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Besprechung

Mobiler Shakespeare

Das Globe Theatre London zu Gast im Globe Neuss


Bewertung:    



Shakespeare soll Spaß machen: Das ist das Hauptanliegen des Globe Theaters in Neuss, das jeden Sommer ein Shakespeare-Festival organisiert. Mitten im Grünen an der Neusser Rennbahn gelegen, sind draußen viele Bänke und Stühle aufgestellt, auch für Catering und einen kleinen Shop mit Shakespeare-Objekten ist gesorgt. Kurz: Alles lädt zum Verweilen ein. Vor den Aufführungen gibt die Anglistin und Theaterwissenschaftlerin Vanessa Schormann eine kurzweilige Einführung in das Stück, sodass auch Schüler und Shakespeare-Neulinge - mit dem nötigen Rüstzeug versehen - die Aufführung genießen können.

Auch in diesem Jahr sind wieder mehrere, teils ausländische Theatergruppen eingeladen. Auf die Inszenierung von Much Ado About Nothing des „großen Globe-Bruders“ aus London wollen wir näher eingehen. Im Deutschen heißt das Stück Viel Lärm um Nichts, wobei aber ein Wortspiel verloren geht, das im Englischen funktioniert. Für die Elisabethaner war "nothing" auch eine Bezeichnung für das weibliche Geschlechtsorgan. Und damit sind wir schon mitten im Thema des Stückes. Der junge Claudio (Sam Phillips) hat sich in die schöne Hero (Gemma Lawrence) verliebt und will sie ehelichen. Damit ziehen sie sich den Spott der beiden Eheverächter Beatrice (Emma Pallant) und Benedick (Simon Bubb) zu, die sich gegenseitig turbulente und eloquente Wortgefechte liefern und vehement der Ehe abschwören. Zwei Ränkespiele gilt es bis zum glücklichen Ende der romantischen Komödie zu bestehen. Die erstere ist harmlos. Claudio und Hero nehmen an einem Täuschungsmanöver teil, indem sie Beatrice und Benedick in den Glauben versetzen, dass der jeweils andere unsterblich in sie/ihn verliebt ist. Da die beiden wirklich viel füreinander übrig haben, klappt das am Ende auch. Ein böser Bube namens Don John (Chris Starkie) hat für das sich anbahnende Eheglück von Claudio und Hero nicht viel übrig. Er schmiedet ein überzeugendes Komplott, dass Hero keine Jungfrau mehr sei und sogar in der Nacht vor der Hochzeit einen Liebhaber empfangen hätte. Am nächsten Tag wird Hero vor der versammelten Hochzeitsgesellschaft bloßgestellt und kann das Gegenteil nicht glaubhaft machen. Sie fällt in Ohnmacht und wird für tot gehalten...




Belauschung auf Elisabethanisch. Beatrice (Emma Pallant re.) erfährt, dass Benedick sie liebt - Foto © Christoph Krey, Globe Theater Neuss



Die Inszenierung ist für die Tournee-Gruppe des Londoner Globe Theatre On Tour gedacht, die 2007 initiiert wurde und die Stücke mit so wenig Aufwand, wie möglich, gestaltet. In Much Ado About Nothing gibt es 21 namentlich aufgeführte Personen, es spielen aber nur acht Schauspieler, fünf Männer und drei Frauen. Das Bühnenbild ist auf ein Minimum reduziert, und auch die Requisiten sind sparsam eingesetzt. Das ist reisefreundlich und sorgt für viel zusätzliche Bewegung auf der Bühne, u.a. weil viele Kostümwechsel nötig sind. Dann sind da noch zwei „Bühnenarbeiter“, die beim Umbau helfen, nötigenfalls aber auch zum Instrument greifen. Denn Musik spielt eine wichtige Rolle. Jeder Schauspieler spielt mindestens ein Instrument. (Im Londoner Globe Theater ist es Tradition, ausschließlich live zu spielen, meistens jedoch mit separat eingesetzten Musikern. Während der Tournee müssen die Schauspieler selber musizieren). Aufgrund der Spärlichkeit der Requisiten muss eine Sackkarre mit Orangenkisten für Benedick als Versteck dienen, aus dem heraus die Belauschung erfolgen kann. Beatrice erfährt von Benedicks Liebeskrankheit, während sie sich hinter einer simplen Leine mit Wäsche versteckt. Höhepunkt des Minimalismus ist ein mobiles „Gefängnis“. Als zwei Übeltäter vorgeführt werden, schiebt man sie kurzerhand, an eine Sackkarre gefesselt, auf die Bühne. Diese Regieeinfälle verleihen dem Stück eine ungeheure Dynamik und zusätzliche komödiantische Möglichkeiten. Die Inszenierung mag auch einen Eindruck vermitteln, wie die der fahrenden Schauspieler zu Shakespeares Zeit ausgesehen haben mögen.




Schauspieler und Musiker in Personalunion - Foto © Christoph Krey, Globe Theater Neuss



Das Globe Theatre in London hat sich die Verbreitung von Shakespeare auf die Fahnen geschrieben. Bei Texten, die deutlich über 400 Jahre alt sind, birgt das seine Schwierigkeiten. Auch die englischen Muttersprachler verstehen sie oft nicht mehr, zum einen wegen des elaborierten Vokabulars, zum anderen wegen der zahlreichen Anspielungen auf die klassischen griechischen Dramen und biblische Motive. Als das nachgebildete Globe Theatre in London 1997 eröffnete, war klar, dass neben dem Theaterbetrieb gleichwertig ein Bildungszentrum betrieben werden würde. Dessen Direktor Patrick Spottiswoode kommt regelmäßig nach Neuss und bringt Shakespeare auf umwerfende Art nicht nur Schülern und Studenten nahe, fern vom trockenen Schul-Shakespeare, mit dem der eine oder andere sich abgequält haben mag.

Das „Reise-Much Ado“ stellt insofern die Vielfalt von Shakespeares Figuren heraus, als jeder Schauspieler mehrere Personen spielen muss, ungeachtet von Geschlecht und Aussehen. Da spielt ein bärtiger älterer Herr eine Kammerzofe, der Schurke den komödiantischen Polizisten, der ihn, fast versehentlich, auffliegen lässt, oder ein anderer Bösewicht den Mönch, der die Hochzeit durchführt. Die Virtuosität, mit der die Schauspieler immer wieder umschalten, ist erstaunlich und beeindruckend. Dass hier klassisch ausgebildete Profis am Werk sind, merkt man daran, dass alles mit unwahrscheinlicher Leichtigkeit und Elan gespielt wird. Neben Slapstick, Musizieren und Tanzen beherrschen sie auch das Tragödienfach. Als Claudio seine Hero öffentlich anprangert, wirkt auch das Publikum von der Vehemenz betroffen, genauso von der Trauer und dann Rührseligkeit, als Hero zum Schluss wieder lebend zum Vorschein kommt. Und dieser Hauch Tragödie ist die Würze einer wahren Shakespeare-Komödie, wenn es richtig gespielt ist. Die Begeisterung des Publikums zeigte sich in einem lang anhaltenden Applaus und Getrampel. Die meisten blieben auch zum abschließenden Gespräch mit Regisseur Max Webster und den Schauspielern.




Gemütlich und spannend: Im Anschluss standen die Schauspieler und Regisseur Max Webster (Mi.) für Fragen zur Verfügung. Vanessa Schormann (re.) moderierte - Foto (C) Helga Fitzner



Helga Fitzner - 4. Juli 2014
ID 7944
Weitere Infos siehe auch: http://www.shakespeare-festival.de/


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