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Premiere am 24.03.2007, Theater Bonn

Weiße Teufel

Schauspiel von John Webster

Inszenierung: Matthias Kaschig

Szenenfoto (C) http://www.theater-bonn.de

Weder ein einzelner Teufel noch eine Teufelin im Schafspelz steht in der Bonner Neuinszenierung von John Websters Stück mit dem sperrigen Titel „The White Devil or the Tragedy of Paulo Giordano Ursino, Duke of Brachiano“ im Mittelpunkt. Vielmehr sind alle Figuren des Stückes Teufel, Saubermänner, die vor Untaten nicht zurückschrecken: der Kardinal Monticelso, später Papst, der ein Buch mit Verbrechern bei sich führt und Vittoria, die Geliebte des Herzogs von Brachiano, in einem Schauprozess trotz fehlender Beweise verurteilt; Medici, der seine Schwester rächen will; Brachiano, der den Tod seiner Frau und des Mannes seiner Geliebten in Auftrag gibt. Dazu die Handlanger, die diese Taten ausführen. Unklar bleibt in der Inszenierung von Matthias Kaschig die Rolle von Vittoria, derentwegen zwei Menschen sterben müssen. Hat sie die Fäden gezogen oder ist sie doch Opfer der Umstände? Gänzlich abgebrüht und berechnend ist sie nicht, wie man sieht, wenn sie sich am Ende anschickt, ihren Bruder zu erschießen.


Szenenfoto (C) http://www.theater-bonn.de


Matthias Kaschig versucht in seiner Inszenierung den Spagat zwischen Historie und Modernität. Er nimmt Bezug auf die italienische Renaissance, in der das Stück spielt: Es gibt ein überdimensionales Gemälde von Brachiano und seiner Gemahlin bei der Taufe des gemeinsamen Sohnes. Auch in den Kostüme finden sich historische Anklänge. Auf der anderen Seite bringt Rebekka Kricheldorfs Neuübersetzung des Stücks eine sprachliche Modernität auf die Bühne, die beständig etwas quer zum Rest steht.
Ansonsten setzt Kaschig auf Humor bis hin zur Lächerlichkeit: Vittorias Ehemann ist ein Hanswurst, die projizierten Zwischentitel im Stil der Boulevardpresse fassen die Handlung zusammen und kommentieren sie zugleich in falscher Aufregung (in der Art „Hure erschläft sich Herzoginnentitel“) und Besserwissertum. Sicherlich ist die Übertreibung im Stück angelegt und manches auch in der Vorlage durchaus komisch wie beispielsweise der Tod von Vittorias Ehemann durch ein Turngerät. Es wird bei dieser latenten Komik aber immer dann schwierig, wenn es gilt, den schmalen Grad zwischen Humor und Tragik zu beschreiten. Hat der Mord an Brachiano trotz dessen langsamen Sterbens noch etwas Schauerlich-Ernsthaftes, lädt das Ende von Vittoria und ihrem Bruder Flamineo – auch durch die Übersetzung bedingt – eher zum Lachen ein, passiert beiläufig. Keine gute Voraussetzung für den Schlusspunkt des Abends.


Szenenfoto (C) http://www.theater-bonn.de


Insgesamt gerät Websters blutige Tragödie in der Regie von Matthias Kaschig ausgesprochen halbgar, unentschieden. Da fällt im Furor effektvoll so manche Gipsbüste eines römischen Adeligen, aber wirklich Spektakuläres passiert nicht. Podest fahren, Figuren verschwinden in der Tiefe der Bühne oder treten aus dem diffusen Schweinwerferlicht von unten silhouettenhaft hervor. Veränderungen der Bühne werden mit verstärkten Geräuschen gekoppelt, der neue Papst lässt sich von einer hohen Leiter herab mit überlauter Musik und gleißendem hellem Rampenlicht von der Masse feiern – im hintersten Teil der Bühne und mit dem Rücken zum eigentlichen Publikum. Einige Punkte der Inszenierung sind gelungen: Medici gibt vor, auf welcher Höhe sich seine Hand mit der seines Schwagers zum Händeschütteln trifft. Brachiano ist eben nur eine kleiner Fürst von Padua, nicht zu vergleichen mit dem Großherzog. Andere Dingen funktionieren nicht, sind vermutlich auch den Strichen im Text geschuldet, die den Abend auf eine Dauer von knapp 2 Stunden bringen: So kommt die Annäherung von Medici – der als Moor getarnt am Hofe seines Feindes weilt – an die farbige Dienerin Vittorias ebenso unvermittelt wie unmotiviert.


Szenenfoto (C) http://www.theater-bonn.de


Schauspielerisch vermag nur Roland Riebeling als Brachiano zu überzeugen. Er lebt seine Leidenschaften, kann ein widerlicher kleiner Giftzwerg sein, ist zugleich aber sympathisch in seinen Schwächen und – ganz anders als sein um Ehre und Moral bedachter Schwager – auf wundersame Art frei von gesellschaftlichen Rücksichtnahmen. Das zeigt sich auch, wenn er es sich beim Schauprozess gegen seine Geliebte ganz entspannt auf dem Boden gemütlich macht und die verbalen Seitenhiebe Vittorias gegen die Ankläger goutiert.


Karoline Bendig - red / 26. März 2007
ID 3098
Weiße Teufel
Von John Webster

Inszenierung: Matthias Kaschig
Bühne: Martin Kukulies
Kostüme: Michael Sieberock-Serafimowitsch
Musik: Tobias Vethake
Besetzung: Andreas Maier (Monticelso, Kardinal), Jonas Gruber (Francesco di Medici, Herzog von Florenz), Roland Riebeling (Herzog von Brachiano, Padua), Nicole Kersten (Isabella, seine Frau und Schwester des Medici, sowie Vittoria, ehemalige Kurtisane), Jeremy Mockridge / Dario Schöb (Giovanni), Ralf Drexler (Lodovick), Alexander Weise (Camillo, Marcello, Gasparo), Yuri Englert (Flamineo), Jennifer Mulinde-Schmid (Zanche, Beschwörerin)

Premiere am 24.03.2007, Kammerspiele Bonn

Weitere Infos siehe auch: http://www.theater-bonn.de





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