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Festival

Eröffnung



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Am vergangenen Mittwoch wurde in der Kulturbrauerei Prenzlauer Berg die 4. Ausgabe der Pop-Kultur Berlin eröffnet. Das von Katja Lucker, Chefin des Musikboards Berlin, geleitetet und von Martin Hossbach sowie Christian Morin kuratierte Musik-Festival scheint nun doch seine endgültige Heimstatt in dem durch Gentrifizierung, Clubsterben und Anwohnerproteste gegen jegliche Art sich lautstark artikulierender Party- oder künstlerischer Subkultur geprägten Stadtteils gefunden zu haben. Wie im letzten Jahr nutzt die Pop-Kultur weite Teile des an Clubs, Konzertlocations und anderen kulturellen Einrichtungen immer noch reichen Areals zwischen Schönhauser Allee, Danziger, Knaack- und Sredzkistraße. In die Fußstampfen der hier vor Jahren ebenfalls beheimateten Popkom ist man damit aber nicht getreten, das Festival betont seine Branchenunabhängigkeit und will vor allem neue Trends in der nationalen wie internationalen Popszene jenseits des Mainstreams aufzeigen. Mitfinanziert wird es seit Beginn von der Senatsverwaltung für Kultur und Europa, deren Chef, Kultursenator Klaus Lederer (Die Linke), nicht müde wird, die Verantwortung, Unterstützerrolle und Förderfunktion der Berliner Kulturpolitik zu betonen. Und auch der Bund beteiligt sich wie im letzten Jahr bei der Finanzierung der sogenannten Commissioned Works, für die bestimmt KünstlerInnen aufgefordert sind, eigene Programmteile, die über herkömmliche Konzerte hinausgehen, beizusteuern.

*

Plunderphonia heißt so eine vom Berliner Musikproduzenten Henrik Schwarz verantwortete Auftragsarbeit, die dann allerdings genau das ist, nämlich ein Konzertprojekt von ihm mit dem holländischen Alma Quartet, bei dem aber die Besonderheit darin liegt, dass Schwarz extra dafür seine Lieblingsauszüge aus sage und schreibe 350 Jahren für Streichquartette komponierter Musik zu einer neuen durchgängigen Gesamtkomposition zusammengesampelt und mit den vier holländischen Streichern einstudiert hat. So konnte das Publikum im Kesselhaus der Kulturbrauerei übergangslos und elektronisch neu abgemischt Werkfetzen von Klassikern wie Ludwig van Beethoven, Wolfgang Amadeus Mozart, Antonio Vivaldi, Antonin Dvořák oder Franz Schubert neben denen von Komponisten neuerer Musik wie Philip Glass, Astor Piazzolla, Arvo Pärt, Alfred Schnittke oder Terry Riley hören. Ein durchaus interessanter und exzellent vorgetragener Musikmix, der allerdings auch keine allzu große Neuerung in der Pop-Musik darstellt.



Henrik Schwarz und das Alma Quartet | (C) Arenda de Hoop


Die in Hamburg lebende britische Musikerin Sophia Kennedy präsentierte dann im RambaZamba Theater ihre Musik- und Video-Performance Sky Blue Cowgirl als eine Art Hommage an den Regisseur David Lynch, wie man hörte. Sehr düster und geheimnisvoll wie dessen Filme war der Vortrag dann aber nicht, eher gut abgehangener Elektropop, bei dem Goldene-Zitronen-Musiker Mense Reents mitmischte und zu dem Videokünstlerin Rosanna Graf ein paar Videos beisteuerte. Ein Lebenslauf in Musik und Bildern sowie einer Tanzperformance von Rapper Pokey inklusive Live-Bullriding.

Weitere Commissioned Works werden folgen. Wie etwa von der US-Punk-Ikone Lydia Lunch, dem 88jährigen Krautrocker und Can-Mitstreiter Irmin Schmidt oder dem RambaZamba Theater, das mit dem Stück Rausch Royal als einer der Programmpunkte für die vom Festival neben der Frauenförderung angestrebte Inklusion sorgen soll. Bei einigen Veranstaltungen wird zudem die Gebärdensprachdolmetscherin Laura Schwengber gehörlosen FestivalbesucherInnen Texte und Sound übersetzen, was sie schon erfolgreich in Musikvideos der Rockband AnnenMayKantereit, bei Konzerten des Babelsberger Filmorchesters oder dem Wacken Open Air getan hat.

Ansonsten gehörte der Auftakt auffällig vielen schwarz gekleideten Leuten, die sich als Fans der Gothic-Rock-Sängerin Chelsea Wolfe erwiesen, die ihre helle Stimme zu düsteren Metallklängen ihrer Band im Kesselhaus der Kulturbrauerei erschallen ließ. Gut headbangen konnte man auch zur Musik der Stuttgarter Post-Punk und Noise-Rock-Band Die Nerven, die nach den Soloambitionen des Sängers Max Rieger im letzten Jahr nun wieder als Trio zu hören waren. Die Gitarren- und Metallfraktion wird auch in den kommenden Tagen bei ihren HeroInnen wie Anna von Hausswolff, Drangsal oder dem dänischen Geheimtipp Myrkur auf ihr Kosten kommen.



Chelsea Wolfe | (C) Zohn Mandel


Kleinere Formate von elektrisch verstärkter Gitarrenmusik oder elektronischem Turntable-Gefrickel kann man im Franzz-Club, der Kantine oder dem Club 23 hören. Am Eröffnungsabend gab es da schon interessante Kostproben von der Hamburger Rock-Band Swutscher, die die frühen Element of Crime mit tanzbarem Schrammelrock und der verräucherten Stimme von Sänger Sascha Utech zusammenführen. Wilder Westen im hohen Norden. Mal was anderes von der Hamburger Schule und dem Label Staatsakt, das einige seiner Bands auf dem Festival präsentieren wird. Anders das Pop-Duo Islamiq Grrrls & oOoOO. Die Berliner Kollaboration des US-amerikanischen Elektro-Musikers Chris Dexter Greenspan und der deutschen Sängerin mit bosnischen Wurzeln Islamiq Grrrls brachte ihre turntable-verstärkten Gitarrenklänge und Texte mit politischer Sendung in der Kantine zu Gehör.

* * *

Der Politik gehören (leider, muss man sagen) auch die letzten Zeilen dieses Berichts. Wie im letzten Jahr gab es ein paar Konzert-Absagen aufgrund des perfiden Engagements der Israel-Boykott-Kampagne BDS, die sich an der Reisekostenübernahme für israelische KünstlerInnen durch die israelische Botschaft stört. Das Festival nahm das zum Anlass, über die Sinnhaftigkeit und Konsequenz des politischen Druckmittels Boykott in der Kunst zu sprechen. Das Pannel mit der israelischen Autorin Lizzie Doron​ (Sweet Occupation) und Klaus Lederer​ ist allerdings, wie man ebenfalls hörte, ziemlich lautstark aus dem Ruder gelaufen. BDS-Aktivisten störten massiv die Veranstaltung, was nur wieder die fehlende Gesprächsbereitschaft der ideologisch fanatisierten Israel-Hasser verdeutlicht. Das Festival wird sich deren Bestrebungen auch weiterhin nicht beugen, wie Katja Lucker klarmachte.

Stefan Bock - 17. August 2018
ID 10853
Weitere Infos siehe auch: http://www.pop-kultur.berlin/


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