Theater am Sachsenring Köln, 10. Dezember 2008
Das Mädchen mit den Schwefelhölzern
nach Hans Christian Andersen in einer Bearbeitung von Sven Lange
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Mit einem wenig versöhnlichen Märchen wartet Theater 1000 Hertz in der Vorweihnachtszeit auf: einer Bühnenadaption von Andersens „Mädchen mit den Schwefelhölzern“. Regisseur Sven Lange hat den Text geschrieben, Lutz Lenz die Musik. Wohlfühlstimmung mag an diesem Abend nicht aufkommen, sondern eher Nachdenklichkeit ob der zynischen Haltung der Umwelt und der eigenen Familie des Mädchens mit den Schwefelhölzern.
Die Produktion auf der kleinen Bühne des Kölner Theaters am Sachsenring kommt mit wenig Mitteln aus: ein Tisch mit drei Stühlen links für die Familie des Mädchens und ein Barhocker rechts hinten, auf dem das Engelchen/Teufelchen sitzt und beobachtet. Von Letzterem wird der Zuschauer in die Handlung eingeführt, der es an der ein oder anderen Stelle auch auf die Sprünge hilft.
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Lange mischt Andersen mit Brecht und lässt die Figuren selbst die Mitleidlosigkeit zur Weihnachtszeit kommentieren. Das ist manchmal zu sehr Moral mit dem Holzhammer. Aber vieles gelingt in dieser Inszenierung, auch dank der guten Schauspieler. Beispielsweise die Szenen, in denen das Mädchen sich im Schein der Schwefelhölzer wärmt und vor sich hinträumt. Köstlich, wie Andrea Köhler als Kellnerin eine Speisekarte herunterbetet, immer unterbrochen von einem erwartungsvollen „Und dann“ der beiden Gäste, die von Christina Vayhinger und Christof Hemming gegeben werden. Hier funktioniert die Balance aus Komik und Tragik.
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Wunderbar und intensiv gespielt auch die Familienszenen am Tisch. Christina Vayhinger sucht als Mutter ihr Heil bei Gott und verharrt holzschnittartig in Gebetspose. Viel Initiative ist von ihr nicht zu erwarten. Christof Hemming als ihr Mann greift lieber zu Alkohol und Gewalt. Den geschenkten Goldtaler versäuft er trotz inständiger Bitten der beiden Frauen in einer Kneipe und endet dafür in der Gosse. Weniger gelungen sind dagegen die Begegnung des Mädchens mit einer geschenkbepackten Frau, die sich als Wohltäterin erweist, und einem Mann, der sich an ihr vergehen will. In diesen Szenen greift die Regie zu schrillen Mitteln, die ein wenig fehl am Platze wirken, zumindest aber Geschmacksache sind.
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Lange hat ein überzeugendes Schauspielerensemble an seiner Seite. Christina Vayhinger und Christof Hemming schlüpfen gekonnt in die verschiedensten Rollen. Andrea Köhler spielt ein recht abgezocktes Engelchen, das eigentlich mehr ein Teufelchen ist. Intrigant spinnt es die Fäden und manipuliert die Figuren. Am Ende scheint es dann aber doch etwas betroffen zu sein vom Tod des Mädchens. Etwas undankbar ist Mareike Marx’ Rolle des Mädchens, darf sie doch weder komisch noch überdreht oder zynisch sein. Vielmehr fügt sich das Mädchen ergeben in sein Schicksal, Zündhölzer zu verkaufen, und stirbt einen leisen Tod.
Schade ist, dass auf eine Livemusikbegleitung verzichtet wurde. Damit wäre der Abend sicherlich noch etwas dichter geworden, aber auch so ist es eine poetische Stunde Theater, die zum Nachdenken anregt.
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Karoline Bendig - red / 10. Dezember 2008 ID 4135
Das Mädchen mit den Schwefelhölzern
Musik-Theater-Weihnachts-Märchen für Erwachsene
Von Sven Lange und Lutz Lenz nach Hans-Christian Andersen
Text/Regie: Sven Lange
Musik: Lutz Lenz
Bühne/Licht: Jan Hüwel
Musikeinspielungen: Thomas Lachmann
Assistenz: Ursula Breckner
Mit: Andrea Köhler (Engelchen/Teufelchen), Christof Hemming (Vater/böser June/Gourmet/Tänzer/Großvater/Passant), Christina Vayhinger (Mutter/reiche Frau/Gourmese/Tänzerin/Großmutter/Passantin), Mareike Marx (Mädchen)
Weitere Termine: 11. bis 13.12.08.
Weitere Infos siehe auch: http://www.theater-am-sachsenring.de/
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