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nachDRUCK # 5

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Premierenkritik

Eva, Hans,

und Eva



Die Meistersinger von Nürnberg an der DOB | Foto (C) Thomas Aurin

Bewertung:    



Grau in Grau und Schwarz-Rot-Gold - das waren die zwei "Grundfarben" in den zurückliegenden Meistersinger von Nürnberg-Aufführungen der zwei hauptstädtischen Ostschwestern der Deutschen Oper Berlin aus den vergangenen elf Jahren; und sowohl Frau Moses' als auch Herrn Homokis Inszenierung steht inzwischen nicht mehr auf dem Lindenoper- oder KOB-Spielplan. Ja und auch mit den unverwüstlich sich gehalten habenden DOB-Meistersingern von Götz Friedrich & Peter Sykora (Premiere: 1. Mai 1993) war längst Feierabend - daher wurden sie jetzt von dem Drei-Gespann aus Jossi Wieler, Anna Viebrock, Sergio Morabito abgelöst; diese drei Herrschaften ließen sich so in einem Zug auf den Besetzungszettel als die neuen Inszenierer setzen, ihre Aufgabenteilung war und ist natürlich, falls man sich mit Arbeiten der drei ein bisschen näher auskennt, klipp und klar: der Wieler führt Regie, die Viebrock stattet aus, der Morabito liefert die Geschichte, hierfür haben sie sich zusätzlich noch ein paar Mit-Arbeiter ausbedungen und gegönnt.

Und was dereinst dann Grau in Grau und Schwarz-Rot-Gold gewesen war, erscheint nunmehr (wie meistens in den klugen Bühnenbildern von der Viebrock) althölzern und fast schon etwas wurmstichig; so sah es oftmals auch beim guten alten Marthaler, dem sie jahrzehntelang die Ausstattungen beisteuerte, aus. Es hat etwas von altbackener Biedernis und engstirniger Eingefangen- um nicht gar zu sagen Ausweglosigkeit. Und weil es bei den Meistersingern diesen kritischsten der Knackpunkte, jener kulturvölkischen "Ansprache" Hans Sachs' mit all den vielen Heil's und "deutsch und echt", besonders auszuhalten galt - sonst bräuchte man die Scheiße überhaupt gar nicht zu inszenieren, wenn man einfach so darüber weghuschte - ließ der Geschichtenschreiber Morabito alle Anwesenden jener Festwiese im Umfeld von "Heil! Heil! Hans Sachs" die Ärmel hochkrempeln und ihre Fäuste in die Höhe schleudern, und man dachte plötzlich so bei sich: Gleich ziehen sie aus ihren Hosentaschen ihre Hakenkreuzbinden hervor... Sie taten es natürlich nicht. Aber gepasst hätte es schon.

So viel zum Stückkritischen dieser Produktion.

Ansonsten - wie mich das Programmheft, das ich erst während der Rückfahrt mit meinem 9-Euro-Ticket las, aufklärte - sollte diese Inszenierung eigentlich dann völlig a-politisch ausgerichtet sein, und zwar mit einem völlig anderen Zentral- und Schwerpunkt als wohl alle andern Inszenierungen der Jahre und Jahrzehnte vor ihr; und dem Morabito sein Geschicht'chen diesbezüglich lautete dann so:


"In Dr. Pogner's Privat-Konservatorium. Pogner möchte das von ihm gegründete und geleitete Institut der öffentlichen Hand übergeben. Sein Nachfolger soll am bevorstehenden Sankt Johannistag durch eine öffentliche Gesangsprüfung ermittelt werden. Letzte Bedingung des scheidenden Patriarchen: Sein Nachfolger muss in die Ehe mit seiner Tochter Eva einwilligen, über die er die Geschicke des Instituts auch nach seinem Rückzug mitzugestalten gedenkt. Dass Eva ein heimliches Verhältnis mit dem an seinem Institut angestellten Musik-Dozenten und Therapeuten Hans Sachs pflegt, weiß er nicht." (Quelle: DOB)


Eva & Hans bzw. Hans & Eva spielen also DIE entscheidende Rolle im (neuen) Stück.

Das [s.o.] hat dann wiederum für Wieler, den Personenführer, eine sexualisierend ausufernde Konsequenz: Eva (bei ihrem Großduett mit jenem Nicht-mehr-Schuster) fällt wie'n wildes Tier über den Hans her, und aus einer sie erotisch stimulierenden Fuß- oder anderweitigen Massage tut sich Übergriffiges so nach und nach entwickeln, und man weiß am Ende nicht mehr, wer nun wen letztendlich vergewaltigte; sie jedenfalls tat es aus purstem Eigennutz, auch weil sie so von ihm herauszukriegen meinte, wie es quasi hinter den Kulissen um den Neuen (Walther) so bestellt wäre, ob er seinen bevorstehenden Eignungstest mit oder ohne Zuspruch von ihm (Hans) bestehen würde, denn sie ist inzwischen viel mehr scharf auf diesen, ihren Neuen, statt auf jenen, ihren Alten. Und das Hochpeinliche dieser Szene animierte nicht gerade Wenige im Saal, lautstark sowohl nach diesem Zweiten als auch später nach dem Dritten Akt herumzubuhen.



Die Meistersinger von Nürnberg an der Deutschen Oper Berlin: Das Evchen fordert den Hans Sachs auf das Hochpeinlichste heraus... | Foto (C) Thomas Aurin


*

Und auch musikalisch konnten diese neuen Meistersinger nicht besonders punkten.

Die am positiv Auffallendste, sowohl was ihre Stimme als auch ihre schauspielernde Dominanz betrifft, ist Heidi Stober (als Eva)!

Johan Reuters Bass liegt etwas höher als die herkömmlichen Sachs-Bässe und hält seiner Enormbelastung bis zur so genannten Ansprache gut stand.

Klaus Florian Vogt kann ich bald nicht mehr hören - überall singt er jetzt auch noch jene Wagnerrollen, die ihn eigentlich dann völlig überfordern würden oder werden; und als Walther hatte ich ihn auch schon oft, zu oft, erlebt. Kurzum: Ich habe seine Stimme satt.

Ya-Chung Huang (als David) sang sehr, sehr, sehr schön.

Philipp Jekal (als Beckmesser) bewegte sich im Dritten Akt gekonnt auf Krücken vorwärts, und das sah auch ziemlich komisch aus - von der hochkomödiantischen Brillanz der Brück's und Kränzle's ist er freilich meilenweit entfernt.

Der Pogner Albert Pesendorfers: geht so.

Markus Stenz hatte das Dirigat von dem verhinderten Sir Donald Runnicles kurzfristig übernommen, und er hatte hörbar Schwierigkeiten, einen durchhaltbaren Gleichklang zwischen Chor und Orchester zu erreichen; A-Synchronität an vielen Stellen.

Fast schon eine insgesamte Vollpleite.
Andre Sokolowski - 13. Juni 2022
ID 13671
DIE MEISTERSINGER VON NÜRNBERG (Deutsche Oper Berlin, 12.06.2022)
Musikalische Leitung: Markus Stenz
Inszenierung: Jossi Wieler, Anna Viebrock und Sergio Morabito
Ko-Bühnenbildner: Torsten Köpf
Ko-Kostümbildnerin: Charlotte Pistorius
Licht: Olaf Freese
Dramaturgie: Sebastian Hanusa
Chöre: Jeremy Bines
Besetzung:
Hans Sachs ... Johan Reuter
Veit Pogner ... Albert Pesendorfer
Kunz Vogelgesang ... Gideon Poppe
Konrad Nachtigall ... Simon Pauly
Sixtus Beckmesser ... Philipp Jekal
Fritz Kothner ... Thomas Lehman
Balthasar Zorn ... Jörg Schörner
Ulrich Eißlinger ... Clemens Bieber
Augustin Moser ... Burkhard Ulrich
Hermann Ortel ... Stephen Bronk
Hans Schwarz ... Tobias Kehrer
Hans Foltz ... Byung Gil Kim
Walther von Stolzing ... Klaus Florian Vogt
David ... Ya-Chung Huang
Eva, Pogners Tochter ... Heidi Stober
Magdalena ... Annika Schlicht
Ein Nachtwächter (eingespielt) ... Günther Groissböck
Lehrbuben ... Agata Kornaga, Constanze Jader, Yehui Jeong, Freya Müller, Natalie Jurk, Oleksandra Diachenko, Michael Kim, Chunho You, Adrian Domarecki, Pablo Helmbold, Kyoungloul Kim, Sotiris Charalampous und Simon Grindberg
Chor und Orchester der Deutschen Oper Berlin
Premiere war am 12. Juni 2022.
Weitere Termine: 18., 26., 29.06. / 02., 09.07.2022


Weitere Infos siehe auch: https://deutscheoperberlin.de/


https://www.andre-sokolowski.de

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