Trotz alledem!
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Hamlet am Schauspiel Stuttgart | Foto (C) Toni Suter
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Bewertung:
Gibt es irgendetwas, das sich über Hamlet sagen lässt und noch nicht gesagt worden ist? Nachdem alle psychologischen, soziologischen, rationalen, mystifizierenden, textnahen, frei assoziierenden Möglichkeiten analysiert und durchgespielt wurden, kehrt man zu einer fast vergessenen Tradition zurück wie die Salzburger Festspiele zu Carmen, als hätte man nie Attribute wie „verstaubt“ oder „altmodisch“ zu fürchten gehabt.
Andererseits gibt es Grund zur Annahme, dass mittlerweile mehrere Generationen herangewachsen sind, die das Abitur bestehen konnten, ohne Shakespeares berühmtestem Drama je begegnet zu sein oder es gar auf der Bühne gesehen zu haben. Während man den zunehmenden Verlust an Kultur und Bildung beklagt, hat man es längst hingenommen, dass ein gemeinsames Repertoire jenseits von Beyoncé, über das man sich mitteilen könnte, nicht mehr existiert.
Burkhard C. Kosminski hat sich in Stuttgart für die Übersetzung von Jürgen Gosch und Angela Schanelec entschieden, die sich, gut sprechbar und gemäßigt aktualisierend, erfolgreich neben den diversen Konkurrenten etablieren konnte. Video und Elektronik dürfen nicht fehlen. Was die Rockeinlagen zum Verständnis des Stücks beitragen, bleibt ein Geheimnis. Wahrscheinlich wird demnächst ein Liederabend nachgeliefert.
Kosminski belässt der Tragödie ihre komischen Züge, in den schalkhaften Wortspielen Hamlets – als Gast: Franz Pätzold – ebenso wie tn der Körperregie – Anke Schubert als Polonius mit der Gestik einer Liesl Karlstadt –. Der Monolog „Sein oder Nichtsein“, Stolperstein aller Hamlet-Inszenierungen, erklingt zunächst aus dem Off, ehe er sich mehr oder weniger pathosfrei ins Parkett schwingt. Hallo, Jack Benny, hallo, Ernst Lubitsch. Beim abschließenden Massaker, dessen Ergebnis Fortinbras wieder einmal erspart bleibt, flüchtet sich die Regie in mildtätige Stilisierung.
Das war’s dann. Es geht auch anders, aber so geht es auch. Willkommen, ihr Schulklassen.
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Hamlet am Schauspiel Stuttgart | Foto (C) Toni Suter
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Das Nachspiel lieferte die Wirklichkeit: einen eindrucksvollen Protest gegen die geplanten Sparmaßnahmen im Stuttgarter Kulturbereich. Fahrlässig erscheint lediglich die Erinnerung des Opernintendanten Viktor Schoner an „Stuttgart 21“. Wenn „Stuttgart 21“ etwas bewiesen hat, dann war es die Wirkungslosigkeit solcher Bürgerbewegungen und die Dreistigkeit, mit der sich die Politik über diese hinwegsetzt.
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Thomas Rothschild – 8. Dezember 2025 ID 15597
HAMLET (Schauspiel Stuttgart, 06.12.2025)
Inszenierung: Burkhard C. Kosminski
Bühne: Florian Etti
Kostüme: Ute Lindenberg
Musik: Hans Platzgumer
Kampfchoreografie: Annette Bauer
Video: Sebastian Pircher
Licht: Felix Dreyer
Dramaturgie: Gwendolyne Melchinger
Mit: Franz Pätzold (Hamlet), Felix Strobel (Claudius), Katharina Hauter (Gertrud), Rainer Galke (Hamlets Geist, Erster Schauspieler, Totengräber 2, Fortinbras, Osric), Anke Schubert (Polonius), Karl Leven Schroeder (Laertes), Pauline Großmann (Ophelia), Sven Prietz (Guildenstern), Tim Bülow (Rosencrantz), Felix Jordan (Horatio) und Klaus Rodewald (Totengräber 1)
Premiere war am 6. Dezember 2025.
Weitere Termine: 15., 26.12.2025// 10., 20., 25., 26.01./ 17.02./ 01., 14., 22.03./ 01., 25.04.2026
Weitere Infos siehe auch: https://www.schauspiel-stuttgart.de
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