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Theater im Bauturm, 25.08.2007

Don Karlos – Infant von Spanien

Friedrich Schiller

Inszenierung: Jörg Fürst

Florian Stiehler
Foto: © Hydra Productions. Jülicher Str.22, 50674 Köln, E-Mail: foto@hydraproductions.de

m Theater im Bauturm ist Spanien zunächst einmal ziemlich abgeschottet – eine portalhohe und -breite Metallwand versperrt den Blick vom Zuschauerraum auf die Bühne. Diese Wand entpuppt sich als aus mehreren gleich breiten Teilen zusammengesetzt. Eines von ihnen wird nach hinten geschoben und in die Lücke tritt Don Karlos. Das Spiel kann beginnen.

Sehr formal ist Jörg Fürsts Inszenierung des Schiller-Dramas geraten. Die Schauspieler treten auf, positionieren sich so zueinander, dass sie einander nicht ansehen, und sprechen ihre Texte. Gelegentlich wird diese Vorgabe durch witzige Requisiten wie die vielen Briefe aufgelockert, die als große Umschläge in verschiedenen Farben daherkommen. Nett auch, wie Don Karlos den Brief von Eboli öffnen will, der aber leider an allem festklebt – zuletzt am Boden. Aber das sind die Ausnahmen. Einen Blick gibt es erst in der zentralen Begegnung zwischen Posa und König, eine körperliche Berührung ganz am Ende zwischen Königin und Don Karlos. Es scheint, als habe Fürst die Bemerkung von Philipp II. dem Großinquisitor gegenüber, er habe Posa in die Augen gesehen, sehr wörtlich genommen. Diese Spielweise ist zwar sehr gut durchgehalten und führt zumindest im ersten Teil zu einer großen Konzentration, sie bewegt sich allerdings auch auf einem schmalen Grad zur Langeweile, weil es an Interaktion zwischen den Figuren und an Emotionalität fehlt.


von links: Florian Stiehler, Johann Krummenacher
Foto: © Hydra Productions. Jülicher Str.22, 50674 Köln, E-Mail: foto@hydraproductions.de


Vieles erinnert an die Formsprache, die man bisher in Arbeiten von Fürst wie Jandls „wualitzaa“ und Beckers „Wir im Finale“ sehen konnte: farbig ausgeleuchtete Bühne, deutliche Farbwechsel mit jeder Szene, choreographierte Auftritte und Ensembleszenen (bei „Don Karlos“ vor allem im zweiten Teil), starre Körperlichkeit der Schauspieler. Dazu passt an diesem Abend auch die Mobilität der Metallwände, die sich hin und her zu immer neuen Raumkonstellationen schieben lassen, die aber eben leider keine perfekte Illusion entstehen lassen, weil sie beim Schieben wackeln. Zudem wirkt die eingebaute Bühne zu überdimensioniert für den nicht allzu hohen Raum.


Fiona Metscher, Alexe Limbach
Foto: © Hydra Productions. Jülicher Str.22, 50674 Köln, E-Mail: foto@hydraproductions.de


Im zweiten Teil nach der Pause gewinnt die Form dann die Überhand über den Inhalt. Die dichte Abfolge der einzelnen Szenen bewältigt Jörg Fürst klug ohne Auf- und Abgänge und ohne Umbauten durch ein kurzes Black, das die Szenen trennt. Leider führt er formale Spielereien ein, die zu nichts führen: Die Regieanweisungen werden (z.T. chorisch) gesprochen, in einigen Szenen stellen sich die Schauspieler in einer Linie parallel zur Rampe auf und treten mit ihren Texten gewissermaßen vor und zurück ins Glied. Philipps Monolog nach dem Mord an Posa und Albas Botschaft, man habe einen Mönchen mit Material abgefangen, das Karlos belastet, werden parallel gesprochen – was nicht unbedingt die Verständlichkeit für diejenigen erhöht, die „Don Karlos“ nicht gut kennen. Zudem führt die starke Form, der die Schauspieler unterliegen, dazu, dass die Figuren nicht an Kontur gewinnen, keine Entwicklung durchleben. Die Szenen, in denen die Königin Alba, Posa und Don Karlos in ihren Gemächern empfängt, haben beispielsweise immer die gleiche Qualität, was nicht zuletzt daran liegt, dass die Königin jedes Mal zu Beginn der Szene diagonal von links in die vordere rechte Ecke geht, der Gesprächspartner folgt im Abstand. Die Spielweise und Formhaftigkeit, die Fürst und seine Schauspieler im ersten Teil etabliert haben, wird nie gebrochen, sondern teilweise nur noch erfüllt. Da hat Fürst es verschenkt, mehr über die Figuren zu erzählen, gerade im Widerstreit zwischen dem, was am Hof von den Figuren erwartet wird, und dem, was sie trotz aller Etikette und Verhaltensregeln fühlen – wofür eben gerade die formale Anlage der Inszenierung Möglichkeiten geboten hätte.
Eher unglücklich ist auch, dass eine der wichtigsten Figuren des Stücks nicht auf der Bühne steht. Phillip II. unterhält sich mit dem Großinquisitor – in Form einer Stimme vom Band. Diese Auseinandersetzung mit einer eingespielten Stimme scheitert an mangelnder Präsenz, am körperlich abwesenden Antagonisten. Dass dies ausgerechnet bei einer der zentralen Szenen des Stücks der Fall ist, ist äußerst bedauerlich. So bleibt die Macht der Kirche, die schwer auf Spanien lastet, vage.
Mit einer Dauer von über 3 Stunden ist dieser Abend sehr lang geraten. Ihm liegt eine gute Strichfassung zugrunde, die dem Bedürfnis Rechnung trägt, nicht nur ein Vater-Sohn-Mutter-Kondensat, sondern das ganze Stück zu erzählen und somit Posa, der eifersüchtigen Eboli, dem intriganten Alba und der Inquisition ihren Raum zu lassen. Die Schauspieler schlagen sich gut, allen voran sind hier Johann Krummenacher als Philipp und Alexe Limbach als Elisabeth zu nennen. Jörg Fürst geht solide mit seinem Mitteln um, hält seine Sprache konsequent durch. Dennoch überwiegt der Eindruck, dass Fürsts Form der Inszenierung das Stück nicht befruchtet, sondern eher trockenlegt.


Karoline Bendig - red / 27. August 2007
ID 3414
Friedrich Schiller
Don Karlos – Infant von Spanien

Inszenierung: Jörg Fürst
Bühne: Jana Denhoven
Kostüme: Monika Odenthal
Besetzung: Johann Krummenacher (Philipp II.), Alexe Limbach (Elisabeth von Valois), Florian Stiehler (Don Karlos), Fiona Metscher (Eboli), Marquis von Posa (Andreas Spaniol), Herzog von Alba (Christof Hemming)

Premiere am 25.08., Vorstellungen 29.08. bis 02.09., 05. bis 08.09., 03. bis 06.10.

Weitere Infos siehe auch: http://www.theater-im-bauturm.de.





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