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Premierenkritik

"Lückenbüßer

bis zum

nächsten

Hofmannsthal"



Intermezzo von Richard Strauss an der Deutschen Oper Berlin | Foto (C) Monika Rittershaus

Bewertung:    



Intermezzo ist die einzige Oper von Richard Strauss (1864-1949), die ich bisher nicht kannte. Sie wird dann allerdings auch nicht sehr oft gespielt - zum Glück, hätte ich fast gemeint, denn schon von ihrem Script her, das der Komponist dann übrigens höchstselbst verzapfte, ist sie nicht gerade das, was mich interessieren würde.


"Während der Arbeit an der Frau ohne Schatten bat Strauss seinen Librettisten Hugo von Hofmannsthal im Mai 1916 um eine 'ganz moderne, absolut realistische Charakter- und Nervenkomödie' als Gegenpol. Hofmannsthal lehnte ab und empfahl den Dramatiker und Kritiker Hermann Bahr. Da Strauss eine Oper mit autobiographischen Zügen im Sinn hatte, riet Bahr dem Komponisten dazu, das Libretto unter Anleitung selbst zu verfassen. Strauss schuf einen gelungenen Komödientext, die Hauptpersonen sind unschwer als das Ehepaar Strauss zu erkennen. Er stellte der Partitur aber eine längere theoretische Einleitung voran, in der er das Konzept der Oper erläuterte; Strauss sah in ihr mehr als einen autobiographischen 'Reißer' oder einen 'Lückenbüßer bis zum nächsten Hofmannsthal', obwohl er sich einmal dahingehend geäußert hatte.

Zu Beginn der Arbeit hatte die Oper den Arbeits-Titel
Das eheliche Glück. Anfang Juni 1918 schrieb Strauss an Hofmannsthal, ihm gehe die Komposition der 'kleinen Eheoper (…) ausgezeichnet von der Hand'. Dennoch vollendete Strauss die Komposition erst am 21. August 1923 auf der zweiten Südamerika-Tournee mit den Wiener Philharmonikern."

(Quelle: Wikipedia)



Seine eigene Ehe also lieferte dem Schöpfer (seiner selbst) den Stoff, aus dem er seine für den damaligen Publikumsgeschmack andienbare Oper dichtete und komponierte; ja und wenn dann halt seine Musik hierzu nicht wäre, könnte man den groß-/ kleinbürgerlichen Schmarrn getrost vergessen. Als Werkunkundigem blieb mir - zur zeitnahen Vorbereitung auf die gestrige Premiere - nichts anderes übrig als auf Youtube nach Hörbeispielen zu suchen; so fanden und finden sich hier zwei komplette TV-Mitschnitte, einer aus München (1963 von Joseph Keilberth dirigiert) und einer aus Glyndebourne (1983 von Gustav Kuhn dirigiert), auch kann man einem EMI-Plattenmitschnitt (1980 von Wolfgang Sawallisch dirigiert) lauschen, und sowieso gibt es einige Hör- und Sehbeispiele der Vier sinfonischen Zwischenspiele aus "Intermezzo" anzuklicken - ergo bräuchte man nix extra kaufen und kann all das Obige (gute Kopfhörer vorausgesetzt) umsonst über sich ergehen lassen...

*

Tobias Kratzer hat sich jetzt das Intermezzo als Mittelteil seiner für die DOB konzipierten Strauss-Trilogie zum Thema "Paare/Paarungen", die er bereits im letzten Jahr mit Arabella begann und 2025 mit der FroSch abzuschließen gedenkt, vorgeknöpft.

Und seine Inszenierung - wie nicht anders zu erwarten gewesen wäre - funktioniert perfekt:

Die Bühne von Rainer Sellmaier deutet einen überdimensionalen und in schlichten Spanholzplatten eingefassten Guckkasten an, und zwar im Breitwandformat. Dieser Eindruck wird dann noch verstärkt, indem die Sicht- und Spielfläche ab und zu halbiert wird; da fährt dann immer so eine Leinwand bis zur Hälfte herunter, und auf ihr werden Live- und vorgefertigte Videos von Jonas Dahl & Janic Bebi projiziert. Es gibt dann 13 Szenen resp. Szenenbilder in unterschiedlich großem Ausmaß - meistens in der ganzen Breite (mit einem echten Taxi in der ersten Szene, wo der Komponistendirigent zu einer seiner Gastspielreisen aufbricht und das Dienstmädchen Dutzende Koffer herbeischafft, oder zwei ineinander verkeilten Kleinwagen, was die sog. "Szene auf der Rodelbahn" assoziieren soll), und manchmal als Miniausschnitt, wenn z.B. das sog. "möblierte Zimmer im Hause des Notars" angedeutet wird. Doch meistens, wie gesagt, wird alles in der ganzen Breite ausgebreitet und obgleich mit weniger als wenig Interieur; eine Couch, ein fahrbarer Kleiderständer, ein Schreibtisch (des Notars) u.a.

Kratzers Personenführung ist intelligent und ironisch zugleich, die Spiellaune aller Akteure in ihrer inflationären Aufgeheizt- und Aufgereiztheit verkürzt die eigentlich zu Gähnkrämpfen führende Handlung dieses Strauss'schen Schwachsinnsstücks und lässt es diesbezüglich in seiner prinzipiellen Unbedeutendheit zu einem einigermaßen Erträglicheren emporqualifiziert erscheinen; nicht die schlechteste Herangehensweise für diesen librettösen Mist.



Maria Bengtsson (als Christine) bedroht Markus Brück (als Notar) mit dem Elektra-Hackebeil in Intermezzo von Richard Strauss - inszeniert von Tobias Kratzer an der Deutschen Oper Berlin | Foto (C) Monika Rittershaus


* *

Etwas problematischer wurde es, was das Musikalische dieser an sich gelungenen DOB-Produktion betifft, denn:

Die Bühne und das Haus an sich sind für die eigentlich intim gerat'ne Partitur des Intermezzo - trotz seiner vielen und so typisch straussisch (also rauschig) klingenden Orchesterzwischenspiele, die dann konsequent und folgerichtig als Live-Video aus dem Orchestergraben nachverfolgt und betrachtet werden können - viel zu groß, d.h. dass viel Gesangliches, ja und so adäquat und bemüht es durch die Protagonistinnen und Protagonisten zu mir als Zuhörer herüber- und herantönt, quasi untergeht; und sowieso versteht man bei der glänzend in Form seienden Maria Bengtsson kaum ein Wort, obwohl sich ihre Stimme wahrlich schön anhört.

Philipp Jekal (als Hofkapellmeister Storch), Thomas Blondelle (als mittelloser Baron Lummer), Markus Brück (als vor der das Elektra-Hackebeil schwingenden Hofkapellmeistersgattin sich in Acht nehmender Notar) oder Clemens Bieber (als alternder Mieze-Maier-Lover) verdienen besondere Erwähnung eines insgesamt vorzüglich zusammengestellten Casts inkl. jeder Menge Klein- und Kleinstdarsteller aus dem hauseig'nen Ensemble.

Es gibt viel zu sehen und auch viel zu lachen.

Das Premierenpublikum zeigte sich einhellig begeistert.

Andre Sokolowski - 26. April 2024
ID 14716
INTERMEZZO (Deutsche Oper Berlin, 25.04.2024)
Musikalische Leitung: Sir Donald Runnicles
Inszenierung: Tobias Kratzer
Bühne und Kostüme: Rainer Sellmaier
Licht: Stefan Woinke
Video: Jonas Dahl und Janic Bebi
Dramaturgie: Jörg Königsdorf
Besetzung:
Hofkapellmeister Robert Storch ... Philipp Jekal
Christine, seine Frau ... Maria Bengtsson
Franzl, ihr kleiner Sohn ... Elliott Woodruff
Anna, die Kammerjungfer ... Anna Schoeck
Baron Lummer ... Thomas Blondelle
Kapellmeister Stroh ... Clemens Bieber
Notar ... Markus Brück
Frau des Notars ... Nadine Secunde
Kommerzienrat ... Joel Allison
Justizrat ... Simon Pauly
Kammersänger ... Tobias Kehrer
Resi ... Lilit Davtyan
Orchester der Deutschen Oper Berlin
Premiere war am 25. April 2024.
Weitere Termine: 28.04./ 01., 05.05./ 07., 14.06.2024


Weitere Infos siehe auch: https://deutscheoperberlin.de


https://www.andre-sokolowski.de

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