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1. Oktober 2006, HOT Potsdam (Neues Theater)

KATTE

von Thorsten Becker


Gleich haut der Henker mit dem Hackebeilchen zu, Katte (gespielt von Moritz Führmann) ist schon ohne Hemdkragen - Foto (C) Matthias Horn



Die eigentliche Attraktion: Ein Schimmel, der zum Glück nicht Blankvers spricht

Im Ernst: Die Blankvers-Quatscherei zwei Stunden lang, und noch dazu gereimt, geht mir sehr unnachgiebig auf die Eier. Auch die Reaktion der Leute rechts und links von meinem Sitz lässt Ähnliches vermuten. Gähnen, Stöhnen, Dropspapiergeraschel, aufkommende Unaufmerksamkeit. Der Hintersinn des Ganzen (womit dann dem Autor doch noch Recht gezollt sein sollte): Eine Art von "altem Klang", von "altem Stil" sprachlich herbeigezurrt zu haben. Mittels Jamben macht er das, ja und indem er wohl absichtlich schrecklich reimen tut. Warum? wozu??

Die spekulierte Vorgeschichte: Thorsten Becker hat 'nen FRITZ-Roman soeben auf den Markt gebracht. In ihm springen die Zeiten. Auch: Es gibt in ihm ein Menschlein, das ein altes Drama über Katte - Katte war des Preußenkönigs einziger Geliebter - bei sich führt, und dieses alte Drama über Katte ist im Blankvers abgefasst... und er wird permanent vom Becker-Menschlein, im Roman dann, vor- und rückzitiert (bei Rowohlt, kostet EURO 19,90). Querschluss für den Autor: Wer will das vielleicht als Ganzes? als ein Extrastück??
Das neue HOT (Hans Otto Theater Potsdam) ist hiermit pompös eröffnet worden.

Was für'n Kleinod! Ja, es ist die Mischung, die den Anblick schon an sich, viel mehr jedoch das Drinnen- und das Draußensein so überaus harmonisch macht. Schlicht ist die Material- und Farbausführung; großartig das allgemeine Wohlbefinden beim Verweilen in dem Bau. Wenn sich das erst mal rumspricht, könnte Sanssouci im Ranking einknicken, und Uwe Eric Laufenberg, der neue Intendant, muss sich was einfalln lassen, um die hundertfachen Überbuchungen in Griff zu kriegen; prophezeie ich mal keck an dieser Stelle: Dieses Haus kriegt Kult.

Man sitzt in ihm so schön, aber noch viel bequemer als in Bayreuth. Was ich gar nicht nachvollziehen konnte, dass es mit der Saalakustik nicht so gut bestellt sein soll - das fand ich überhaupt nicht! Jedenfalls bei Sprechtheateraufführungen dürften keinerlei Beschwerden volksseitmäßig kommen; jedes Verslein konnte (musste!) man an diesem Nachmittag verstehen.
Kaspar Glarner hat ein tolles Bühnenbild erschaffen. Was für insgesamte Möglichkeiten auch die Bühnentechnik bietet, wurde sehr beeindruckend dann vorgeführt. Die Bretter gehen tief und tiefer noch nach hinten, so 'ne große Bühne hab ich lange nicht gesehen. Ist so groß und so geräumig, dass sogar ein leibhaftiger Schimmel (herrliches trainiertes Tier!) den Bühnenraum fast nebenbei für sich ertrabt. Das war auch übrigens die einprägsamste und genialste der Ideen dieser Inszenierung Laufenbergs, dem ziemlich ungezügelt wohl der Opernregisseur bei diesem Versstück durchzugehen schien. Statt interpretatorische Distanz zum bravlings vorgetragnen Dauerreim zu üben, wird beabsichtigt versucht, eine doch schmalzige Geschichte von der unglücklichen Männerliebe zwischen Fritz & Katte hofreifrockartig, also verklemmt und bieder, zu erzählen. Es gibt allerdings auch lichtere Momente, wo dem Laufenberg die sinnliche Herausarbeitung allzumenschlicher Gegebenheiten irgendwie gelingt... etwa die Szene auf dem Lande, wo 12 junge schöne große Bauernburschen von den Schergen des Soldatenkönigs (Manfred Karge, der brillante Regisseur und Mime gleichenteils, hat sicherlich schon Greulicheres deklamieren müssen; ob ihm das wohl vorher eindeutig bewusst war, worauf er sich eingelassen hat?) über den Musterungsprozess am splitternackten Gruppenkörper zu den Langen Kerls verwandelt werden. Oder dann der flotte Dreier, zwar nur angedeutet, wo sich Katte, Fritz und seine Schwester Wilhelmine in sehr gleichberechtigt sexueller Weise amüsieren. Sonst nur prinzipielle Vorsicht vor dem Souverän des potenziellen Abonnenten.



Deprimiert, auch wegen der so drögen Blankversreime, hält sich Manfred Karge als Soldatenkönig dennoch tapfer, wacker und geschlagen - Foto (C) Matthias Horn


Moritz Führmann (Katte) sowie Henrik Schubert (Friedrich) hätten es verdient gehabt, doch wenigstens paar echte Zungenküsse miteinander austauschen zu müssen. Die von ihnen dargestellte Paarbeziehung war nicht nebenher das Resultat einer erotischen Verirrung oder gar Entgleisung. Diese Liebe war schon echt. Es war das erste, einzige und letzte Mal, dass dann der Preußenkönig Herz (und Schwanz) an einen Menschen seiner Wahl hinfortverlor. So und nicht anders.


Andre Sokolowski - 2. Oktober 2006
ID 2694
www.andre-sokolowski.de


KATTE
von Thorsten Becker (UA)

Regie: Uwe Eric Laufenberg
Bühne: Kaspar Glarner
Kostüme: Jessica Karge
Besetzung:
Friedrich Wilhelm ... Manfred Karge
Sophie Dorothea ... Gisela Leipert
Friedrich ... Henrik Schubert
Wilhelmine ... Jennipher Antoni
Katte ... Moritz Führmann
Keith ... Hannes Wegener
Grumbkow ... Andreas Herrmann
Mylius ... Hans-Jochen Röhrig
Müller ... Philipp Mauritz
u. v. a.

Premiere war am 22. September 2006 im HOT (Neues Theater)

Weitere Infos siehe auch: http://www.hansottotheater.de






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