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nachDRUCK # 6

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Premierenkritik

Isolation und

gestörte

Kommunikation



Das Schloss am Schauspiel Leipzig | Foto (C) Rolf Arnold / Schauspiel Leipzig

Bewertung:    



Fast zwei Jahre, durch mehrere Lockdowns verhindert, hat die Kafka-Inszenierung von Philipp Preuss bis zur Premiere gebraucht. Aus der Not eine Tugend machend entwickelte der Leipziger Hausregisseur bereits im April 2020 ein Zoom-Projekt mit dem Titel k., das in 4 Folgen Kafkas Texte digital zum im ersten Lockdown sitzenden Publikum brachte. Die Bilder der DarstellerInnen in den typischen Videokonferenzkacheln flimmern nun beim Einlass über den Gazevorhang.

Das Schloss ist eines der drei bekannten Romanfragmente Franz Kafkas, das auch immer wieder gern für die Bühne adaptiert wird. Philipp Preuss befasst sich in seiner Fassung fast ausschließlich, soweit man das am fragmentarischen Textzugriff erkennen kann, mit Szenen um das Wirtshaus Herrenhof, in dem der Landvermesser K. Zugriff zu Vertretern des Schlosses wie den ominösen Klamm erlangen will und eine Beziehung zum Schankmädchen Frieda beginnt. Der Regisseur setzt an den Anfang aber die Kurzgeschichte Die Brücke, die Markus Lerch mit langem Haar und Rucksack beim Gang aus dem Saal auf die Bühne spricht. Dort stehen wie verloren die anderen DarstellerInnen mit Pappmaché-Steinen als Kopf, während der Livemusiker Kornelius Heidebrecht In Every Dream Home A Heartache von Roxy Music auf dem Keyboard spielt. Ein starkes Intro für den 2-1/2-stündigen Abend.

Inszenierungen von Philipp Preuss haben immer auch etwas Traumhaftes. Herzschmerz muss man hier aber nicht befürchten. Die Bühne von Ramallah Aubrecht ist mit Kunststoffschneeflocken bedeckt, an den Seiten stehen Klaviere und ein dreiteiliger Goldvorhang fährt immer wieder rahmend rauf und runter. Zunächst wird viel im Chor gesprochen. Die Rollenverteilung ist fluid, wenn sich auch die bekannten Figuren des Romans wie K. (Roman Kanonik), seine Gehilfen (Alina-Katharin Heipe, Elzemarieke de Vos), der Bote Barnabas (Markus Lerch), Frieda (Bettina Schmidt), Die Wirtin (Andreas Keller) und Pepi (Annett Sawallisch) immer wieder herauskristallisieren.

*

Der Fokus liegt auf der Darstellung der Isolation Ks und seinem Bemühen gegen die undurchsichtige Hierarchie, die Bürokratie und deren Vertreter aus dem Schloss anzukämpfen. Dabei spielen vor allem die Frauenfiguren des Romans eine große Rolle. Neben Frieda sind das die Schwestern Barnabas, Olga und Amalia, die eine Affäre mit dem Beamten Sortini ablehnt, was die Familie genau wie K. zu Außenseitern im Dorf macht. Es ist für Leute, die den Inhalt des Romans nicht kennen, etwas schwer den ausgewählten Textfragmenten zu folgen. Irgendeine Linie, entlang der sich das Geschehen entwickelt, ist nicht wirklich erkennbar. Preuss lässt sein Ensemble meist als Gruppe gegen eine einzelne Figur ansprechen. Thema Isolation. Mal schnattern die DarstellerInnen dabei unverständlich ihren Text einzeln vorn an der Rampe, dann starren sie wieder einfach nur stumm ins Publikum. Da wird das viel bemühte Attribut „kafkaesk“ schnell zu einem grotesk.

Der Abend zerfällt zur Mitte auch sichtlich in zwei Teile, wenn der Eiserne Vorhang heruntergeht und die DarstellerInnen als Mosaik von Einzelbildern auf den Vorhang projiziert werden. Bettina Schmidt hat davor ihren Auftritt als Frieda. Dann wird der Kunstschnee weggefegt und alle schmieren sich am ganzen Körper schwarz ein. Wozu eigentlich? Da ist von Gespenstern die Rede, und Andreas Keller posiert als gefederte Wirtin, die mit K über ihre Kleider spricht. Der Musiker Heidebrecht liest Kafkas bekannten Text Der Bau über ein Tier, dass sich in einem unterirdischen Bauwerk gegen äußere und innere Feinde abschottet, während ein Hund davor hörbar sein Fressen kaut.

Die Live-Kamera wandelt viel durch die Gänge des Leipziger Schauspiels bis in die Straßen davor. In einem abschließenden Monolog spricht Annett Sawallisch als Pepi einen Eifersuchtsmonolog. Philipp Preuss‘ Inszenierung lässt sich wie Franz Kafkas Romanfragment nicht in Gänze entschlüsseln. Es fehlt einem doch etwas der Zugang zur Gedankenwelt des Regisseurs, der sich über die lange Zeit des Wartens auf die Aufführung wohl nicht von allen seinen Ideen trennen wollte. Isolation, gestörte Kommunikation und ein kaum zu durchdringender Regelapparat. Willkommen in der Pandemie.



Das Schloss am Schauspiel Leipzig | Foto (C) Rolf Arnold / Schauspiel Leipzig

Stefan Bock - 22. Januar 2022
ID 13413
DAS SCHLOSS (Schauspiel Leipzig, 21.01.2022)
Regie: Philipp Preuss
Bühne: Ramallah Aubrecht
Kostüme: Eva Karobath
Video/Live-Video: Konny Keller
Musik/Live-Musik: Kornelius Heidebrecht
Dramaturgie: Georg Mellert
Licht: Carsten Rüger
Mit: Alina-Katharin Heipe, Roman Kanonik, Andreas Keller, Markus Lerch, Annett Sawallisch, Bettina Schmidt und Elzemarieke de Vos
Premiere war am 21. Januar 2022.
Weiterer Termin: 27.02.2022


Weitere Infos siehe auch: https://www.schauspiel-leipzig.de/


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