Double Serpent
von Sam Max
Hessisches Staatstheater Wiesbaden
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Bewertung:
Doppeltes Wiedersehen bei Double Serpent im Haus der Berliner Festspiele. Regisseur Ersan Mondtag ist, seit er 2019 für seine Inszenierung Das Internat den 3sat-Preis erhielt, mal wieder zu Gast beim THEATERTREFFEN. Wie damals steht die Inszenierung am Ende der zweiwöchigen Präsentation der 10er-Auswahl der Jury. Autor Sam Max hatte hier 2020 mit seinem Stück Zaun einen ersten Auftritt beim nicht mehr existierenden Stückemarkt. Im April 2024 brachte er sein Stück Wüste am Deutschen Theater Berlin in Eigenregie zur Uraufführung. Ebenfalls 2024 ist am Hessischen Staatstheater Wiesbaden sein Auftragswerk Double Serpent von Ersan Mondtag uraufgeführt worden.
Für Das Internat zeichnete Ersan Mondtag noch für Regie, Bühne und Kostüme verantwortlich. Bei Double Serpent beschränkt er sich nur auf die Regie. Und trotzdem ist auch hier ein Gesamtkunstwerk aus Bild, Text und Sprache entstanden, das mehr in den Bereich performative Installation gehört. Wer Ersan Mondtag als bildenden Künstler entdecken will, kann dies momentan in der Berliner Galerie König in Kreuzberg, wo Teile der Kulissen und Videoaufnahmen seiner installativen Performance für den Deutschen Pavillon auf der Biennale in Venedig aus dem letzten Jahr ausgestellt sind.
Die Bühne für Double Serpent hat Alexander Naumann gestaltet. Teresa Vergho ist beim THEATERTREFFEN ebenfalls keine Unbekannte. Sie hat bereits Kostüme für eingeladene Inszenierungen von Pinar Karabulut, Susanne Kennedy, Johan Simons und Alain Platel gefertigt. Eine enge Zusammenarbeit verbindet sie auch mit Ersan Mondtag. Naumanns Bühne zeigt eine Jugendstil-Sauna mit Treppe und rundem Wasserbecken. Auf das große Fenster im Hintergrund werden immer wieder computeranimierte Videos (Luis August Krawen) projiziert. Vergos in Rot gehaltenen Kostüme unterstreichen ebenso die Künstlichkeit des Settings wie die langsam artikulierte Sprache oder der Gang der Schauspieler. Obwohl es im Stück um illegale Organtransplantationen, Machtmissbrauch und sexuelle Gewalt geht, bleibt die Inszenierung immer wohltemperiert, aber stets auch unheimlich.
Das Stück erzählt die Geschichte des jungen Innenarchitekten Conner (Lasse Boje Haye Weber), der eine schwule BDSM-Beziehung mit dem älteren Filmproduzenten Felix (Timur Frey) führt. Als dieser von einem Ex-Partner des Missbrauchs beschuldigt wird, fühlt sich Conner in seine Kindheit zurückversetzt, die er im Safe House seines Adoptivvaters (Felix Strüven) verbracht hat. Um die illegalen Organentnahmen an armen jungen Männern für reiche Klienten zu verbergen, sperrte Fake Dad Conner in den Keller, wo der Junge mit einem fiktiven Freund Eric (Jonas Grundner-Culemann) das Computerspiel Double Serpent (Doppelschlange) spielte. Nun verschwimmen Zeiten, Orte und Figuren. Was ist Trauma, Realität oder Spiel? Mondtag erzeugt mit Sounds, Bühnennebel und Lichtwechseln Stimmungen und etwas Spannung, die dem Text von Sam Max eigentlich fehlt.
Natürlich spielt das Stück auch auf den Unterschied zwischen arm und reich, Straße und Penthouse an. Der Hausmeister Eric (wieder Jonas Grundner-Culemann), den Conner zum Sex in das Appartement von Felix einlädt, muss als Zeichen seiner Herkunft berlinern. Das wirkt etwas belustigend, wie auch der etwas ungelenke Sex der beiden. Hier finden die beiden zeitlichen Ebenen endlich in einer albtraumhaften Szene mit Ku-Klux-Klan-ähnlichen Zipfelmützenmännern zusammen. Inszenatorisch wird dabei plötzlich sehr viel aufgefahren, bis das Ganze dramatisch wieder abflacht. Der genrehafte Crime-Plot soll durch das düstere Ambiente des Raums verstärkt werden. Die Darstellung von Gewalt wird hier aber zum rein ästhetisches Theatervergnügen, das man nicht unbedingt teilen muss.
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Double Serpent von Sam Max - am Hessischen Staatstheater Wiesbaden | Foto (C) Thomas Aurin
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Stefan Bock - 18. Mai 2025 ID 15271
Double Serpent (Haus der Berliner Festspiele, 17.05.2025)
von Sam Max, aus dem Amerikanischen von Wilke Weermann
Regie: Ersan Mondtag
Bühne: Alexander Naumann
Kostüme: Teresa Vergho
Musik: Benedikt Brachtel
Licht: Rainer Casper und Steffen Hilbricht
Video: Luis August Krawen
Dramaturgie: Till Briegleb
Mit: Timur Frey (als Connor), Lasse Boje Haye Weber (als Felix), Felix Strüven (als Fake Dad), Jonas Grundner-Culemann (als Eric 1/ Eric 2) und Statisten
UA am Hessischen Staatstheater Wiesbaden: 29. September 2024
Gastspiel zum THEATERTREFFEN 2025
Weitere Infos siehe auch: https://www.berlinerfestspiele.de/
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