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Schauspiel Köln, Juni 2009

„Wunschkonzert“ von Franz Xaver Kroetz


Nach der Nonstop-Performance-Installation „Die Erscheinung der Martha Rubin“ der Künstlergruppe Signa ist Katie Mitchells Inszenierung von Kroetz’ „Wunschkonzert“ die zweite Arbeit am Kölner Schauspiel innerhalb von zwei Jahren, die zum Berliner Theatertreffen eingeladen wurde. Das ist aller Ehren wert und rückt das Schauspiel Köln wieder in den Fokus der überregionalen Aufmerksamkeit.

Fokus ist auch ein gutes Stichwort, um Katie Mitchells Inszenierung von „Wunschkonzert“ zu beschreiben. Das eigentliche Geschehen um Kroetz’ Fräulein Rasch, das Selbstmord begeht, nachdem es ein letztes Mal das Wunschkonzert im Radio gehört hat, findet im hinteren Teil der Bühne statt, in einer nachgebauten Wohnung, in die der Zuschauer durch die fehlende vierte Wand Einblick erhält. Rechts neben der Wohnung spielen in einem zweiten Kasten Musiker, darüber ist eine riesige Leinwand aufgehängt, auf der das zu sehen ist, was die Kameramänner auf der Bühne filmen, zumeist Aufnahmen aus der Wohnung oder Nahaufnahmen von Julia Wieninger, die Fräulein Rasch spielt. Da im Verlauf des Abends die fehlende Wand der Wohnung heruntergelassen wird, sind diese Projektionen auf der Leinwand später die einzige Möglichkeit für den Zuschauer, mitzubekommen, was in der Wohnung vor sich geht, da diese selbst den Blicken entzogen ist. Oder man ist gezwungen, durch die Fenster zu schauen, die aber auch nicht gerade in der Blickachse liegen.

Am nächsten zum Zuschauer stehen eine Reihe von Tischen mit Ton- und Videoausrüstung, an denen die anderen Darsteller gewissermaßen live den Ton zu Julia Wieningers Handlungen synchronisieren oder kleine Details filmen, die dann auf der Leinwand zu sehen sind. Gewissermaßen also eine Mischung aus Theater und Live-Filmproduktion, bei der die vierte Wand zum Publikum nicht durchbrochen wird. Es ist intim, da der Zuschauerblick dem Darsteller nah wie selten auf den Leib rückt, das Gesicht und die Träne herangezoomt werden, die Geräusche überdeutlich wahrnehmbar sind, und zugleich künstlich, denn der Ort der Geräuschproduktion und der Darstellung sind getrennt. So bleibt ein Rest Irritation und zugleich eine Überhöhung der Alltäglichkeit: detaillierte Geräusche und Bilder, wie sich jemand ein Brot schmiert, ein Bad einlässt, sich die Hände wäscht. Eine Konkurrenz der Wahrnehmung stellt sich ein: Man könnte sich auf die Tonspur bzw. die Tonproduktion konzentrieren oder auf die Großaufnahme, die eine trügerische Nähe zur Hauptfigur erzeugt, oder auf die Musik.

Die genuinen Mittel des Theaters wie Kostüm, Bühnenbild, Licht, Sprache, körperliche Präsenz des Darstellers treten zurück vor der kühlen technischen Präzision der Aufführung in Bezug auf Geräusch- und Filmproduktion und so liegt auch eine gewisse Ironie in der Entscheidung, Mitchells Inszenierung des „Wunschkonzerts“ zum Berliner Theatertreffen einzuladen. Andererseits geht eine große Faszination davon aus, dass alles live produziert wird, auch das Wunschkonzert. Und dann gibt es noch Julia Wieninger, die einfach grandios ist als Fräulein Rasch, uneitel, berührend zu beobachten im Close-up auf der Leinwand. Ein spannendes formale Experiment allemal, fraglich nur, ob dort die Zukunft des Theaters liegt. Aber das muss ja vielleicht auch nicht sein. Für Kroetz’ „Wunschkonzert“ ist es eine kongeniale Umsetzung.


Wunschkonzert von Franz Xaver Kroetz

Regie: Katie Mitchell
Bühne und Kostüme: Alexander Eales
Video: Leo Warner
Musik: Paul Clark
Sound Design: Gareth Fry
Light Design: Magnus Kjellberg

Mit: Therese Dürrenberger / Stefan Nagel / Laura Sundermann / Birgit Walter / Julia Wieninger
Live-Kamera: Sebastian Pircher / Stefan Kessissoglou
Tonkünstler (Live Performance): Simon Allen / Julia Klomfaß
Streichquartett: Tiziana Bertoncini / Johannes Platz / Marei Seuthe / Radek Stawarz

Premiere am 05.12.2008, weitere Termine am: 19. bis 21.06.09


Karoline Bendig - red. / 19. Juni 2009
ID 4346

Weitere Infos siehe auch: http://www.schauspielkoeln.de/stueck.php?ID=145&tID=1124





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