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               | | Die Fehlgeburt
 |   Daniela Köhler als Die Frau ohne Schatten - an der Deutschen Oper Berlin | Foto (C) Matthias Baus
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 | Bewertung:   
 
 
 Tobias Kratzers "Paare/ Paarungen"-Trilogie - ich nenne seinen Strauss-Zyklus einfach mal so - fand gestern Abend in der DEUTSCHEN OPER BERLIN ihren Abschluss. Nach Arabella und Intermezzo erschien mir Die Frau ohne Schatten als das ungleich schwächste Glied seiner diesbezüglichen Auseinandersetzung mit den Höhen und Tiefen zwischenmenschlicher Beziehungen; "Paare/ Paarungen" halt.
 
 Die FroSch punktete v.a. musikalisch - grandioser Orchesterklang, mehr als respektabele solistische Gesangsleistungen - , aber als das Macher-Team (mit Kratzer, Ausstatter Rainer Sellmaier und anderen) seinen Schlussapplaus entgegennehmen wollte, hagelte es einerseits kräftige Buhs, andererseits wollten sich die Befürworter dieses szenischen Angebots mit ihren lautstarken Entgegnungen gegenseitig überbieten; es war also mächtig was los im großen Laden an der Bismarckstraße.
 
 Dabei hatte Kratzer einen klugen und in seiner Inszenierung schlüssig abgehandelten Inszenierungsansatz, den er im Programmheft wie folgt beschrieb:
 
 
 "Es wird immer von der hohen Geisterwelt und der niederen Menschenwelt gesprochen, und ich überführe das in eine Zwei-Klassen-Welt, in der entscheidend ist, dass Kaiserin und Kaiser eine finanzielle Verfügungsgewalt haben, die es ihnen ermöglicht, über den Körper einer Frau der niederen Klasse zu verfügen. Nicht im Sinne eines Sklavenverhältnisses, aber dort, wo die Färberin verführbar wird, also über Kauf und Preis gesprochen wird, wird klar, dass es sich um eine wenngleich indirekte Machtausübung handelt. Damit geht eine hohe moralische Verantwortung einher, deren sich die Kaiserin zu Beginn noch gar nicht bewusst ist. Die Amme spricht viel von Preis und Kauf, die Kaiserin hinterfragt das zunächst nicht. Aber der Akt ihrer Bewusstwerdung bezieht sich natürlich auch darauf, dass sie diesen Zusammenhang erkennt und daraus das eigene Handeln ableitet."
 
 
 Sein "Reich gegen Arm" dreht er dann in ein "Arm gegen Reich" um, d.h. die zum Kindverkauf Genötigte opponiert - ganz analog der eigentlichen Stückhandlung - gegen die fast schon körperlichen Übergriffe der zwei Außerirdischen (Kaiserin/ Amme), zunächst noch ziemlich stark und deutlich, später dann, und spätestens ab dem Punkt, wo sie lt. Kratzer begreift, dass ihre Ehe mit dem Elenden (Barak) null Zukunft hat und sie sich daher künstlich befruchten lässt, igendwie hilf- und ziellos - und obgleich ihre Expedition in die Befruchtungsklinik sehr neugierig und durchaus selbstbewusst erfolgt; das Resultat jedoch ist eine Katastrophe: Sie erleidet eine Fehlgeburt.
 
 Ja und so fließt am Schluss des 2. Akts Theaterblut an Catherine Fosters Innenschenkeln herab - - da musste ich dann freilich erst mal schlucken und mir an der Pausentheke einen Remy Martin zum Runtergurgeln gönnen.
 
 Und noch ein weiterer despektierlich anmutender Regie-"Clou" fiel da auf: Denn Clay Hillay (als Kaiser), der nicht unähnlich seinem diesseitigen Gegenspieler (Barak) mit der kaiserlichen Gattin im seelischen Dauerclinch liegt, weiß seiner toxischen Geschlechtlichkeit nicht anders Herr zu werden als sie neben der Schlafstatt seiner Angetrauten mittels onaniertem Samenergusses (natürlich nur angedeutet) absondern zu müssen.
 
 Diese beiden Beispiele [s.o.] erschüttern heutzutage selbstverständlich kaum noch wen, daher hätte der Kratzer auch auf sie verzichten können - ja und wenn es nur aus reiner Rücksicht vor dem gerontologischen Gros des mehr oder weniger hochbetagten Charlottenburger DOB-Publikums gewesen wäre.
 
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 Eine FroSch lässt sich nicht so ohne Weiteres besetzen, alle fünf Hauptpartien sind vom Gesanglichen her arg grenzwertig.
 
 Die bereits genannten Forster und Hillay meisterten sie sportlich; für die eklatanten Höhenlagen sparten sie sich ihre Käfte ganz besonders klug und weise auf.
 
 Daniela Köhler und Jordan Shanahan waren vor nicht allzu langer Zeit als Kaiserin und Barak an der Oper Köln bereits zu sehen und zu hören; nein, sie sind nicht "Weltspitze", aber sie fallen stimmlich doch schon aus dem herkömmlichen Rahmen.
 
 Marina Prudenskaya war als Amme besetzt - ich selbst konnte/ kann mich an ihrem Sound nur schwer begeistern, auch fällt mir bei ihr, wie sooft, ihre Textunverständlichkeit besonders auf; dennoch kam sie bei ihren FroSch-Fans prima an.
 
 Sir Donald Runnicles ließ sich seit langem wieder mal im Graben des Orchesters der Deutschen Oper Berlin blicken, und er dirigierte klar und deutlich und vermied emotionalen Überschwang.
 
 
 
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 |   Gruppenbild mit Daniela Köhler als Frau ohne Schatten (re.) - an der Deutschen Oper Berlin | Foto (C) Matthias Baus
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 Andre Sokolowski - 27. Januar 2025| 
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 Thielemann/Arlaud (1998) sowie Schirmer/Harms (2009) bedienten noch das märchenhaft Schönhässliche bzw. Hässlichschöne in ihren zurückliegenden DOB-Inszenierungen.
 
 Runnicles/Kratzer wollten es jetzt völlig anders handhaben - musikalisch bleibt's im Großen und Ganzen wie es eh' schon war, und szenisch erinnerte es mich sehr stark an das ins Heutige Hinabgezerrte der topaktuellen Schwarz & Cozzi-Götterdämmerung in Bayreuth.
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 ID 15122
 DIE FRAU OHNE SCHATTEN (Deutsche Oper Berlin, 26.01.2025)
 Musikalische Leitung: Sir Donald Runnicles
 Inszenierung: Tobias Kratzer
 Bühne und Kostüme: Rainer Sellmaier
 Licht: Olaf Winter
 Video: Janic Bebi, Manuel Braun und Jonas Dahl
 Dramaturgie: Jörg Königsdorf
 Choreinstudierung: Jeremy Bines
 Einstudierung Kinderchor: Christian Lindhorst
 Besetzung:
 Der Kaiser ... Clay Hilley
 Die Kaiserin ... Daniela Köhler
 Die Amme ... Marina Prudenskaya
 Der Geisterbote ... Patrick Guetti
 Ein Hüter der Schwelle des Tempels ... Hye-Young Moon
 Erscheinung eines Jünglings ... Chance Jonas-O'Toole
 Die Stimme des Falken ... Nina Solodovnikova
 Eine Stimme von oben ... Stephanie Wake-Edwards
 Barak, der Färber ... Jordan Shanahan
 Sein Weib ... Catherine Foster
 Der Einäugige ... Philipp Jekal
 Der Einarmige ... Padraic Rowan
 Der Bucklige ... Thomas Cilluffo
 1. Dienerin ... Hye-Young Moon
 2. Dienerin ... Alexandra Oomens
 3. Dienerin ... Arianna Manganello
 Kinderstimmen/ Stimmen der Ungeborenen: Hye-Young Moon, Lilit Davtyan, Arianna Manganello, Martina Baroni, Stephanie Wake-Edwards, Alexandra Oomens und Stephen Marsh
 Stimmen der Wächter der Stadt: Kyle Miller und Geon Kim
 Keikobad ... Harald Heinz
 Kinderchor und Chor der Deutschen Oper Berlin
 Orchester der Deutschen Oper Berlin
 Premiere war am 26. Januar 2025.
 Weitere Termine: 30.01./ 02., 05., 08., 11.02.2025
 
 Weitere Infos siehe auch: https://deutscheoperberlin.de
 
 
         https://www.andre-sokolowski.de
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   = na ja
 
 
   = katastrophal
 
 
 
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