Filme, Kino & TV
Kunst, Fotografie & Neue Medien
Literatur
Musik
Theater
 
Redaktion, Impressum, Kontakt
Spenden, Spendenaufruf
Mediadaten, Werbung
 
Kulturtermine
 

Bitte spenden Sie!

Unsere Anthologie:
nachDRUCK # 6

KULTURA-EXTRA durchsuchen...

Kommentar

Sie tanzten den ganzen

Sommer

Bringt Florentina Holzinger die Rettung?



Landauf landab sorgen Sommerfestivals dafür, dass die tote Saison zu Leben erwacht. Man muss nicht mehr unbedingt kulturell darben, wenn die Theaterhäuser ihre Pforten schließen. Und die Kommunalpolitiker sind den Initiatoren, mögen sie noch so einfallslos sein, gewogen. Vielleicht gelingt es ihnen ja, Touristen oder wenigstens Kurzzeitbesucher anzulocken und die Gastronomie, die Hotellerie und die Läden in der Fußgängerzone zu beatmen wie einen schwer an Corona Erkrankten. Dabei fällt ein Phänomen auf: Überall wird getanzt. Das Sprechtheater befindet sich in der Defensive. Schaut man genauer hin, entdeckt man, dass sich hinter den scheinbar autonomen Festivals gut abgestimmte Tourneen verbergen. Da kann es sogar passieren, das zwei Festivals den Auftritt eines Ensembles mit dem selben Stück als Deutsche Erstaufführung ankündigen. Das wäre noch kein Malheur. Schließlich kann nicht jeder normale Sterbliche, der am nächsten Morgen zur Arbeit muss, den Tanztruppen hinterher reisen. Es hat schon seinen Sinn, wenn sie in der Nähe gastieren. Dass sie ihr Programm auch an diversen anderen Orten abspulen: wen juckt’s? Wenn die Veranstalter bloß ihre vollmundigen Ankündigungen lassen könnten. Was sie als Alleinstellungsmerkmal ausgeben, ist in Wahrheit nur ein Eintrag im Tourneeplan der geschäftstüchtigen Manager.

Auch das wäre noch kein Unglück, sondern nur eine der Lächerlichkeiten der grassierenden Übertreibungen und Selbstdarstellungen. Die PR hat die wahrheitsgetreue Information längst verdrängt. Bedenklicher ist, dass die sich inflationär vervielfachenden mehr oder weniger professionellen Theatertruppen einander zunehmend gleichen. Die Choreographien ähneln sich in einem Maße, dass man nicht entscheiden kann, was bloßes Plagiat, was nicht bewusst gemachte Anregung und was Koinzidenz ist. In der Erinnerung fließt alles in einander: die immer gleichen Gänge, die immer gleichen Gesten und Körperverrenkungen, die immer gleichen Zitate und Überwindungen des klassischen Balletts. John Travolta ist fast obligatorisch der demonstrative Bezugspunkt, Nurejew oder Margot Fonteyn sind dagegen vergessen, aber auch die Choreographen der Tanztheatergeschichte vor Pina Bausch sind es, wobei das unübersehbare Erbe der großen Wuppertalerin eher die begrenzten Fähigkeiten ihrer Nachfolger*innen als deren Lernfähigkeit beweist. Da muss schon die Radikalität einer Florentina Holzinger her, um Aufsehen zu erregen und geradewegs an die Volksbühne zu führen [Beispiel: A Divine Comedy, s. Foto unten]. Doch auch die, man ahnt es, wird in Windeseile nachgeahmt werden, in den Tanztheateralltag eingehen und ihre provozierende Kraft verlieren. Dann wird nur noch der Name eines der wegbereitenden Tanztheaterfestivals an den Begriff „Impuls“ erinnern. Die Wahrheit ist: ein aufgewärmtes Gulasch kann immer noch gut schmecken, aber es ist halt ein aufgewärmtes Gulasch.




A Divine Comedy von Florentina Holzinger | © Nicole M Wytyczak

Thomas Rothschild - 16. August 2022
ID 13754

Post an Dr. Thomas Rothschild

Ballett | Performance | Tanztheater

ROTHSCHILDS KOLUMNEN



Hat Ihnen der Beitrag gefallen?

Unterstützen auch Sie KULTURA-EXTRA!



Vielen Dank.



  Anzeigen:



THEATER Inhalt:

Kulturtermine
TERMINE EINTRAGEN

Rothschilds Kolumnen

BALLETT |
PERFORMANCE |
TANZTHEATER

CASTORFOPERN

DEBATTEN
& PERSONEN

FREIE SZENE

INTERVIEWS

PREMIEREN-
KRITIKEN

ROSINENPICKEN
Glossen von Andre Sokolowski

THEATERTREFFEN

URAUFFÜHRUNGEN


Bewertungsmaßstäbe:


= nicht zu toppen


= schon gut


= geht so


= na ja


= katastrophal


Home     Datenschutz     Impressum     FILM     KUNST     LITERATUR     MUSIK     THEATER     Archiv     Termine

Rechtshinweis
Für alle von dieser Homepage auf andere Internetseiten gesetzten Links gilt, dass wir keinerlei Einfluss auf deren Gestaltung und Inhalte haben!!

© 1999-2024 KULTURA-EXTRA (Alle Beiträge unterliegen dem Copyright der jeweiligen Autoren, Künstler und Institutionen. Widerrechtliche Weiterverbreitung ist strafbar!)