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Tanztheater

Kontakthof revisited

Das Tanztheater Wuppertal Pina Bausch gastierte bei den LUDWIGSBURGER SCHLOSSFESTSPIELEN

Bewertung:    



Die neue Intendanz der LUDWIGSBURGER SCHLOSSFESTSPIELE wurde nun schon im zweiten Jahr vom Corona-Pech verfolgt. Um nicht ganz in Kummer zu ersaufen, holt sie, außerhalb des eigentlichen Termins, einzelne geplante Events nach. So auch diese bemerkenswerte Wiedergeburt. 37 Jahre nach der Uraufführung und nach einer Einstudierung mit Seniorinnen und Senioren über 65 und einer weiteren mit Jugendlichen hat das Tanztheater Wuppertal Pina Bausch deren legendären Kontakthof erneut zum Leben erweckt, jetzt ist er in Ludwigsburg angekommen.

Geht das? Ja, es geht vorzüglich. Wer den in die Tanztheatergeschichte eingegangenen Abend seinerzeit gesehen hat, mag die charismatischen Ensemblemitglieder Jo Ann Endicott, Mechthild Großmann oder Jan Minarek vermissen. Aber die strenge Stilisierung erlaubt einen Austausch der Tänzerinnen und Tänzer ohne ästhetischen Verlust in der Choreographie. Kontakthof bedarf keiner Aktualisierung. Er ist so zeitlos wie die Filme von Buster Keaton. Zu seinen Verwandten zählt auch Le Bal (Der Tanzpalast) von Ettore Scola.

Pina Bauschs Tanztheater hat mit psychologischem Realismus ebenso wenig zu tun wie mit dem klassischen Ballett. Ihr legitimer Nachfolger ist keiner der gegenwärtigen Choreographen, sondern Christoph Marthaler. Zusammen mit Pina Bausch markiert er am deutlichsten und am überzeugendsten die Linie, auf der Theater und Tanz zu einer Einheit finden. Allenfalls Alvis Hermanis mit seinen besten Inszenierungen lässt sich in diesem Zusammenhang noch nennen. An Marthaler und seine Bühnenbildnerin Anna Viebrock lässt auch der triste Ballsaal mit dem riesigen Fenster, der kleinen Tür und den schlichten Stühlen denken, den Rolf Borzik, den Titel des Stücks ignorierend, gebaut hat, aber auch Dirk Beckers Bühnenbild für Christian Spucks Handlungsballett Lulu. Eine Monstretragödie mag einem einfallen.

Kontakthof profitiert vom bruchlosen Zusammenspiel von Ensemble, Paaren und Solisten, von der Spannung zwischen Chaos und Ordnung, von der Komik der Gänge, von der frontalen Kommunikation mit dem Publikum, von den stets aufs Neue faszinierenden Polonaisen der Pina Bausch. Gegen Ende sitzen alle in einer Reihe auf Stühlen an der Rampe. Einer hält ihnen nacheinander ein Mikrophon vor den Mund. Jeder spricht in seiner Sprache Wörter, und sogar die Syntax ist korrekt, aber es ergeben sich keine sinnvollen Sätze. So verfährt Pina Bausch mit Gesten und Körperhaltungen, individuell und in der Positionierung zu einander. Der Surrealismus und das Absurde eines Ionesco oder eines Havel haben in ihrem Tanztheater eine eigene Ausformung erfahren.

*

Die Musik gibt sich nostalgisch. Bevorzugt werden Tangos und alte Schlager, aber auch Kompositionen von Charlie Chaplin, Jean Sibelius und der unvermeidliche Walzer aus Schostakowitschs Suite für Varieté-Orchester. Im Programmfaltblatt hat die aktuelle Intendantin des Wuppertaler Tanztheaters Bettina Wagner-Bergelt wenig über die revolutionären Innovationen durch Pina Bausch zu sagen. Stattdessen entschuldigt sie sich (und Pina Bausch) ausführlich für den Sexismus der Schlagertexte und für die Tatsache, dass der Tangokomponist Juan Llossas Faschist war. Gegen die Versuchung, diesen Umstand toll zu finden, wurden für das Ensemble Workshops eingerichtet. Man fragt sich, ob die internationale Truppe wirklich über Rassismus belehrt werden muss. Das Publikum muss sich mit den paar Sätzen zufrieden geben. Der Pflichtübung ist Genüge getan. Und dann, daheim, gleich ein paar CDs von Furtwängler und Karajan in den Player gesteckt.



Kontakthof mit dem Tanztheater Wuppertal Pina Bausch | Foto (C) Reiner Pfisterer

Thomas Rothschild – 7. Oktober 2021
ID 13191
Weitere Infos siehe auch: https://schlossfestspiele.de/


Post an Dr. Thomas Rothschild

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