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Gastspiel

Himmlische

Töne



Les Arts Florissants | Foto (C) Guy Vivien

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"Spirituellen und moralischen Urwald" (Selva morale e spirituale) hat Claudio, il Divino – wie Claudio Monteverdi von seinen Musikerkollegen genannt zu werden pflegte - sein 37teiliges Kompendium bezeichnet, das 1641 erschien. Mit Auszügen aus dieser beeindruckenden Sammlung von geistiger und weltlicher Musik hat William Christie und sein hervorragendes Ensemble Les Art Florissants am Mittwochabend das Publikum im großen Saal der Philharmonie Berlin auf Wolke Sieben im barocken Musikhimmel gebeamt.

Die Bäume in Monteverdis Wald sind so verschieden und einzigartig wie seine Rhythmen und Töne, wie Christies filigrane und blumige Arbeit an Pult, Orgel und Cembalo und wie die unterschiedlichen Gattungen und Epochen es sind, in der die Noten auf Monteverdis Partitur kamen!

Vor 450 Jahren wurde Claudio Monteverdi (1567–1643) geboren, und dieses nun zu Ende gehende Jahr hat ihn überall gebührend gefeiert. Auch William Christie hat sein immer im August stattfindendes Barockmusikfestival in Thiré (Frankreich) „Dans les Jardin de William Christie“ [wir haben regelmäßig darüber berichtet; s. Links unten] 2017 dem göttlichen Claudio gewidmet. In der Staatsoper fand gerade letzte Woche die Premiere von Monteverdis letzter Oper L’Incoronazione di Poppea statt.

Aussagekräftig, abwechslungsreich und eindrucksvoll war das Programm, das Christie für sein Gastkonzert zusammengestellt hatte. Komplett kann dieses wunderbare (Alters-) Werk - das zwei Jahre vor seinem Tod und ein Jahr vor seiner letzten Oper veröffentlicht wurde und die Musikgeschichte entscheidend beeinflusste, ja veränderte - an einem Abend gar nicht aufgeführt werden. Sein Umfang hat dafür gesorgt, dass der venezianische Verleger Bartolomeo Magni ein paar Jahre brauchte, bis er damit den frühbarocken Musikmarkt verschönern konnte.

Die Sammlung besteht aus einer vierstimmigen Messe, Psalmenvertonungen, Hymnen für den Vespergottesdienst, Madrigalen und Motetten. Gewidmet hat es Monteverdi Herzogin Eleonora Gonzaga, der Witwe von Kaiser Ferdinand II. – an dessen Hof in Mantua Monteverdi beschäftigt war, bevor der begnadete Musiker nach Venedig ging, wo er 30 Jahre als Kapellmeister am Markusdom wirken und glänzen sollte. Entstanden ist dort aber nicht nur geistlich-spirituelle Musik, ganz im Gegenteil. Monteverdis Musik bewegt sich oft ganz weit weg von der traditionellen Kirchenmusik, oder sie verschmilzt mit Vertonungen von Texten großer italienischer Dichter wie Petrarca, die meist moralisierenden Inhalt beherbergen wie beim Madrigal "O ciechi, il tanto affaticas“ für fünf Stimmen und zwei Geigen. Monteverdis Marienvesper war hier schon 30 Jahre alt. Confitebor (Nr. 16) ist ein Rundgesang nach französischer Manier mit Vorsänger und Ensemble. Das Lamento „Pianto della Madonna“ gehört auf jeden Fall zu einem der Highlights dieser Sammlung und erinnert an „Il combattimento di Tancredi e Clorinda“. „Beatus vir“ für sechs Stimmen und Streicher ist Swing pur, und damit ging das viel zu kurze Konzert zu Ende. Ein Musterbeispiel für den Einsatz des Generalbasses, der einen weiteren musikalischen Meilenstein von Monteverdis Schaffen darstellt. Dieser „walking bass“ führt Monteverdis Musik direkt zum Pop und Jazz.

Der Komponist selber bezeichnete seine Kompositionen, die oft einen radikalen Stimmungsumschwung vorstellen und eine extreme Stimmbeherrschung der Sänger fordern als "Geschöpfe", die sich in seinem "moralischen und geistlichen Wald" tummeln. Leicht wird das Gehörte zum Ohrwurm, man will zu seiner Musik tanzen oder wenigstens den Rhythmus mit dem Fuß mitangeben.

*

Der gebürtige US-Amerikaner William Christie kam in den 1970er Jahren nach Paris und holte die französische Barockmusik aus der Schublade. Er war es, der Rameau und Lully wieder einen Platz im französischen Musikprogramm verschaffte. 1979 gründete dieser außerordentliche Cembalist und Dirigent das Ensemble Les Arts Florissants, das heute aus der Alten Musik weltweit nicht mehr wegzudenken ist. Gespielt wird auf historischen Instrumenten, und seine Musiker, Sänger und Tänzer haben eines gemein: Sie sind alle perfekt! Seine eigenen Opern-Produktionen werden an allen französischen Opernhäusern aufgeführt, und man muss sich sehr sputen, um einen Platz zu ergattern. William Christie und sein Ensemble gehören zur Weltspitze wenn es um individuelle Barockinterpretation geht.

*

Anmutig und graziös, affektgeladen und streng, leichtfüßig und tänzerisch kommen sie daher. Der Tutti-Einsatz ist immer astrein, die Klänge sinnlich und glasklar. Mit stilistischem Fingerspitzengefühl, Orgel und Cembalo gleichzeitig spielend und dabei auch noch dirigierend und selber umblätternd kann man ihn einfach nur als genial bezeichnen. Gespickt mit farbigen Ornamenten und dann wieder cremig-dickflüssig, wie ein schüchternes, durchbrochenes aber prägnantes Leuchten am öligen Canale Grande bei Abendlicht, wie es Monteverdi über viele Jahre hinweg erlebt haben könnte.

Mehr kann man von einem Konzert nicht erwarten. Das begeisterte Publikum rang dem Ensemble zwei lange und herrliche Zugaben ab.

Hoffentlich dauert es nicht wieder ein paar Jahre bis zum nächsten Gastspiel in Berlin!
Christa Blenk - 15. Dezember 2017
ID 10425
LES ARTS FLORISSANTS (Philharmonier Berlin, 13.12.2017)
Claudio Monteverdi: Selva morale e spirituale (Auswahl)
Emmanuelle de Negri, Sopran
Lucía Martín-Cartón, Sopran
Carlo Vistoli, Countertenor
Cyril Auvity, Tenor
Reinoud Van Mechelen, Tenor
Cyril Costanzo, Bass
John Taylor Ward, Bass
Marc Mauillon, Bass
Les Arts Florissants
Dirigent: William Christie


Weitere Infos siehe auch: http://www.berliner-philharmoniker.de


Post an Christa Blenk

eborja.unblog.fr

Dans le jardin de William Christie 2017 (in der Vendée/Frankreich)

Im Garten von William Christie



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