Filme, Kino & TV
Kunst, Fotografie & Neue Medien
Literatur
Musik
Theater
 
Redaktion, Impressum, Kontakt
Spenden, Spendenaufruf
Mediadaten, Werbung
 
Kulturtermine
 

Bitte spenden Sie!

Unsere Anthologie:
nachDRUCK # 6

KULTURA-EXTRA durchsuchen...

Feuilleton


Schauspiel Köln

Bernarda Albas Haus

von Federico García Lorca


Elisabeth Trissenaar (Bernarda Alba), Dagmar Sachse (Magdalena) | © Klaus Lefebvre

Zu Beginn gibt es noch farbige Kleider, Lebensfreude, spanische Rhythmen. Die fünf Töchter von Bernarda Alba tanzen durchs Haus. In der Mitte der Bühne und doch außen vor sitzt ihre Mutter, das Treiben ihrer Töchter in ihrem Rücken. Aber schon an dieser Stelle wirkt das Austoben der Töchter hektisch, nicht authentisch, wie Motten schwirren sie umher. Und kurz darauf verkündet ihre Mutter etwas, das ihr Leben von einem Moment auf den anderen einschneidend ändert. Nach dem Tod des Vaters verordnet sie eine fünfjährige Trauerzeit: „Und so lange kommt mir nicht einmal der Wind von der Straße ins Haus. Wie hinter vermauerten Fenstern und Türen werden wir leben.“


Dagmar Sachse (Magdalena), Oda Pretzschner (Martirio), Anja Laïs (Adela), Agnes Mann (Amelia), Sandra Fehmer (Angustias) | © Klaus Lefebvre


Zwar regt sich hier und dort einzelner Widerstand, aber niemand wagt es, ernsthaft aufzubegehren. Die Einzige, die in Bernarda Albas Haus aus der Rolle fallen und Bernarda Alba Kontra geben darf, ist ihre Mutter, die – geistig verwirrt – vor sich hinlebt und zurück ans Meer möchte. Therese Dürrenberger liefert dabei eine beeindruckende Vorstellung einer Frau ab, die eine unglaubliche Kraft hat und dann im nächsten Moment sehr kindlich ist und Hilfe braucht. Kurz vor dem tragischen Ende des Stückes gelingt es ihr fast, aus dem Haus zu entfliehen. Aber sie ist aufgrund ihrer geistigen Verwirrtheit ziel- und orientierungslos. Wie eine Spieluhr spielt sie immer wieder dieselben kleinen Szenen ab. Das ist großes Theater und allein dafür lohnt sich der Besuch.


Oda Pretzschner (Martirio), Elisabeth Trissenaar (Bernarda Alba), Therese Dürrenberger (María Josefa), Vanessa Stern (Magd) | © Klaus Lefebvre


Regisseur Hans Neuenfels dehnt den Abend gnadenlos, verwendet häufig Musik. Dafür tritt der gesprochene Text in den Hintergrund. Auf diese Weise zeigt er aber auch ganz besonders nicht gelebte Lebenszeit. So schmücken in einer Szene die fünf Töchter den Innenhof mit Blumen, feurige spanische Gitarrenrhythmen erklingen, werden lauter, die Mädchen reagieren darauf wie auf ein Versprechen auf eine andere Welt voller Lebensfreude und Lust. Dann bricht die Musik ab, um kurz darauf wieder anzuschwellen. Aber sie bleibt ein unerfülltes Versprechen, eine Chimäre – ähnlich wie Pepe, der mit der ältesten Tochter verlobt ist und für alle Töchter das Sinnbild von Mann schlechthin wird. Überhaupt ist unerfüllte Lust ein wichtiges Thema des Abends: Adela (Anja Laïs) reitet wollüstig auf einem Sattel, während Amelia (Agnes Mann) in schicker Unterwäsche herumläuft und sich einem imaginären Mann präsentiert.
Neuenfels hat in seiner Inszenierung auch die Töchter und die Nebenfiguren im Blick, die im Stück eher eine kleine Rolle spielen. Jede Figur ist präzise gearbeitet. Der Zugriff auf die Figuren gelingt ihm dabei zumeist über Körperlichkeit. Die Magd (Vanessa Stern) beispielsweise ist ständig in Bewegung, gleichzeitig wartet sie mit äußerster Anspannung auf die nächsten Ereignisse, über die sie die Nachbarn unterrichten kann: durchtrieben, hinterhältig und mit einer körperlichen Energie, die sich austoben will.


Anja Laïs (Adela), Christiane Bruhn (La Poncia), Vanessa Stern (Magd) | © Klaus Lefebvre


Bernarda Alba selbst gibt sich der Liebe zu Gott hin. Sie trägt einen Jesus am Kreuz wie ihr persönliches Kreuz über die Bühne, befühlt die aufgemalten Wunden der Plastik, wirft sich vor ihr zu Boden, stochert im Arm herum. Einzelne Glieder der Plastik schmücken ihr Zimmer, und später trägt Bernarda sogar eine Dornenkrone. Auch das ein Zeichen von unerfüllter oder erfüllter Lust – je nachdem, wie man es sehen mag.
Unnahbar, kühl und bestimmt gibt Elisabeth Trissenaar diese Bernarda. Dazu passt auch, dass es ihre Stimme ist, die man zweimal als Einspielung über die Lautsprecher hört. Nur gelegentlich bricht es aus ihr heraus. In einer Szene fordert sie angesichts der Jesusplastik ihre Töchter auf, eine Frau totzuschlagen, die ein uneheliches Kind geboren hat. Adela, unglücklich verliebt, krümmt sich unter der Wucht der Aggression und unter dem unbeirrten und fanatischen (Irr-)Glauben, die an dieser Stelle von ihrer Mutter ausgehen.
In der Konfrontation mit ihren Töchtern ist Bernarda Alba stets unnachgiebig, böse, dogmatisch. Nur La Poncia, Magd im Hause, wagt es, sie zu einer gewissen Vernunft zu ermahnen, lässt sich jedoch selbst immer wieder in Spitzeldienste einspannen, pflegt ihre Aggressionen gegen ihre Herrin und ist nicht in der Lage, deren Einfluss zu entrinnen. Sie ist eine Vermittlerin, die aber zu schwach und zu abhängig ist, um die Parteien wirklich zu einem Dialog zu führen. Bernarda dagegen ist längst ganz weit entfernt von ihren Töchtern und lebt in ihrer Welt des Glaubens.

Der Clou des Stücks ist neben der durchweg überzeugenden schauspielerischen Leistung die Bühne von Christof Hetzer. Hohe graue Wände, die sich in der Mitte treffen und ein Kreuz formen. Die Wände, in denen sich immer neue Öffnungen auftun und beim nächsten Mal wieder geschlossen sind, werden von fleißigen Helferinnen verschoben, und so bilden sich immer wieder neue Räume, die doch ähnlich sind. Nur eine Tür nach draußen gibt es nicht.
Sicherlich mag manch einer die Dehnung des Stückes auf drei Stunden als anstrengend empfinden – aber es ist ein gewisse Zeitspanne vonnöten, um diese Grundgefühl von nicht gelebtem Leben zu vermitteln. Alle Schauspielerinnen spielen auf einer Höhe, die am Kölner Schauspiel in dieser Form selten zu sehen ist. „Bernarda Albas Haus“ ist so oder so keine leichte Kost, aber viele Momente in Neuenfels’ Inszenierung sind äußerst anregend und wirken weit über den Abend hinaus.


Karoline Bendig - red / 20. Februar 2007
ID 3006
Bernarda Albas Haus
Schauspiel von Federico García Lorca


Regie: Hans Neuenfels
Bühne: Christof Hetzer
Kostüme: Elina Schnizler
Musik: Harald Blüchel
Besetzung: Elisabeth Trissenaar (Bernarda Alba), Therese Dürrenberger (Maria Josefa, Bernardas Mutter), Sandra Fehmer (Angustias, Bernardas Tochter), Dagmar Sachse (Magdalena, Bernardas Tochter), Agnes Mann (Amelia, Bernardas Tochter), Oda Pretzschner (Martirio, Bernardas Tochter), Anja Laïs (Adela, Bernardas Tochter), Christiane Bruhn (La Poncia, Magd), Vanessa Stern (Magd), Birgit Walter (Prudencia)

Premiere am 3. Februar 2007, weitere Termine am 25. Februar; 3., 4., 7., 9., 12., 29. März 2007

Weitere Infos siehe auch: http://www.buehnenkoeln.de/buehnenlite/schauspiellite/index.htm





  Anzeigen:



THEATER Inhalt:

Kulturtermine
TERMINE EINTRAGEN

Rothschilds Kolumnen

BALLETT |
PERFORMANCE |
TANZTHEATER

CASTORFOPERN

DEBATTEN
& PERSONEN

FREIE SZENE

INTERVIEWS

PREMIEREN-
KRITIKEN

ROSINENPICKEN
Glossen von Andre Sokolowski

THEATERTREFFEN

URAUFFÜHRUNGEN


Bewertungsmaßstäbe:


= nicht zu toppen


= schon gut


= geht so


= na ja


= katastrophal


Home     Datenschutz     Impressum     FILM     KUNST     LITERATUR     MUSIK     THEATER     Archiv     Termine

Rechtshinweis
Für alle von dieser Homepage auf andere Internetseiten gesetzten Links gilt, dass wir keinerlei Einfluss auf deren Gestaltung und Inhalte haben!!

© 1999-2024 KULTURA-EXTRA (Alle Beiträge unterliegen dem Copyright der jeweiligen Autoren, Künstler und Institutionen. Widerrechtliche Weiterverbreitung ist strafbar!)