Unser Sohn
ist tot
|
Wer hat Angst vor Virginia Woolf? am Schauspiel Stuttgart | Foto (C) Arno Declair
|
Bewertung:
Beginnen wir einmal mit einer Berufsgruppe, die, wenn überhaupt, in Theaterkritiken allenfalls en passant erwähnt wird, mit den Kostümbildnern. Die Maskenbildner, die auch für Frisuren und Perücken zuständig sind, werden meist, wenn sie nicht gerade Freyer oder Fritsch heißen, nicht einmal auf den Programmzetteln genannt. Man darf wohl davon ausgehen, dass die Kostümbildner in der Regel auch deren Aufgaben miterledigen. Was sich Heidi Hackl hat einfallen lassen, um vier vertraute Protagonisten des Schauspiels Stuttgart zu verwandeln, ist für sich genommen schon einen Besuch dieser Inszenierung wert. Die wechselnden Kostüme kommen knallig bunt daher, ohne einer zurzeit gängigen trashigen Komik zu verfallen.
Früher oder später musste sich auch diese Intendanz die Frage stellen: Wer hat Angst vor Virginia Woolf? Seit 63 Jahren balgen sich die Schauspieler*innen weltweit um die Rollen in Edward Albees erfolgreichstem Theaterstück, vor allem um jene von Martha und George. Sie sind für alternde gemischtgeschlechtliche Paare ebenso attraktiv wie für gleichgeschlechtliche die Sunshine Boys von Neil Simon. Wenn man danach fragt, wer sich aus dem Stuttgarter Ensemble dafür anböte, wird man nicht lange zögern. Sylvana Krappatsch und Matthias Leja drängen sich als erste Wahl auf. Ihre jüngeren Gegenspieler Honey und Nick verkörpern Teresa Annina Korfmacher und Peer Oscar Musinowski.
Ein Neonrahmen, der sich auf und ab bewegt und seine Größe verändert, umgibt die Arrangements der vier Dialogpartner. Gegen den schwarzen Hintergrund erinnern sie bisweilen an stilisierte Farbfotos. Ein großer Teil des Stücks besteht aus dem Versuch, die anderen davon abzuhalten, Unsinn zu reden. Und da lauern auch die Gefahren. Hamlet kann man hundertmal sehen und immer etwas Neues entdecken. Wer hat Angst vor Virginia Woolf? ist kein Hamlet. Wenn man diesen Theaterschlager über Bosheit und Selbstbetrug mehrfach gesehen hat, reicht die Spannung nicht für zwei Stunden. Immerhin tut die Regisseurin Tina Lanik ihr Möglichstes getan, um in der statischen letzten Szene zu retten, was zu retten ist.
Von Wer hat Angst vor Virginia Woolf? existiert eine neuere deutsche Übersetzung von Alissa und Martin Walser, dessen gleichzeitig mit Albees Stück zunächst als Hörspiel entstandene Zimmerschlacht erstaunliche Ähnlichkeiten aufweist, gespielt aber wird fast überall die Erstübersetzung des Schauspielers und Regisseurs Pinkas Braun, so auch in Stuttgart.
|
Wer hat Angst vor Virginia Woolf? am Schauspiel Stuttgart | Foto (C) Arno Declair
|
Thomas Rothschild - 26. Oktober 2025 ID 15527
WER HAT ANGST VOR VIRGINIA WOOLF? (Schauspielhaus, 25.10.2025)
Inszenierung: Tina Lanik
Bühne: Stefan Hageneier
Kostüme: Heidi Hackl
Komposition: Jörg Gollasch
Licht: Felix Dreyer
Dramaturgie: Philipp Schulze
Mit: Sylvana Krappatsch (Martha), Matthias Leja (George), Teresa Annina Korfmacher (Honey) und Peer Oscar Musinowski (Nick)
Premiere am Schauspiel Stuttgart: 25. Oktober 2025
Weitere Termine: 01., 11., 15., 22., 29.11./ 17., 31.12.2025
Weitere Infos siehe auch: https://www.schauspiel-stuttgart.de
Post an Dr. Thomas Rothschild
Ballett | Performance | Tanztheater
Freie Szene
Neue Stücke
Premieren (an Staats- und Stadttheatern)
ROTHSCHILDS KOLUMNEN
Hat Ihnen der Beitrag gefallen?
Unterstützen auch Sie KULTURA-EXTRA!
Vielen Dank.
|
|
|
Anzeigen:
Kulturtermine
TERMINE EINTRAGEN
Rothschilds Kolumnen
BALLETT | PERFORMANCE | TANZTHEATER
CASTORFOPERN
DEBATTEN & PERSONEN
FREIE SZENE
INTERVIEWS
PREMIEREN- KRITIKEN
ROSINENPICKEN
Glossen von Andre Sokolowski
RUHRTRIENNALE
URAUFFÜHRUNGEN
= nicht zu toppen
= schon gut
= geht so
= na ja
= katastrophal
|