Lieber gleich
Cassavetes
LE PASSÉ von Leonid Andrejew
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Bewertung:
Es sind jetzt rund zwei Jahrzehnte, seit Frank Castorf sich mit der Videokamera hinter die Kulissen begab und die Vorstellung von Theater bei der jüngeren Generation nachhaltig veränderte. Viele haben es ihm nachgemacht. Aber wie lange darf eine Entwicklung in den Künsten als überraschend und als Avantgarde gelten?
Der französische Regisseur Julien Gosselin hat auf der Grundlage von Texten des russischen Schriftstellers und Zeitgenossen Maxim Gorkis Leonid Andrejew (1871-1919) unter dem Titel Le Passé ein viereinhalbstündiges Bühnenwerk – ein Bühnenwerk? – inszeniert, das jetzt bei den Salzburger Festspielen gastierte. Die erzählende und dramatische Produktion des im deutschen Sprachraum weitgehend vergessenen Andrejew steht mit ihrem Pessimismus und gelegentlichen Hang zum Irrationalismus in scharfem Gegensatz zum Menschheitspathos des Jugendfreunds Gorki.
Auf der Bühne ist bei Gosselin fast nichts zu sehen. Die üppigen Dialoge finden – hallo Castorf – fast ausschließlich als simultane Übertragungen auf einer riesigen Leinwand oberhalb des Bühnenraums statt, über lange Strecken nur schriftlich für jene Zuschauer, deren Französisch für eine akustische Rezeption der Stimmen hinter dem Vorhang nicht reicht. Ewig lang untermalt eine Soundlandschaft inklusive Edvard Grieg das abhandene Geschehen. Nach eineinhalb Stunden bricht eine Reminiszenz an Tschechow ein mit einer Datscha, die an den hyperrealistischen Nachbau eines Holzhauses, in das es hineinregnet, durch den Georgier Vajiko Chachkhiani auf der Biennale des Jahres 2017 in Venedig denken lässt.
Als Filmemacher aber erreicht Julien Gosselin nicht einmal Mittelmaß. Da ist gut beraten, wer, statt ins Landestheater zu pilgern, gleich Filme von Ingmar Bergman oder John Cassavetes ansieht. Sie ersparen einem zudem die Großaufnahmen mit Mikroport.
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Le Passé | © Simon Gosselin
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Thomas Rothschild - 3. August 2025 ID 15392
Le Passé (Landestheater, 02.08.2025)
von Leonid Andrejew
Regie: Julien Gosselin
Bühne: Lisetta Buccellato
Kostüme: Caroline Tavernier und Valérie Simmoneau
Musik: Guillaume Bachelé und Maxence Vandevelde
Licht: Nicolas Joubert
Video: Jérémie Bernaert, Pierre Martin und Baudouin Rencurel
Sound: Julien Feryn
Dramaturgie: Eddy D’Aranjo
Mit: Guillaume Bachelé, Joseph Drouet, Denis Eyriey, Carine Goron, Victoria Quesnel, Achille Reggiani und Maxence Vandevelde
Eine Produktion von Si vous pouviez lécher mon coeur
Weitere Infos siehe auch: https://www.salzburgerfestspiele.at
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