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Feuilleton

Holzfällen. Eine Erregung

von Thomas Bernhard


„Und ich dachte, dass es besser gewesen wäre, an diesem Abend oder meinetwegen auch noch die ganze Nacht Pascal oder Gogol oder Dostojewski oder Tschechow zu lesen ...“ Dieser Satz mag für den Schriftsteller gelten, der es bereut, zu dem künstlerischen Abendessen bei den Auersbergers gegangen zu sein, aber mitnichten für den Zuschauer. Denn Holzfällen. Eine Erregung nach dem gleichnamigen Roman von Thomas Bernhard am Kölner Theater im Bauturm ist ein launiger und kurzweiliger Theaterabend.

Im Zentrum steht der Schriftsteller, der ohne Unterlass darüber lamentiert, wie schrecklich das künstlerische Abendessen und alle eingeladenen Gäste samt Gastgeber waren. Auersbergers hatte er seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen, und er war ihnen zufällig in Wien über den Weg gelaufen. Früher hatten sie ihn gefördert, aber irgendwann war man im Unfrieden auseinandergegangen. Der besondere Reiz der Tirade des Schriftstellers ist dabei die Wiederholung. In einem Lehnsessel sitzend parliert er im leicht österreichischen Tonfall über die bürgerliche Wiener Gesellschaft und ihre Vorstellung von Kunst und Künstlertum. Gelegentlich springt er auf und umrundet in einem hektischen, eckigen Gang das Podest in der Mitte der kargen Bühne, wobei er die Arme immer wieder gerade nach unten streckt – eine Bewegung, die abweisend und starr wirkt, die sich allerdings im Laufe des Abends nicht wirklich erschließt. Das ist aber auch die einzige Unklarheit, ansonsten sind die Fronten klar verteilt. Das Publikum kommt ebenfalls nicht ungeschoren davon. Ein Teil darf Suppe essen und sich dabei fragen, welche Figur sie denn jetzt gerade sind, über die gerade unschöne Wahrheiten verbreitet werden.

Der Schriftsteller ist nicht allein auf der Bühne, es gibt noch einen alten Mann, den er mit seinem Monolog immer ein wenig herauszufordern scheint. Es wirkt, als warte der Schriftsteller jeden Moment auf Widerspruch von seiner Seite. Der alte Mann ist aber seelenruhig damit beschäftigt, Schuhe zu putzen und Äpfel rauszustellen, und kümmert sich darum, das karge Podest in eine Essenstafel umzugestalten. Gelegentlich wiederholt er grummelnd den eingangs zitierten Satz. Schließlich verwandelt er sich in den Burgschauspieler, dessen Erscheinen alle bei dem Abendessen erwarten und der für den Schriftsteller das Feindbild schlechthin ist. Oder vielmehr ist es die Devotheit der übrigen Gäste vor diesem großen Gast, die ihn empört.

Der Abend lebt vor allem davon, wie Bernhard Bauer den Schriftsteller verkörpert. Er schafft es wunderbar, seine Figur zwischen ständiger Verärgerung über sich selbst, detailverliebter und wortgewaltige Schilderung – die auch gleich Eingang in die Schreibmaschine und damit in das nächste Werk findet –, und Erregung über die bürgerliche Gesellschaft, die beim Abendessen zugegen ist, anzulegen. Niemals imitiert er einen Gast vollständig, wirft nur einen Schlaglicht auf den anderen Charakter, bleibt dabei aber immer in seiner Figur.

Letztlich muss der Schriftsteller erkennen, dass er vom Burgschauspieler vielleicht noch etwas lernen kann – nämlich, wie man wirklich zur Ruhe kommt und sich von denen distanziert, die man hasst und doch zugleich braucht wie die Luft zum Atmen. Aber diesen Weg scheint er nicht gehen zu wollen. Lebhafter Applaus am Ende eines Abends, an dem man oft schmunzeln kann, viel Wahres hört, aber auch immer konzertiert und aufmerksam folgen muss.


Karoline Bendig - red / Februar 2007
ID 3007
HOLZFÄLLEN. EINE ERREGUNG (Theater im Bauturm, 07.02.2007
Inszenierung: Günther Beelitz
Bühne: Alexander Müller-Elmau
Kostüme: Günther Beelitz / Sabrina Bonk
Mit: Bernhard Bauer (Schriftsteller) und Andreas Weißert (Alter Mann, Burgschauspieler)
Premiere war am 23. Januar 2007.
Weitere Termine: 26.-28.02.2007
Koproduktion mit dem Schauspiel Dortmund

Weitere Infos siehe auch: http://www.theater-im-bauturm.de




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