Filme, Kino & TV
Kunst, Fotografie & Neue Medien
Literatur
Musik
Theater
 
Redaktion, Impressum, Kontakt
Spenden, Spendenaufruf
Mediadaten, Werbung
 
Kulturtermine
 

Bitte spenden Sie!

Unsere Anthologie:
nachDRUCK # 6

KULTURA-EXTRA durchsuchen...

Feuilleton


New Ambassadors Theatre, London Oktober 2006

Warten auf Godot

Von Samuel Beckett

Regie: Peter Hill

„Landstraße. Ein Baum. Abend.“ Das Bild, man kennt es. Die Handlung: Warten.
Auch am New Ambassadors Theatre im Londoner West End ist Peter Hills Inszenierung von Samuel Becketts Klassiker bestimmt eines: klassisch. Genau wie 1955, da war ebendieser Regisseur erst 24 Jahre alt und ließ Vladimir und Estragon auf Godot warten, und das Publikum verstand nicht warum. Die Presse war perplex bis niederschmetternd. Im Guardian zum Beispiel hieß es, Becketts Sprache sei „flach und schwach“. Doch Peter Hill bestand darauf, das als sinnfrei empfundene Stück im Spielplan zu behalten und sollte mit dieser Entscheidung Recht behalten. Denn bald war „Warten auf Godot“ in aller Munde und Feuilletons und leitete die Ära des modernen Dramas in Europa ein.
Wenn man die Fotos dieser ersten Inszenierung mit der heutigen vergleicht, bemerkt man, dass sich zumindest äußerlich nicht viel verändert hat. Peter Hill hält sich strikt an Becketts mittlerweile zum geflügelten Wort mutierte Bühnenbildbeschreibung. Ein Baum, ein Stein: karg und zeitlos.
Was vor 50 Jahren provozierend war, könnte heute fast schon als langweilig empfunden werden. Aber das ist es nicht, und Peter Hill weiß das. Wie ein guter Koch verlässt er sich auf einfache Zutaten: ein guter Text, exzellente Schauspieler und ein Regisseur, der schon lange nichts mehr zu beweisen hat. Ehrfürchtig die Textbehandlung, spielerisch der Umgang: hier muss niemand überrascht werden, hier wird einfach musiziert. Alan Dobie als dauerzynischer Estragon und James Laurenson als warmherziger Vladimir sind ein tolles Duett. Sie necken sich und sticheln, und können doch nicht voneinander lassen. Sie beherrschen ihre Instrumente perfekt und ergänzen sich wie Tag und Nacht. Gemeinsam vertreiben sie ihren grössten Feind: die Zeit.
In diese Öde treten Pozzo und Lucky, der Herr und sein Sklave. Pozzo, ein armseliger „Goldfinger“ im Tweed-Kostüm, ist in seiner Darstellung des upper-class Schufts leider nicht besonders originell, es mangelt an Subtilität. Der irische Schauspieler Richard Dormer besticht jedoch in seiner extrem starken Figurenzeichnung des Lucky. Irgendwo zwischen Leben und Tod, zwischen Mensch und Tier angesiedelt, ruft diese hechelnde Halbleiche mit Strick um den Hals wechselweise Mitleid und Ekel hervor. Man muss starke Nerven haben, um den Anblick des dauersabbernden Lucky zu ertragen. Außerdem ist dieses Mittel unnötig, um seine Verelendung glaubwürdig zu machen. Aber in der Mitte des ersten Aktes, als er seinen Denkerhut aufgezogen bekommt, erlöst Richard Dormer den Zuschauer von seiner ambivalenten Haltung und vollzieht ein technisches Meisterwerk. Man kann die Augen nicht von ihm lassen, als ein Wasserfall an Wortmusik aus seinem Mund strömt, als sich dutzende Charaktere und Schicksale abzeichnen, als unvorstellbare Lautmelodien und Rhythmen hervorbrechen, die scheinbar nur auf diesen einen Moment gewartet haben, um gierig und unersättlich die Bühne zu beherrschen, bis ihm der Hut wieder vom Kopf genommen wird und er scheinbar tot umfällt.
Trotzdem ist man im Zuschauerraum entspannter, als sich das ursprüngliche Duo „in aller Ruhe“ weiterhin auf das ersehnte Ende allen Wartens konzentrieren kann. Als wenn man durch den Auftritt Pozzos und Luckys selber abgelenkt wurde von der eigentlichen Sinnsuche. Indem man wieder zurückgeworfen wird in den Alltag von Vladimir und Estragon, begreift man das Leben wieder als mehr oder weniger krampfartige Beschäftigungsmaßnahme im Kampf gegen die Einsamkeit und das Nichtstun. Und diese Inszenierung erweist sich als durchaus gelungene Beschäftigung.


Katarina Lena Murelle - red / 29. Oktober 2006
ID 2770
Waiting For Godot
By Samuel Beckett

Alan Dobie, Richard Dormer, James Laurenson, Terence Rigby

New Ambassadors Theatre, London
until Saturday 18 November


Directed by Peter Hall
Set Designer: Kevin Rigdon
Costume Designer: Trish Rigdon
Lighting Designer: Peter Mumford
Sound Designer: Gregory Clarke

Weitere Infos siehe auch: http://www.theambassadors.com/newambassadors//index.html






  Anzeigen:



THEATER Inhalt:

Kulturtermine
TERMINE EINTRAGEN

Rothschilds Kolumnen

BALLETT |
PERFORMANCE |
TANZTHEATER

CASTORFOPERN

DEBATTEN
& PERSONEN

FREIE SZENE

INTERVIEWS

PREMIEREN-
KRITIKEN

ROSINENPICKEN
Glossen von Andre Sokolowski

THEATERTREFFEN

URAUFFÜHRUNGEN


Bewertungsmaßstäbe:


= nicht zu toppen


= schon gut


= geht so


= na ja


= katastrophal


Home     Datenschutz     Impressum     FILM     KUNST     LITERATUR     MUSIK     THEATER     Archiv     Termine

Rechtshinweis
Für alle von dieser Homepage auf andere Internetseiten gesetzten Links gilt, dass wir keinerlei Einfluss auf deren Gestaltung und Inhalte haben!!

© 1999-2024 KULTURA-EXTRA (Alle Beiträge unterliegen dem Copyright der jeweiligen Autoren, Künstler und Institutionen. Widerrechtliche Weiterverbreitung ist strafbar!)