Es geht ums Haben, Nichthaben und Teilen. Denn so richtig glücklich mit seiner Situation ist hier keiner. Den einen plagt der Stolz, den anderen das schlechte Gewissen. Laucke verbindet den durchaus gesellschaftskritischen Diskurs der Drei mit ironischen Seitenhieben auf die Karrieresituation im Theaterbetrieb, den allgemeinen Arbeitsmarkt und die kollektive Selbstoptimierung, als den Gründungsmythos der Freiheit, der schließlich als heiße Luft aus den dicken Anzügen entweicht.

Jeder ist seines Glückes eigener Schmied. Auch so ein neoliberaler Spruch, mit dem man den zweiten Teil des Abends überschreiben könnte. Dabei klettert nun jeder der drei Darsteller auf seiner eigenen gebogenen Karriereleitern herum. Ferdinand Schmalz spielt in seinem Text übers Glück den Werdegang eines Egon Erich genannten Mannes von der Geburt über Matura und Studium bis zum Topseller einer Firma durch. In seiner gewohnt poetisch bis kalauernd daherkommenden Textfläche geht es um die Suche nach dem Glück in der Arbeit, im stetigen Tanz entlang der Karriereleiter, bis sich beim Protagonisten erste Selbstzweifel und Unsicherheiten breit machen. Nachdem mit 30 alles erreicht ist, gerät die Wunschwurstmaschine (Schmalz bleibt seinen Lebensmittelmetaphern treu) ins Stocken. Die Party ist aus, und Egon Erich drängt sich plötzlich mit anderen auf der Brücke, bereit zum Absprung nach unten. „Der Glückswunsch ist eine tanzgeile Sau und das Glück eine Hure.“

Nach dem Lebensmotto des Fernsehmoderators mit dem berühmten (Glücks)Schweinderl Robert Lembke („Anerkennung ist eine Pflanze, die vorwiegend auf Gräbern wächst.“) beschließt im dritten Teil eine Frau, vermutlich auch mit einer mehr oder weniger erfolgreichen Karriere beim Fernsehen - es ist vom Glücksrad die Rede - ihr krankheitsbedingtes Sterben zum medialen Ereignis zu machen. Der Preis für den letzten Ruhm ist der Tod im Rampenlicht. Den Soloauftritt von Irene Benedict unter den nun tunnelartig hintereinander aufgestellten Gerüstbögen kann man sicher als Höhepunkt des Abends bezeichnen. Auch der Text der Grazer Dramatikerin Gerhild Steinbuch ist eine Entdeckung. Das Ausbreiten einer ganzen poetischen „Gefühlslandschaft“. Unter dem Spotlight einer selbstgehaltenen Leuchte spricht die Frau von der Angst des Kontrollverlustes, einem zunehmenden Fremdkörpergefühl und vom würdevollen Sterben. Ironisch gebrochen wird die Pathetik mit Tränen aus zerdrückten Zwiebeln und den höhnischen Kommentaren der Männer von der Seite, die die Frau schließlich wie eine Heilige mit Gaffer-Tape unter die Gerüstbögen hängen. Und zum schönen Bild vom schöner Sterben gibt`s dann noch ein Glas Sekt.



Karriere | Foto (C) LICHTHOF Theater

Stefan Bock - 21. Juni 2015
ID 8717
KARRIERE (Theaterdiscounter Berlin, 19.06.2015)
Regie: Kathrin Mayr, Bühne: Fabian Wendling, Licht Sönke: C. Herm, Kostüm: Judith Förster
Mit: Irene Benedict, Alexander Jaschik, Mathis Kleinschnittger
Uraufführung in Hamburg war am 21. Februar 2015
Gastspiel des LICHTHOF Theater Hamburg

Weitere Infos siehe auch: http://www.theaterdiscounter.de/


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