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AUTOR:INNENTHEATERTAGE | Castorfopern (36)

Lärm. Blindes

Sehen. Blinde

Sehen!
von

Elfriede

Jelinek

Burgtheater Wien


Foto (C) Matthias Horn

Bewertung:    



Mit Lärm. Blindes Sehen. Blinde Sehen! von Elfriede Jelinek und Monte Rosa von Teresa Dopler waren an diesem Wochenende bei den AUTOR:INNENTHEATERTAGEN die unmittelbaren Konkurrentinnen von Mülheimpreisträgerin Sivan Ben Yishai zu sehen. Die Inszenierungen von Frank Castorf für das Burgtheater Wien und von Matthias Rippert für das Staatstheater Hannover sind allerdings nicht die Uraufführungen. Dennoch schaffte es die deutsche Erstaufführung des Dopler-Stücks von Matthias Rippert nach Mülheim, während die Uraufführung von Daniel Hoevels am Landestheater Niederösterreich in der Aufmerksamkeit etwas unterging. Der Jelinek-Text war in der Uraufführung von Karin Beier am Deutschen Schauspielhaus Hamburg in Mülheim vertreten.

*

Frank Castorf macht für gewöhnlich aus einem Theaterstück auch eher sein eigenes Ding. Und so geht er natürlich auf seine Art relativ frei mit dem Jelinek-Text um, der sich weitschweifig um die Auseinandersetzung der österreichischen Nobelpreisträgerin mit dem Corona-Virus, dem Superspreader-Event im Skiort Ischgl, dem österreichischen Exkanzler Kurz und den mit dem Kirke-Mythos aus der Odyssee kurzgeschlossenen Zuständen in Schweine-Schlachthöfen dreht.

Zu Beginn nimmt Castorf den Titelanfang sehr wörtlich und lässt seine Schauspieler:innen zu martialischer Begleitmusik den Kirke-Text brüllen. Allerdings verliert sich die nach reichlichem Mahl in Schweine verwandelte Mannschaft des Odysseus hier etwas zu sehr im Homer‘schen Text, dem Frank Castorf noch weitere Fremdtexte folgen lässt. Was allerdings nur mäßig zur Erweiterung des Stückhorizonts beiträgt. So gibt es Splitter aus Daniel Defoes Die Pest in London, Alexandre Dumas Der Graf von Monte Christo, Fahim Amirs mit dem Karl-Marx-Preis ausgezeichnetem Essay Schwein und Zeit - Tiere, Politik, Revolte, Max Horkheimers hierarchischer Darstellung von Mensch- und Tierelend Der Wolkenkratzer und Die Marter der Hoffnung aus Grausame Geschichten von Graf de Villiers de l'Isle Adam, den außer Frank Castorf vermutlich kein Mensch kennt.



Lärm. Blindes Sehen. Blinde Sehen! von Elfriede Jelinek am Burgtheater Wien | Foto (C) Matthias Horn


Verausgabung ist Castorfs Markenzeichen. Hier dürfen das vor allem die Männer des Burgtheater-Ensembles. Während Burg-Altmime Branko Samarovski als blind umherirrender Rabi Aser Abarbanell einen noch relativ leichten Part hat, spielt Mehmet Ateşçi im Voodoo-Priester-Outfit mit Baströckchen (Kostüme: Adriana Braga Peretzki) Hau-den-Lukas, und Marcel Heuperman im Schweinchenkostüm darf sich fast am Ende minutenlang mit kapitalismuskritischen Ökonomiephrasen die Seele aus dem Leib brüllen inklusive Spuckwarnung in die erste Reihe. Die Damen des Abends (Dörte Lyssewski, Marie-Luise Stockinger und Andrea Wenzl) haben ihren großen Auftritt im Bier- und Wodka-reichen Ischgl-Teil. Das Schwein Edmund konnte leider aus Wien nicht anreisen.

Aleksandar Denic hat ein für seine Verhältnisse relativ einfaches Bühnenbild geschaffen, das aus einem riesigen antiken Kopf mit Hohlraum und einem Bretterzaun besteht, hinter dem sich noch eine Lounge und ein Käfig befinden aus dem mit der obligatorischen Live-Kamera auf eine Leinwand übertragen wird. Ein relativ mondäner mit Stroh ausgefüllter Schweinekoben. Es wird viel gebrüllt, geröchelt und nach Atem gerungen. Den Corona-Leugner-Passagen räumt Castorf viel Wort-Raum ein. Im Dauerhüpfgang bekommt Sebastian Kurz sein Fett weg. In ein paar ruhigen Momente können Dörte Lyssewski und Branko Samarovski auch mal ein paar alte Theatergeschichten austauschen. Ansonsten dürften an dem mit 3,5 Stunden inklusive Pause recht kurzem Castorf-Abend nur Leute, die sonst nach dieser Zeit bereits in der Pause gegangen sind, ihren Spaß gehabt haben.




Stefan Bock - 12. Juni 2022
ID 13669
LÄRM. BLINDES SEHEN. BLINDE SEHEN! (Deutsches Theater Berlin, 11.06.2022)
von Elfriede Jelinek

Regie: Frank Castorf
Bühne: Aleksandar Denic
Kostüme: Adriana Braga Peretzki
Musik: William Minke
Videodesign und Kamera: Andreas Deinert
Licht: Lothar Baumgarte
Dramaturgie: Sebastian Huber
Live-Kamera: Mariano Margarit
Live-Videocutter: Georg Vogler
Tonangel: Flora Rajakowitsch
Mit: Mehmet Ateşçi, Marcel Heuperman, Dörte Lyssewski, Branko Samarovski und Marie-Luise Stockinger
UA am Deutschen Schauspielhaus Hamburg: 5. Juni 2021
Eine Produktion des Burgtheaters Wien
Gastspiel zu den AUTOR:INNENTHEATERTAGEN 2022


Weitere Infos siehe auch: https://www.deutschestheater.de/programm/a-z/autorinnentheatertage2022/


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AUTOR:INNENTHEATERTAGE

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