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Uraufführung

Recht,

Rache und

Opfermythen



vendetta vendetta (a bunch of opfersongs) von Thomas Köck am Schauspiel Leipzig | (C) Rolf Arnold

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Die Rache wurde in der modernen Gesellschaft in das Reich der Kunst verbannt. So könnte man zumindest angesichts entsprechender Geschichten aus Literatur, Theater und Film denken. Besonders in der Oper ist die Rache ein großes Thema. "La Vendetta" heißt eine bekannte Arie aus Mozarts Le nozze di Figaro. Ständig sinnt hier jemand auf persönliche Rache. Dass Rache schon immer auch eine kollektive Tat war, scheint man mit der Zeit verdrängt zu haben. Ein Beispiel dafür ist die Rache für den Tod der Lucretia, die sich nach einer Vergewaltigung selbst tötete, was eine Revolte gegen das Königshaus von Rom zur Folge hatte. Der Opfer-Mythos von der Gründung der Republik. Rache und ihre Opfer dienten also auch für sogenannte Gründungsmythen. Der österreichische Dramatiker Thomas Köck hat die Rache in seinem neuen Stück vendetta vendetta (a bunch of opfersongs), eine Auftragsarbeit für das Schauspiel Leipzig, zum Thema gemacht. Als Beispiele dienen ihm eben jene Lucretia und ein weiteres Rachedrama aus dem Kanon des Theaters. Medea, die seit 2.500 Jahren auf allen Bühnen der Welt aus Rache an ihrem untreuen Ehemann Jason ihre beiden Kinder tötet.

Kollektive oder Einzeltat, chorisch gesungene Rache gibt es in der Oper kaum. Daher lässt der Autor, der hier auch sein eigener Regisseur ist, einen Chor von 9 Frauen berühmte Rachearien chorisch vortragen. Neben Mozarts Figaro, hat Andreas Spechtl noch "Der Hölle Rache" aus der Zauberflöte, "Si vendetta tremenda vendetta" aus Verdis Rigoletto und "Sol la brama di vendetta" aus Händels Faramondo für den Chor neu arrangiert. Also ein Haufen von Rachesongs, zu denen Köck noch die Stimmen der Opfer montiert, die hier als Lucretia und Medea in Gestalt der Ensemblemitglieder Dirk Lange, Amal Keller und Denis Petković in grünen Gewändern und langen blonden Haaren auf der Hinterbühne auftreten. Dort hat Martin Miotk einen Prospekt mit großer Treppe gebaut. Die Nachbildung eines römischen Forums inspiriert von Sandro Botticellis Gemälde Die Geschichte der Lucretia. „Ich bin ein Mythos.“ „Immer dieselbe Scheiße.“ Immer wieder opfern, kein Ende in Sicht.

Es muss nicht immer eine dreiteilige Orestie sein. Auch in Köcks Text geht es um Recht oder Rache. Ansonsten noch um die erodierende Mitte, Kränkungen, Wut, den Sturm auf das Capitol, Coronademos und Shitstorms im Internet. Kann es eine Rechtsprechung ohne Opfer geben, oder werden Opferlämmer und Sündenböcke weiterhin gebraucht? Die Frage bewegt die drei Rache- und Opfergöttinnen, die sich nacheinander immer wieder von der hohen Treppe in den Innenraum des Theatersaals stürzen. Dazu singt der Chor in mittelalterlichen bis futuristischen Kostümen formvollendet seine Vendetta-Choräle. Aber so schön der Chor auch singt, so dünn ist leider auch der Text von Thomas Köck, der sich seit seiner Ring-Überschreibung am Berliner Ensemble für die Oper interessiert. Aber auch das war schon eher mittelprächtig. Für eine moderne Rachebewältigungs-Oper fehlt dieser 80-minütigen Mini-Vendetta leider das entsprechende Libretto und die richtige Fallhöhe.



vendetta vendetta (a bunch of opfersongs) von Thomas Köck am Schauspiel Leipzig | (C) Rolf Arnold

Stefan Bock - 16. Februar 2022
ID 13460
vendetta vendetta (a bunch of opfersongs) (Hinterbühne, 13.02.2022)
von Thomas Köck

Inszenierung & Choreinstudierung: Thomas Köck
Musik & Choreinstudierung: Andreas Spechtl
Bühne und Kostüme: Martin Miotk
Dramaturgie: Torsten Buß und Matthias Döpke
Video: Kai Schadeberg
Licht: Jörn Langkabel
Mit: Amal Keller, Dirk Lange, Denis Petković, Tina Bolle, Sabine Brückner, Jennifer Demmel, Noa Flach, Anne Kerlin, Katharina Nürnberger, Carmen Orschinski, Robin Heleen Rauhut und Uta Sander
UA am Schauspiel Leipzig: 12. Februar 2022
Weitere Termine: 19., 20.02. / 20., 30.03.2022


Weitere Infos siehe auch: https://www.schauspiel-leipzig.de/


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